Projekt Halbmarathon: Mein neuer Intimfeind – das Laufband
Ferien im Süden sind der Idee, die eigene Ernährung zu optimieren, wenig zuträglich. Diese Erfahrung habe ich in den letzten drei Wochen im Tessin und in Norditalien gemacht. Auch habe ich gelernt, dass Trainings auf dem Laufband zwar kurzfristig ganz toll, psychologisch aber auch ziemlich besch…eiden sein können.
Ernährung, Low-Carb, Proteine, Ballaststoffe, Lebensmittelzusammensetzungen – lauter Themen, mit denen ich mich die letzten vier Wochen intensiv befassen wollte. So habe ich das am Ende meines letzten Tagebucheintrags zum «Projekt Halbmarathon» vollmundig angekündigt:
Voll war mein Mund in den seither vergangenen Wochen definitiv. Bloss weiterhin mehrheitlich mit dem «Falschen», zumindest aus Sicht des Vollblut-noch-nicht-Volksläufers. Eine Woche Tessin, ein langes Auffahrtswochenende in den Bündner Bergen und ein verlängertes Pfingstwochenende in Norditalien und Luzern. Hotelrestaurants, Grotti, Osterie, Zimmerservice en masse. Lecker wars, kann ich dir sagen. Mein innerer Viel-und-gut-Frass hatte die schönste Zeit des Jahres bisher. Der vernünftige Neu-Läufer im Kopf dagegen protestierte natürlich regelmässig – aber vergeblich.
Unerwarteter «Leistungssprung»
Was nicht heissen soll, dass ich die letzten vier Wochen auf der faulen Haut lag. Im Tessin hats zwar die Hälfte der Zeit geschifft (und die andere Hälfte wars auch nicht eitel sonnig), aber weil das Hotel einen kleinen Fitnessraum mit Laufband hatte, dachte ich mir, das probier ich jetzt mal aus. Draussen die Sintflut, drinnen ich, mir innerlich auf die Schulter klopfend, auf dem Laufband.
Ganz gemächlich, dachte ich mir, und stellte das Laufband mal auf 8.5 Stundenkilometer ein – etwa das Tempo, das ich auf meiner Winterthurer Laufrunde drauf habe. Leute, was ich letztes Mal als unfassbar langsam beschrieben hatte, fühlte sich auf dem Laufband wirklich nur noch wie ein flotter Spaziergang an. Was also machte Schlau-Oliver? Na klar: Tempo erhöhen. Wie wärs mit einem 10er? Locker! Eine Stunde schön gleichmässig, ohne Temposchwankungen, ohne Steigungen, ohne Gegenwind. Absolut kein Problem. «Wow, was für ein Leistungssprung», dachte ich. Wie naiv.
Glaube nie einem Laufband
Also bei der nächsten Session doch gleich von Anfang an dieses Tempo anpeilen. Und was machte der euphorisierte Lauf-Anfänger? Fand nach 30 Minuten: «Da geht sicher noch mehr» und erhöhte das Tempo auf 13 km/h. Sieht auf den ersten Blick gar nicht nach viel aus, aber man rechne: Bisher bin ich auf meinen Laufrunden den Kilometer in 7:15 Minuten gelaufen. Mit 10 km/h waren das nur noch 6 Minuten und mit 13 km/h sogar nur noch 4:37 Minuten.
Und weil ich mich nach 30 Minuten mit 13 km/h noch immer relativ gut gefühlt habe, hat das Dopamin im Hirn lachend gemeint: «Komm jetzt spielt’s auch keine Rolle mehr. Let’s hit 15!» Gedacht, getan. 15 km/h und das während der letzten 15 Minuten. Macht 4:00 Minuten auf den Kilometer. Okay, am Ende dieser Session war ich platt. So richtig platt. Aber es hat sich auch richtig geil angefühlt, danach auf dem Balkon zu stehen und sich die kühle Luft ins Gesicht und um die völlig überhitzten Beine blasen zu lassen.
Quelle: Garmin connect
Die Realität schlug dann bei der nächsten normalen Laufrunde mit richtig viel Schwung zu. Mjölnir-Style in den Magen quasi. Frisch-fröhlich mit den Laufband-Tempi im Kopf lief ich los. Zügig, dynamisch, so wie sich das auf dem Band bei Tempo 13 etwa angefühlt hatte. Nach fünf Minuten mal den Blick auf die Uhr: Tempo 8.5 km/h. Na aber hallo, jetzt aber richtig. Beschleunigen auf einen 10er, regelmässiger Tempo-Check auf der Uhr, nach knapp zehn Minuten der Puls auf über 175, nach weiteren drei Minuten über 180 und mein Tank leer. Da hat mir die echte Strasse mal ordentlich das Maul gestopft …
Gelernte Lektion: Glaube nie einem Laufband!
Ernährung im nächsten Monat, ja?
Apropos gestopftes Maul und vollmundig: Den Mund habe ich nicht nur kulinarisch voll genommen, sondern auch bei meiner Ankündigung, mich mit meiner Ernährung auseinandersetzen zu wollen. Da ist es mehrheitlich bei der Ankündigung geblieben. Um die Ernährung(sfragen) kümmere ich mich bis zum nächsten Mal, okay?
Wobei, ganz erfolglos war ich bei dem Thema ja gar nicht. Denn zumindest ein bisschen etwas habe ich trotz Risotto, Pasta, Brasato, Burrata und Tiramisu doch geschafft: Nicht zuzunehmen.
Das «Projekt Halbmarathon» in seiner ganzen Pracht gibts hier:
Weltenbummler, Wandersportler, Wok-Weltmeister (nicht im Eiskanal), Wortjongleur und Foto-Enthusiast.