
Training am Eisenhorn: 5 Minuten all-in
Neben einem innovativen Fitnessgerät hat Mike Schrag auch ein Trainingskonzept entwickelt: «Mike5». Bei einem kurzen, aber intensiven Probetraining spreche ich mit ihm darüber, was sich in fünf Minuten pro Tag erreichen lässt.
Ich bin zu Besuch bei der Firma Eisenhorn. In erster Linie um vor Ort zu erfahren, wie aus einer Vision im Laufe der Jahre ein marktreifes Produkt wurde. Doch ausprobieren will ich es natürlich auch: Ich bin gespannt auf das Probetraining an der wohnzimmertauglichen Konstruktion aus Eisen und Holz, Kolben und Schlitten. Dafür wird die Holzstange in ihre Halterung geschoben und gemeinsam durchexerziert, wie sich die fünf Grundübungen Bankdrücken, Kreuzheben, Kniebeugen, Schulterdrücken und Latzüge daran ausführen lassen. Sie bilden die Basis des Trainingskonzepts «Mike5». Fünf Übungen. Fünf Minuten pro Tag. Kurz, intensiv und keine Kompromisse. Die sind sowieso nicht Mike Schrags Sache.
Mike, bevor wir mit dem Training loslegen: Erklär mir bitte den Mechanismus des Eisenhorn genauer. Wird der Widerstand nur über den Winkel verändert?
Der Druck im Kolben ist konstant, aber ich kann den Wirkhebel verändern und damit fein abgestuft den passenden Widerstand wählen. Mit einem kürzeren Hebel habe ich weniger Widerstand. Was noch ein spannendes Feature und ziemlich einzigartig ist: Ab Stufe acht ist der Kraftverlauf leicht progressiv, der Widerstand steigt also während der Bewegung an. Das ist genau das, was du bei den Grundübungen suchst. Im unteren Umkehrpunkt hast du zum Beispiel in der Kniebeuge weniger Kraft als im oberen. Mit dem progressiven Verlauf kannst du deine Muskulatur über die gesamte Bewegungsamplitude noch besser ausreizen.
Apropos ausreizen: Wie hoch ist der maximale Widerstand auf Stufe zwölf?
Mit dem Standardkolben kommst du bis etwas über 50 Kilo, was für viele Kunden und Übungen ausreichend ist. Optional gibt es einen anderen, mit dem du bis 112 Kilo kommst. Bis auf reine Kraftsportler oder Schwinger sind damit alle bedient. Diese Athleten tragen dann bei den Kniebeugen einfach zusätzlich noch eine Gewichtsweste.

Ich brauche definitiv keine Gewichtsweste. Mike stellt mir das Eisenhorn fürs Schulterdrücken ein. Ein Griff am Drehknopf, den Schlitten in Position geschoben und um 180 Grad rotiert, damit ich gegen den Widerstand des Kolbens nach oben drücken kann. Dann startet er «Mike5». Das Trainingskonzept gibt es im Abo-Modell gegen eine monatliche Grundgebühr. Erklärungen zur korrekten Ausführung von über 100 Übungen mit Stange, Seilzug und Griffband sind dagegen frei verfügbar. Mir öffnet er den Intervall Timer, der heute vier Sets a 50 Sekunden vorgibt. Dazwischen je 80 Sekunden Pause, bevor es mit voller Power weitergeht.
Bis auf ein leises «Fffft» des Kolbens ist nur mein schneller werdender Atem zu hören. Mit jeder Wiederholung werde ich zittriger. Mir gefällt, dass die Bewegung nicht komplett geführt ist. Die Stange hat etwas Spiel und fordert mich deshalb auch koordinativ. Dabei stemme ich nicht die gusseisernen Scheiben einer Hantel, sondern gegen eine Gasdruckfeder und die Hebelgesetze an. Und das sollte ich an fünf Wochentagen tun, wenn es nach Mikes Trainingsplan geht.

Für dein Trainingsprogramm bist du dein eigenes Testimonial. Zumindest steckt dein Name drin: Es heisst «Mike5». Was ist die Idee dahinter?
Beim Krafttraining gibt es die Grundübungen oder «Big 5»: Bankdrücken, Kreuzheben, Kniebeugen, Schulterdrücken und Latzüge. Im Englischen redet man von «Multi-Joint Exercises». Mit diesen Mehrgelenksübungen sprichst du alle grossen Muskelgruppen an. Sie sind die Grundvoraussetzung dafür, dass du mit Krafttraining etwas erreichst. Wenn du jetzt im Frühling für die Badi etwas mehr Bizeps haben willst und die ganze Zeit Bizeps-Curls machst, wächst er natürlich. Aber für ein sinnvoll aufgebautes Krafttraining sind die Basis-Übungen zentral. Darauf beziehe ich mich. Einer, der die Grundübungen weltbekannt gemacht hat, war Arnold Schwarzenegger. In seinem Trainingsplan waren diese immer dabei.
Egal wie die konkrete Übung aussieht: Am Ende geht es ja immer darum, einen trainingswirksamen Reiz zu setzen. Und im Moment der Superkompensation, wenn das Level höher ist als vorher, den nächsten.
Richtig. Das erste Kriterium ist die hohe Hormonausschüttung durch die Grundübungen. Das zweite ist das Prinzip der Superkompensation. Wenn man den Reiz gesetzt hat, kommt die Erholungsphase. Ich verliere zunächst Leistungsfähigkeit, dann gibt's den Überschuss und an diesem Punkt muss ich den nächsten Reiz setzen. So kann ich mich Schritt für Schritt steigern.

