Wann sind Remakes, Remaster und Co. sinnvoll und wann Abzocke?
30.9.2024
Remakes und Remaster bringen Videospiele aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Ein Drahtseilakt zwischen willkommener Neuauflage und reiner Geldmacherei.
Remakes und Remaster alter Spiele sind populärer als je zuvor. Alleine der September 2024 hat über ein Dutzend Neuauflagen im Angebot. Darunter viele prominente Games wie:
- Age of Mythology: Retold
- Ace Attorney Investigations Collection
- Sunsoft is Back: Retro Game Selection
- Marvel vs. Capcom Fighting Collection: Arcade Classics
- Lollipop Chainsaw RePOP
- Baphomets Fluch: Die Verschwörung der Tempelritter: Reforged
- Dead Rising Deluxe Remaster
- Epic Mickey: Rebrushed
- Worms Armageddon: Anniversary Edition
- Night Slashers: Remake Das gleiche Bild zeigt sich auch in anderen Monaten. Sony hat erst vor wenigen Tagen «Horizon Zero Dawn Remastered» sowie «Legacy of Kain Soul Reaver 1-2 Remastered» vorgestellt, die im Oktober, respektive Dezember erscheinen werden.
Bei der niemals endenden Remake-Welle flammt regelmässig die Diskussion auf, welche Spiele sinnvolle Neuauflagen alter Software darstellen und welche reine Abzocke sind.
Modernisierung bringt Zugänglichkeit
Früher war nicht alles besser – vor allem nicht im Bereich der Videospiele. Das junge Medium hat in den letzten Jahrzehnten gewaltige Sprünge gemacht. Einerseits in Sachen Technik, andererseits in der Benutzerfreundlichkeit. Wo sich Spieler früher über fummelige Steuerungen oder verschachtelte Benutzeroberflächen beklagt haben, profitierst du heute von den vielen Verbesserungsversuchen der Industrie.
Genau diese Optimierungen holen Spiele wie «Age of Mythology Retold» in die Gegenwart und beweisen, dass alte Klassiker mit einigen Anpassungen auch heute noch eine gute Figur machen. Solche Upgrades sind mittlerweile ein grosses Bedürfnis: Allein der Ankündigungs-Trailer zu «Age of Mythology Retold» sammelte viele begeisterte Kommentare und über eine Million Aufrufe.
Die Entwicklerinnen haben Zeit in die Benutzeroberfläche und das Balancing investiert. Veränderte Einheitskosten, ein Prioritätsmenü für den Abbau von Ressourcen sowie ein neues Zeitalter sind nur drei Beispiele, die das Spiel in die Gegenwart holen. Mehr dazu kannst du im Test von Kollege Samuel lesen. Er schwelgt in Nostalgie, ohne sich an den Altersschwächen des Originals stören zu müssen.
Ähnlich gelungen – in einem anderen Genre – holte das Remake von «Resident Evil 2» den Survival-Horror-Klassiker in die Moderne. Panzersteuerung und feste Kamerawinkel wurden durch eine zeitgemässe Third-Person-Steuerung mit freier Kamera ersetzt.
Besonders erfreulich ist es, wenn Remakes das ursprüngliche Spielerlebnis erweitern. Im Remake von «MediEvil» für die PS4 kannst du im bekannten Spielverlauf neue Gegenstände in Form von verlorenen Seelen sammeln. Wenn du alle findest und das Game komplettierst, schaltest du das originale PS1-Spiel frei. Das ist die Art von Belohnung, die ich in Remakes gerne sehe. So kann ich mir auf Wunsch sogar das Original auf neuer Hardware zu Gemüte führen.
Remakes als Möglichkeit zur Erhaltung
Anders als bei Filmen und Büchern gibt es noch keine standardisierte Möglichkeit, Videospiele für die Zukunft zu erhalten. Eine Studie der Video Game History Foundation aus dem Jahr 2023 hat ergeben, dass in den USA lediglich 13 Prozent aller je erschienenen Videospiele frei verfügbar sind. Eine erschreckend tiefe Zahl, bei der Remakes Abhilfe schaffen. Vor allem Konsolenspiele sind an spezifische Hardware gebunden und profitieren besonders von Neuauflagen.
