Humbug oder Heilmittel: Was bewirkt Ashwagandha?
Aus der traditionellen indischen Medizin ist Ashwagandha, die Schlafbeere, nicht wegzudenken. Auch hierzulande kann sie in Kapselform oder als Tee gekauft werden. Doch wirkt die Pflanze tatsächlich gegen Stress, Angst und Schlaflosigkeit?
Ashwagandha (wissenschaftlich: Withania somnifera), auch bekannt als Schlafbeere, ist eine Pflanze, die seit Jahrhunderten in der traditionellen indischen Medizin, insbesondere im Ayurveda, verwendet wird. Der Name «Ashwagandha» stammt aus dem Sanskrit und mutet zunächst etwas eigenwillig an: «Geruch des Pferdes». Tatsächlich weist er auf die kräftigende Wirkung der Pflanze hin. In der ayurvedischen Tradition wird Ashwagandha als Tonikum, Aphrodisiakum und zur Behandlung verschiedener Beschwerden eingesetzt. Es soll das körpereigene Gleichgewicht (Doshas) wiederherstellen und die Lebensenergie (Ojas) stärken.
Wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit
Die Popularität von Ashwagandha hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Dadurch ist auch die Wissenschaftswelt aufmerksam geworden und hat die biologische Wirkung der Pflanze auf den Prüfstand gestellt. In zahlreichen Studien wurden die potenziellen gesundheitlichen Vorteile von Ashwagandha untersucht, insbesondere ihre Wirkung auf Stress, Angstzustände, Depressionen und Schlaflosigkeit. Die Ergebnisse zeigen: Es ist was dran an der Wirksamkeit des unscheinbaren Krauts mit den roten Beeren – trotzdem sind weitere Untersuchungen notwendig.
Stress und Angst
Mehrere Studien haben gezeigt, dass Ashwagandha-Extrakte in Kapselform die Anti-Stress-Aktivität erhöhen können. Eine Meta-Studie, in der 12 Studien mit insgesamt über Tausend Teilnehmenden ausgewertet wurden, kommt zu dem Schluss: Ashwagandha-Supplementierung reduzierte signifikant die Angst und das Stressniveau im Vergleich zu einem Placebo. Allerdings sprechen sich die Forschenden auch für weitere Untersuchungen aus, um die klinische Wirksamkeit der Pflanze besser zu belegen.
Depression und Schlaf
Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass Ashwagandha-Extrakte depressionsähnliches Verhalten reduzieren können. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass die Pflanze sich auch positiv auf den Schlaf auswirkt. Demnach fällt das Einschlafen leichter, der Schlaf ist länger und auch die Schlafqualität kann sich verbessern. Diese Effekte wurden sowohl bei Tieren als auch bei Menschen beobachtet.
Antioxidativ, antientzündlich, antimikrobiell
Ashwagandha enthält Substanzen, die als Antioxidantien wirken. Diese können freie Radikale im Körper neutralisieren und so vor oxidativem Stress schützen. In Studien konnte Ashwagandha die Schädigung von Fetten durch Oxidation (Lipidperoxidation) reduzieren und die antioxidative Kapazität erhöhen. Außerdem wirkt die Pflanze antientzündlich, indem sie die Produktion von Entzündungsbotenstoffen wie Zytokinen und Stickstoffmonoxid hemmen kann. Dadurch können überschießende Entzündungsreaktionen, die dem Körper schaden, gedämpft werden. Und auch gegen verschiedene Krankheitserreger wie Bakterien, Pilze und Viren hält Ashwagandha Inhaltsstoffe bereit, die bei der Bekämpfung von Infektionen unterstützend wirken.
Kognitionsverbessernde Wirkung
Verschiedene Untersuchungen gaben zudem Hinweise darauf, dass Ashwagandha die kognitive und psychomotorische Leistung bei gesunden Menschen verbessern kann. Zudem wird Ashwagandha als möglicher Wirkstoff zur Prävention von Alzheimer erforscht. Denn Studien zeigten, dass Ashwagandha das Auswachsen von Neuriten fördert, den feinen Fortsätzen von Nervenzellen, über die Signale zwischen den Zellen übertragen werden. Ashwagandha hat darüber hinaus die Fähigkeit, bestimmte Signalwege in den Nervenzellen zu aktivieren, die einen schützenden Effekt etwa bei einem Schlaganfall haben.
Nahrungsergänzungsmittel und Dosierung
Ashwagandha ist in vielen Nahrungsergänzungsmitteln enthalten, die oft als Mittel zur Stressbewältigung und zur Verbesserung der allgemeinen Gesundheit beworben werden. Obwohl einige Studien positive Effekte gezeigt haben, gibt es keine einheitlichen Empfehlungen zur optimalen Dosierung, was eine gezielte Einnahme schwierig gestaltet.
Wichtig ist außerdem: Nahrungsergänzungsmittel, die Ashwagandha mit anderen Stoffen wie Vitaminen, Selen oder Biotin mischen, sind nicht empfehlenswert. Diese Mischungen können unerwünschte Wechselwirkungen verursachen und die Wirkweise beeinträchtigen. Ashwagandha sollte daher in reiner Form verwendet werden.
Vorsicht bei der Selbsttherapie
Neben all den potenziellen Vorteilen gibt es auch Berichte über Nebenwirkungen. Zu den häufigsten gehören leichte bis mäßige und vorübergehende Schläfrigkeit, Magen-Darm-Beschwerden und lockerer Stuhlgang. Schwangere Frauen sollten Ashwagandha unbedingt vermeiden, da es in höheren Dosen eine Fehlgeburt auslösen kann. Daher solltest du unbedingt Rücksprache mit einer Ärztin oder einem Arzt halten, wenn du die Schlafbeere nutzen möchtest.
Fazit: Heilmittel oder Humbug?
Ashwagandha hat also nicht nur eine lange Geschichte in der traditionellen indischen Medizin, sondern zeigt durchaus auch in wissenschaftlichen Studien vielversprechende gesundheitliche Vorteile. Insbesondere bei der Reduzierung von Stress, Angstzuständen, Depressionen und Schlaflosigkeit gibt es bereits aussichtsreiche Erkenntnisse. Vorsicht ist aber geboten, da es Berichte über Nebenwirkungen gibt und die optimale Dosierung noch unklar ist. Für einen gezielten medizinischen Einsatz ist die Forschungslage noch zu dünn, das Potenzial für ein vielversprechendes Heilmittel bringt Ashwagandha aber offenbar mit.
Wissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.