Weniger Dioptrien: Worauf es beim Augenlasern ankommt
Hintergrund

Weniger Dioptrien: Worauf es beim Augenlasern ankommt

Viele Menschen, die eine Brille tragen müssen, würden sie gern loswerden. Zum Glück gibt es Kontaktlinsen. Doch was, wenn du nach jahrelangem Tragen zu trockene Augen bekommen hast? Statt wieder zur Brille zu greifen, gibt es die Option Augenlasern. Bei der Auswahl von Chirurg oder Chirurgin kommt es allerdings auf eine wichtige Sache an.

Beryll war im Mittelalter der Oberbegriff für alle klaren Kristalle. Wurde aus ihm eine Linse geschliffen, nannte man diese Brill. Und zwei geschliffene Linsen? Genau, Brille. Die erste richtige Brille aus geschliffenen Kristallen entstand im 13. Jahrhundert, erfunden von italienischen Mönchen, die berufsbedingt viel lesen mussten. Doch auch schon vorher behalfen sich schlecht sehende Menschen mit sogenannten Lesesteinen: Das waren halbkugelförmige Bergkristall- oder Quarz-Linsen, die auf den Schriftsatz gelegt die Buchstaben vergrößerten.

Heutzutage hast du es einfacher, um eine Fehlsichtigkeit wie Kurz- oder Weitsichtigkeit auszugleichen: mit Brille oder Kontaktlinsen. Für kurzsichtige Kinder existieren sogar noch mehr Möglichkeiten.

Oder aber du entscheidest dich für eine Laser-Operation. Im Prinzip gibt es drei verschiedene Methoden zum Augenlasern: «transPRK», «Femto-LASIK» und «Lentikelextraktion». Alle Laser-Methoden modellieren die Hornhaut, um den Brechungsfehler der Augen auszugleichen. Man behandelt also nicht die Ursache – den zu langen oder zu kurzen Augapfel. Sondern der Laser stellt die Optik auf eine gewisse Ferne ein, er korrigiert die Dioptrien.

Wie sich die drei refraktiven (die Brechkraft des Auges betreffend) chirurgischen Eingriffe unterscheiden, erklärt Prof. Dr. Dr. Farhad Hafezi vom Augeninstitut ELZA in Dietikon in diesem Video sehr anschaulich. Welche Laser-Methode für fehlsichtige Augen nun am besten passt? Pauschal und ohne Untersuchungen lässt sich das nicht beantworten – die Wahl hängt stark von der individuellen Hornhaut ab, vor allem von deren Festigkeit und Dicke und wie sie am Auge mechanisch funktioniert.

Allerdings habe die moderne transPRK Vorteile, sagt Prof. Hafezi. Sie sei vergleichsweise schonender und sicherer. Statt wie bei der Lasik eine Lamelle in die äußere Hornhautschicht zu schneiden oder wie bei der Lentikelextraktion ein Lentikel aus der Hornhaut herauszuschneiden, arbeitet man bei der transPRK berührungslos an der Hornhaut. Ich bin im Interview mit dem Experten noch tiefer in das Thema Augenlasern eingestiegen:

Wer sich seine Augen lasern lässt, lässt im Grunde eine Schönheits-Operation an sich vornehmen, oder?

Prof. Farhad Hafezi: «Fehler in der Brechkraft des Auges sind keine Krankheit, sondern optisch bedingt. Daher: Ja, mehr als 90 Prozent sind kosmetische refraktive Augenlaser-Operationen, da die meisten Patientinnen oder Patienten ihren Brechkraft-Fehler mit Brille oder Linsen therapieren könnten. An unserem Institut nehme ich allerdings auch therapeutsch-refraktive OPs am Auge vor, wenn Erkrankungen der Hornhaut bestehen, etwa bei Keratokonus (eine kegelförmige Verkrümmung der Hornhaut, die zugleich immer dünner wird, Anm. d. Red) – übrigens eine der häufigsten Ursachen für Erblindung bei Kindern.»

Gibt es Statistiken, welche Fehlsichtigkeit tatsächlich am häufigsten gelasert wird?

«Weltweit, auch in der Schweiz, gibt es viel mehr kurzsichtige als weitsichtige Menschen. Wie viele Menschen sich insgesamt hierzulande lasern lassen, dazu gibt es aber nur Schätzungen. Was ich aus meiner Praxis berichten kann: Zu mir kommen häufig jüngere Menschen bis Anfang 30, einen zweiten Peak gibt es dann zwischen 40 und 50 Jahren.»