Wenn du vor Mai 2024 «Paper Mario: Die Legende vom Äonentor» spielen wolltest, dann konntest du das nur auf dem Nintendo GameCube tun. Das originale GameCube-Spiel wurde allerdings vor Remake-Release für saftige 200 bis 300 Franken gehandelt. Da sind mein Portemonnaie und ich gleichermassen dankbar dafür, dass Nintendo das wohl beliebteste Paper Mario auf seine aktuellste Konsole zu einem vergleichsweise fairen Preis geholt hat.
Manchmal sorgen Remakes auch dafür, verstaubten Franchises neues Leben einzuhauchen. Ich bin überzeugt davon, dass das gelungene «Trials of Mana»-Remake sowie die «Collection of Mana» der Grund sind, wieso wir mit «Visions of Mana» überhaupt einen neuen Ableger der ehemals verstaubten Reihe bekommen haben – auch wenn genau dieser neue Teil an den Altlasten des Franchises litt, statt Innovation zu bringen. Auch die Neuauflage des Zombie-Games «Dead Rising Deluxe Remaster» dürfte gleichzeitig dazu dienen, herauszufinden, wie hoch das Bedürfnis für einen neuen Teil ist.
Wenn Geld offensichtlich im Vordergrund steht
Obwohl es viele schöne Beispiele gibt, von denen nicht nur Nostalgiker profitieren, haben auch Remakes ihre Schattenseite. In einem milliardenschweren Geschäft, hinter dem Aktionäre mit finanziellen Interessen stecken, werden die Wünsche der Spielerinnen nicht immer berücksichtigt.
Vor knapp drei Jahren ist mit «Grand Theft Auto: The Trilogy – The Definitive Edition» ein Remaster erschienen, das die drei Spiele «Grand Theft Auto III», «Grand Theft Auto: Vice City» und «Grand Theft Auto: San Andreas» beinhaltet. Die sahen stellenweise hässlicher aus als die Originale und waren mit Bugs vollgestopft. Gleichzeitig entfernte Entwickler Rockstar die Originalspiele aus den Stores, was die Spielerschaft noch mehr vor den Kopf stiess. Erst nach heftigen Beschwerden nahm Rockstar das verpatzte Remaster kurzzeitig vom Markt und bügelte die Bugs aus. Auch die Standard-Version der Trilogie ist mittlerweile wieder erhältlich. Die schlechten Bewertungen bleiben ein Mahnmal für die Aktion, die aus Geldgier entstand.
Ein anderes Beispiel, wie man es nicht machen soll, ist die «Silent Hill HD Collection». Die brachte den zweiten und dritten Teil der «Silent Hill»-Reihe etwa zehn Jahre nach ihrer ursprünglichen Veröffentlichung erneut auf den Markt. Ein Unterfangen, das für gemischte Rezensionen sorgte. Die Neuerungen, wie die frische Besetzung der Synchronsprecher, kamen nicht bei allen gut an. Die Technik war zudem schlechter als bei den Originalen und sorgte häufig für Bugs.
Konami und Rockstar sind bei weitem keine Ausnahmen. Schlechte Neuauflagen gibt es wie Sand am Meer. Aktuell sorgt «Lollipop Chainsaw RePOP» für gemischte Kritiken. Während Käufer sich auf den bekannten Wahnsinn des Originals freuen können, müssen sie auf einige stimmungsvolle Lieder verzichten und sich in das veraltete Gameplay-Design einfinden.