Viele gehen dreimal pro Woche ins Studio und machen alle zwei Tage wieder Bankdrücken. Du empfiehlst, konsequent nur jeweils eine Grundübung pro Tag zu machen. Bankdrücken oder Kniebeugen demnach nur einmal pro Woche. Ist das nicht zu wenig?
Wenn man die fünf Grundübungen auf die Wochentage verteilt und von der Reihenfolge her geschickt positioniert, habe ich gute Überschneidungen, was die Muskelgruppen angeht. Die führen dazu, dass ich mehrere Reizsetzungen pro Woche habe und das Prinzip der Superkompensation erfülle. Man kann natürlich immer mehr machen. Aber in erster Linie ist es mir darum gegangen, ein praktikables System zu entwickeln, das auch für den normal berufstätigen Menschen zwischen Arbeit und Familie umsetzbar ist.
Das heisst bei deinem Konzept: jeden Tag ans Gerät, dafür nur kurz.
Die Regelmässigkeit ist ein absolutes Killer-Kriterium. Es nutzt mir relativ wenig, wenn ich Anfang Jahr übermotiviert viermal pro Woche ins Fitnessstudio gehe, Ende Februar dann noch zweimal und im März höre ich ganz auf. Das kann ich mir sparen, denn dann bin ich im April wieder gleich weit wie am Anfang.

Ich bin inzwischen am Ende. Zumindest mit dem Schulterdrücken, das mir in den Folgetagen einen ausgewachsenen Muskelkater beschert. Das Basis-Training wäre damit für heute abgeschlossen. Aber wenn ich schon mal da bin, will ich die Big 5 einmal durchmachen. Für Klimmzüge lässt sich das Eisenhorn am oberen Ende der Schiene fixieren. Auch dabei hat die Stange etwas Spiel und erfordert Koordination. Das merke ich, sobald die Kraft nachlässt und ich ungleichmässig ziehe. Latzüge, bei denen die Stange gegen den gewünschten Widerstand nach unten gezogen wird, sind die leichtere Option.
Beim Bankdrücken wandert der Schlitten nach unten, wo er fürs Kreuzheben direkt bleiben kann. Der Umbau dauert jeweils nur ein paar Sekunden und das Training am Eisenhorn funktioniert auch bei hoher Intensität alleine. Ich muss keine Langhantel im Ständer einrasten und kann jederzeit loslassen. So laufe ich nicht Gefahr, mich bei der letzten Wiederholung zu übernehmen und auf Hilfe angewiesen zu sein. Dafür fällt bei den Kniebeugen die koordinative Komponente weitestgehend weg, da die Stange im Nacken sitzt und ich zentral unter dem Widerstandskolben stehe, statt links und rechts Hantelscheiben auszubalancieren.

Die fünf Minuten Zeit, die du pro Tag veranschlagst, sind sicher nicht das Problem. Aber komme ich damit an ein Studio-Training ran, bei dem schon das Aufwärmen zehn Minuten dauert und ich anschliessend zehn verschiedene Übungen mache?
Das schaffst du, indem du komplett an deine Grenzen gehst. Im Studio turnen viele nur ein bisschen auf den Geräten. Das ist immer noch besser, als wenn man gar nichts macht. Aber das hat nicht wirklich einen Trainingseffekt. Es gibt viele Erfahrungswerte dazu, wie man einen wirksamen Muskelreiz erreicht und wie das von der Trainingsdauer abhängig ist. Je kürzer ich das Training plane, desto höher ist die mentale Bereitschaft, voll an die Grenzen gehen. Wenn ich die Kraft steigern und Muskeln aufbauen will, muss ich den Muskel an seine Grenzen bringen. Bis zum Muskelversagen.
Trotzdem werde ich irgendwann stagnieren, wenn ich immer im gleichen Rhythmus die gleichen Übungen mache.
Dann kommt noch das Element der Periodisierung dazu. Da gibt es unterschiedliche Methoden. Wir machen das, indem wir alle paar Wochen das Intervall verändern. Mal mit weniger Gewicht und kürzeren Pausen, mal mit mehr Gewicht und weniger Wiederholungen. Dazu greifst du mal enger, mal weiter. So setzt du immer neue Reize.
Wie würdest du deine Trainingsphilosophie zusammenfassen?
Wenn man die Argumente kombiniert, kommst du am Schluss genau auf das, wofür «Mike5» steht: Du planst eine Grundübung pro Tag. Du gehst extrem fokussiert ran, mit dem Plan, in dem vorgegebenen Intervall wirklich an die Grenzen zu gehen und einen Muskelreiz zu setzen. Das ist für viele, die vorher anders trainiert haben, überraschend. Die merken: Jetzt habe ich montags einfach nur Bankdrücken gemacht und bis Mittwoch Muskelkater in der Brust. Mit fünf Minuten Training. Das System gibt dir schon Vorschläge und Möglichkeiten, mehr zu machen, wenn du Zeit und Lust hast. Aber mental gehst du jeden Tag so ran, dass du sagst: Big 5, all-in. Das macht es langfristig aus. Damit bleibst du auch im Sommer bei schönem Wetter dran. Diese Grundübung machst du einfach.
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Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.