Kann man sich auch noch mit 60plus die Augen lasern lassen bzw. gibt es eine Altersgrenze?

«Es gibt keine Altersgrenze, ich habe auch schon Patienten gelasert, die in ihren 80ern waren. Dabei handelte es sich aber nicht um kosmetische Eingriffe, sondern um Patienten mit Hornhauterkrankungen, denen ich medizinisch helfe. Bei dieser Art des rekonstruktiven Laserns sind wir mit dem ELZA Institute eines von vielleicht 15 bis 20 Instituten in Europa, die solch komplexen OPs regelmäßig durchführen.»

Selbst kurzsichtig, habe ich vor vielen Jahren einmal diesen Satz gelesen: Solange man mit Brille und/oder Kontaktlinsen gut auskommt, gibt es keinen Grund, sich die Augen lasern zu lassen. Gilt dieser Satz heute immer noch?

«Die Frage nach, Operieren oder nicht, ist immer auch eine persönliche Frage. Sicherlich kann man bei Kontaktlinsen oder Brille bleiben, wenn man seit Jahren ein solches System fährt und gut damit zurechtkommt. Was vielen Kontaktlinsenträgern nicht bewusst ist: Die refraktive Laserchirurgie ist ähnlich sicher ist wie das Kontaktlinsentragen, hat eine Studie gezeigt.»

Was sind aus Ihrer Erfahrung die häufigsten Gründe, warum sich Menschen die Augen lasern lassen? 

«Ich kann zwei Hauptgründe nennen: Sport und die Unbequemlichkeit der Kontaktlinsen. Bei Patienten im Lesebrillenalter wollen diese die Gleitsichtbrille oder die Lesebrille vermeiden. Und dann gibt es die Menschen, die von Kontaktlinsenintoleranz betroffen sind: Nach vielen Jahren Kontaktlinsentragen sind häufig die Augen so trocken, dass die Kontaktlinsen nur noch wenige Stunden pro Tag getragen werden können.»

Warum werden Augen, die jahrelang Kontaktlinsen vertragen haben, plötzlich zu trocken für diese?

«Selbst die allerbesten Kontaktlinsen stellen für den menschlichen Körper einen Fremdkörper dar. Die Kontaktlinse benötigt Flüssigkeit, um zu gleiten. Sie reizt mit den Jahren die gesamte Oberfläche des Auges, inklusive der Becherzellen (Drüsenzellen), die Muzine (Substanz, die Bestandteil von Schleim ist) produzieren. Mit der Zeit entsteht so ein trockenes Auge – dies gilt für beide Arten von Kontaktlinsen, harte und weiche Linsen. Die individuelle Resistenz gegenüber dem Entwickeln des trockenen Auges ist extrem unterschiedlich von Mensch zu Mensch. Manche vertragen problemlos 20 Jahre Kontaktlinsentragen, andere haben bereits nach zwei bis drei Jahren stark Mühe.»

Seitdem 1986 der erste Excimer-Laser zum Einsatz kam, haben sich die Augenlaser-Technologien enorm verändert. Im oben verlinkten Video plädieren Sie, sofern die Voraussetzungen dafür bei Patient oder Patientin stimmen, für die transPRK-Methode – also die moderne Weiterentwicklung der Laser-OP aus den 1980ern. Wenn die Vorteile bei transPRK so überwiegen: Warum wird eine Methode wie Femto-Lasik noch angeboten?

«Das Video muss naturgemäß etwas vereinfachen. Insgesamt sind alle drei Methoden sehr sicher, aber die transPRK ist relativ gesehen noch ein wenig sicherer, weil die Schnitte in die Hornhaut wegfallen. Bei bestimmten Indikationen ist die Femto-LASIK klar die bevorzugte Methode, so zum Beispiel bei stark Fehlsichtigen, mit oder ohne Hornhautverkrümmung, wie es auch bei mir der Fall war. Aber es gibt viele Menschen, bei welchen alle drei Methoden auf sichere Weise möglich sind.»

Was ist bei der modernen transPRK die gefürchtetste Nebenwirkung?

«Die Wundheilung verläuft bei der transPRK langsamer als bei der LASIK, kann aber extrem gut gesteuert werden. Wichtig ist, dass die Patienten in den ersten Monaten ein Team mit dem Arzt bilden und z.B. immer zu den Nachkontrollen kommen.»