«Lollipop Chainsaw» ist immerhin vor zwölf Jahren für PS3 und Xbox 360 erschienen, was eine Portierung auf moderne Plattformen rechtfertigt. Anders sieht es bei den «The Last of Us»-Spielen aus. Schon das Remake «The Last of Us Part I» sorgte für zusammengezogene Augenbrauen bei der Frage nach dessen Existenzberechtigung. Die Veröffentlichung von «The Last of Us Part II: Remastered» war dann besonders fragwürdig. Nur vier Jahre nach der Veröffentlichung des zweiten Teils verlangte Sony von PS5-Besitzerinnen den gleichen Preis wie fürs Original bei lediglich minimal besserer Grafik. Kollege Domagoj hat sich das Remaster im Test angeschaut und findet, dass es sich lohnt – jedoch nicht aufgrund der grafischen Upgrades, sondern wegen des neuen Roguelike-Modus. Eine sinnvolle Ergänzung, die aber genauso gut als DLC hätte erscheinen können.
Beim kürzlich vorgestellten «Horizon Zero Dawn Remastered» scheint es wiederum keinerlei zusätzliche Inhalte zu geben. Es wird sich zeigen, ob ein bisschen Kosmetik und neu aufgezeichnete Dialoge die Neuauflage rechtfertigen. Das Spiel ist gerade Mal sieben Jahre alt und problemlos auf der PS5 spielbar.
Das Überangebot erschwert die Übersicht und bringt kaum Innovation
Meine Eingangs erwähnten Remake-Beispiele vom September sind nur die Spitze des Eisbergs. Zusammen mit den regulären Spielveröffentlichungen übersättigen sie den Markt noch stärker. Das führt zu dem (Luxus-)Problem, dass du dich zwischen einer immer breiter werdenden Auswahl entscheiden musst, bei der die Qualität je nach Titel stark variiert. Weiter kommt hinzu, dass Neuauflagen gerade bei AAA-Studios selten Innovation mitbringen – wie auch, wenn ein altes Spiel als Vorlage dient. Die Geldgeber sind erst recht nicht risikobereit. So sehr ich mir wünsche, dass die Qualität der «Resident Evil»-Remakes als Blaupause für andere Neuauflagen gilt, ist das aus finanziellen Gründen schlicht und einfach nicht überall möglich.
Fazit: Trotz Problemen eine schöne Tradition
Fehlende Originalität und offensichtliche finanzielle Motivation sind ein schlechtes Aushängeschild für Remakes und Remaster. Grundsätzlich schlecht finde ich sie deswegen nicht. Als leidenschaftliche Verfechterin von Videospielerhaltung finde ich es wunderbar, wenn Spiele für ein so grosses Publikum wie möglich verfügbar sind.
Remakes passen auch zum einzigartigen Medium Videospiel. Bei Hardware, die alle paar Jahre wechselt und damit ihre Vorgänger redundant macht, gibt es wenig legale Alternativen, um alte Games zu spielen. Deswegen bin ich sogar einem «Pac Man World Re Pac» dankbar, obwohl es mich enttäuscht hat. Für diese Erfahrung musste ich mich auf keine Odyssee begeben, um ein gut erhaltenes PS1-Spiel zu einem erträglichen Preis zu finden. Stattdessen konnte ich das Remake bequem in meine Switch einlegen und mich auf ein Stückchen Vergangenheit einlassen.
In Zugänglichkeit und Nostalgie liegt die grosse Stärke von Neuauflagen. Solange das finanzielle Interesse nicht die einzige Motivation ist, kommt auch oft etwas Tolles dabei heraus. Bei dem ohnehin schon übersättigten Markt, ist aber besonders bei Remakes und Remaster ein kritischer Blick vor dem Kauf unerlässlich. Titelbild: Warner Bros. Games
Cassie Mammone
Freie Autorin
Meinen ersten Text über Videospiele habe ich mit acht Jahren geschrieben. Seitdem konnte ich nicht mehr damit aufhören. Die Zeit dazwischen verbringe ich mit meiner Liebe für 2D-Husbandos, Monster, meinen Krawallkatzen und Sport.