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Hintergrund

Opioid-Krise: Kann ein neues Schmerzmittel die Lösung sein?

Anna Sandner
1.4.2025

Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren kommt ein Schmerzmittel mit neuartigem Wirkmechanismus auf den Markt. Es verspricht starke Schmerzlinderung ohne die Suchtgefahr von Opioiden. Wie das Mittel wirkt, ob es in Europa erhältlich sein wird und für wen es geeignet ist.

Im Januar ließ die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA ein Medikament mit neuem Wirkmechanismus zu: Suzetrigin, ein Mittel gegen Schmerzen. Das Besondere daran: Es birgt kein Risiko für Abhängigkeit – ein entscheidender Vorteil gegenüber Opioiden, die bei starken Schmerzen häufig verschrieben werden. Zwar lindern Opioide Schmerzen effektiv, doch ihre Wirkung im Gehirn kann durch stimmungsaufhellende Effekte schnell in eine Sucht münden. Die Folgen sind in den USA erschreckend: Jährlich sterben dort zehntausende Menschen an einer Überdosis starker Schmerzmittel wie Fentanyl.

So wirken Schmerzmittel und Opioide

Herkömmliche Schmerzmittel wie Ibuprofen, die bei leichten bis mäßigen Schmerzen eingesetzt werden, bergen kein Suchtpotenzial. Ihre Wirkung beruht auf der Hemmung bestimmter Enzyme (Cyclooxygenasen), wodurch die Produktion entzündungsfördernder Stoffe sinkt.

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Reichen diese Mittel nicht aus, kommen bei starken Schmerzen – etwa durch Krebs oder chronische Erkrankungen – auch in Deutschland und der Schweiz Opioide zum Einsatz. Opioide docken an Rezeptoren im zentralen Nervensystem an, blockieren die Schmerzweiterleitung und lösen Euphorie aus. Wiederholte Einnahme führt schnell zu Toleranz und birgt ein hohes Suchtpotenzial.

Neuartiger Wirkmechanismus von Suzetrigin

Suzetrigin setzt hingegen direkt an den Nervenzellen an, die die Schmerzsignale übertragen. Es blockiert gezielt den Natriumionenkanal Nav1. 8, der eine Schlüsselrolle bei der Weiterleitung von Schmerzsignalen spielt. Dadurch greift Suzetrigin ausschließlich in die Schmerzweiterleitung ein, ohne andere Körperfunktionen zu beeinflussen. Das soll eine effektivere Schmerzlinderung mit weniger Nebenwirkungen ermöglichen.

Der entscheidende Unterschied zu Opioiden liegt also darin, dass Suzetrigin nicht im zentralen Nervensystem wirkt. Suzetrigin umgeht die Suchtwirkung, indem es ausschließlich in den peripheren Nervenzellen ansetzt.

Die Zulassung von Suzetrigin kommt inmitten der verheerenden Opioidkrise in den USA, die jährlich Tausende Todesopfer fordert. Die FDA beschleunigte die Genehmigung, um «sichere und wirksame Alternativen zu Opioiden für die Schmerzbehandlung zu ermöglichen», erklärte Jacqueline Corrigan-Curay, amtierende Direktorin des Zentrums für Arzneimittelbewertung und -forschung der FDA.

Fentanyl ist mittlerweile der Haupttreiber der Opioidkrise in den USA und verantwortlich für die Mehrheit der Drogentodesfälle.
Fentanyl ist mittlerweile der Haupttreiber der Opioidkrise in den USA und verantwortlich für die Mehrheit der Drogentodesfälle.
Quelle: Statista 2025

Wann kommt Suzetrigin nach Europa?

Während Suzetrigin in den USA bereits zugelassen ist, ist es auf dem europäischen Markt noch nicht verfügbar. Bislang gibt es noch keine konkreten Informationen zur Zulassung hierzulande und der Prozess der Arzneimittelzulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) kann mehrere Jahre dauern.

Die beschleunigte Zulassung in den USA lässt allerdings erwarten, dass die zuständigen Behörden die Entwicklung von Suzetrigin genau beobachten und möglicherweise auch hier einen schnelleren Zulassungsprozess in Betracht ziehen.

Für wen könnte Suzetrigin geeignet sein?

Zurzeit ist Suzetrigin in den USA für die Behandlung von mittleren bis starken akuten Schmerzen zugelassen. Das betrifft zum Beispiel Schmerzen nach Operationen oder bei Verletzungen. Auch Menschen mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen könnten davon profitieren.

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Nebenwirkungen und Vorsichtsmaßnahmen

Wie bei jedem Medikament gibt es auch bei Suzetrigin einige Dinge zu beachten. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Juckreiz, Hautausschlag und Muskelkrämpfe. Schwangere und stillende Frauen sollten das Medikament nur nach Rücksprache mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin einnehmen. Auch Menschen mit Leberproblemen sollten vorsichtig sein und möglicherweise eine geringere Dosis erhalten.

Ein Hoffnungsschimmer am Horizont

Suzetrigin könnte einen Wendepunkt in der Schmerztherapie markieren. Es bietet die Aussicht auf wirksame Schmerzlinderung ohne die gefürchteten Nebenwirkungen von Opioiden. Doch noch ist weitere Forschung nötig, um das volle Potenzial und mögliche langfristige Nebenwirkungen zu verstehen. Für Patientinnen und Patienten in Deutschland und der Schweiz bleibt vorerst nur abzuwarten.

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