Glauben Sie, die Technologien in der refraktiven Laser-Chirurgie werden sich so weiterentwickeln, dass Sie eines Tages zum Beispiel die lentikuläre Extraktion als optimalste ansehen werden? 

«Wichtig ist vorab zu erwähnen, dass wir am ELZA Institute alle drei Verfahren anbieten. Sonst tendieren ja viele Chirurgen naturgemäß zu der Methode, die sie benutzen und mit welcher sie die meiste Erfahrung haben. Heutzutage haben wir mit transPRK und Femto-LASIK zwei hervorragende Methoden, die das gesamte Spektrum der Chirurgie abdecken. Die dritte Methode, die lentikuläre Extraktion, bietet nach dem Eingriff eine solide Hornhaut-Biomechanik wie die transPRK und ist damit biomechanisch weniger eingreifend als eine LASIK. Wir waren zusammen mit Walter Sekundo aus Deutschland übrigens die weltweit ersten, die dies aufzeigen konnten. Die Technologie hat sich wahnsinnig geändert – und ist stark zur ursprünglichen Therapie zurückgekehrt, eben der transPRK. Für gesunde Augen wird bei den Technologien nicht mehr wahnsinnig viel Neues kommen. Wo es allerdings noch keine perfekte Lösung gibt, ist die Alterssichtigkeit.»

Können Kurzsichtige, die auch von Alterssichtigkeit betroffen sind, sich die Augen so lasern lassen, dass sie überhaupt keine Brille mehr benötigen?

«Auch eine Augenlaser-OP kann natürlich das Altern nicht aufhalten. Aber bis zu einer gewissen Dioptrien-Zahl bekommen wir eine größtmögliche Brillenfreiheit hin. Bis jetzt, wo es seitens der Technologien noch keine perfekte Lösung gibt, braucht es dafür einen Trick: die Monovision. Die Augen werden beim Lasern unterschiedlich behandelt, ein Auge wird auf eine dreiviertel (oder mehr) Dioptrien weniger gelasert. Somit übernimmt ein Auge das Sehen für die Ferne, das andere für die Nähe. Wir können vorher mit Linsen testen, ob das für die Patientin oder den Patienten geeignet ist. Alterssichtigkeit können wir relativ gut behandeln, aber man muss Abstriche machen: Sie dürfen nicht den Anspruch an die OP haben, in der Ferne, auf mittlere Distanz und in der Nähe wieder wie mit 20 Jahren zu sehen. Das geht nicht. Ich selbst kann z.B. mit 55 Jahren nach meiner eigenen Lasik mit Monovision immer noch 95 Prozent des Alltags ohne Lesebrille meistern.»

Wie nehmen Sie Menschen die Angst vorm Lasern? Ich kann mir vorstellen, dass die Ängste enorm sind.

«Viele haben den Entscheidungsprozess zur Operation bereits hinter sich, wenn sie sich bei uns melden. Bei diesen Patientinnen und Patienten sind die Ängste geringer. Wir lasern am ELZA Institute aber auch viele Betroffene mit Hornhauterkrankungen wie dem Keratokonus, denen anderswo gesagt wurde, dass ihnen nicht geholfen werden kann. Wenn sie dann zum ersten Mal hören, dass eine Verbesserung prinzipiell machbar ist, sind sie überrascht und benötigen Zeit. Sie nehmen die Information mit nach Hause – manchmal dauert es Monate oder auch Jahre, bis sie sich in Ruhe entschieden haben. Sehr viel hilft natürlich die Erfahrung der Chirurgen.»

Warum tragen Augenärztinnen und -ärzte eigentlich oft selbst eine Brille?

Das ist ein Trugschluss. Die ASCRS (American Society for Cataract and Refractive Surgery) führt seit Jahren einen Survey durch und fragt die Chirurgen: Haben Sie einen Sehfehler und falls ja, sind Sie selber gelasert? Hier haben mehr als die Hälfte der Chirurgen angegeben, selber gelasert zu sein. Dieser Prozentsatz ist viel höher als der in der Allgemeinbevölkerung.»

Titelfoto: shutterstock

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Mareike Steger
Autorin von customize mediahouse
oliver.fischer@digitecgalaxus.ch

Ich hätte auch Lehrerin werden können, doch weil ich lieber lerne als lehre, bringe ich mir mit jedem neuem Artikel eben selbst etwas bei. Besonders gern aus den Themengebieten Gesundheit und Psychologie.


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