Projekt Halbmarathon: Wer mit Kinderwagen läuft, kann’s gleich lassen
Hintergrund

Projekt Halbmarathon: Wer mit Kinderwagen läuft, kann’s gleich lassen

Die ersten zwei Wochen meines Anlaufs zum Halbmarathon waren geprägt von Fehleinschätzungen, Missverständnissen und glücklicherweise von einem Motivationsschub. Brustgurt sei Dank.

Hier stehe ich nun. Leicht erschöpft, mit Kopfschmerzen, aber glücklich und zufrieden. Es ist Ostermontag, abends um 20:30 Uhr, und ich habe soeben meinen ersten Lauf absolviert. Wobei Lauf etwas übertrieben ist. Auf meinem langen Weg zum Halbmarathon im September steht momentan Grundlagentraining an. Will heissen, ich bin gut darin beraten, den Puls nicht über 115 Schläge pro Minute zu treiben. Daher habe ich mich entschieden, meine abendlichen Spaziergänge etwas intensiver zu gestalten, um damit die erforderliche Herzfrequenz zu erreichen. Falls du dich über diesen doch niedrigen Pulsbereich wundern solltest, bist du mir bereits jetzt einen Schritt voraus. Doch dazu später mehr …

Optimale Pulsfrequenz? Weit verfehlt.
Optimale Pulsfrequenz? Weit verfehlt.
Quelle: Claudio Candinas

Der Mann mit dem Kinderwagen

Wie Kollege Oliver Fischer und ich schon zum Start unserer Serie erwähnt haben, ist unsere Freizeit wegen Job, Familie und anderer Ausreden eher knapp bemessen und wir müssen, was unsere Trainingszeiten und Routinen angeht, kreativ werden. In meinem Fall heisst das, dass ich meinen Sohn, der sich ungern von jemand anderem als mir ins Bett bringen lässt, nun zum abendlichen Training mitnehme. Und so marschiere ich schnellen Schrittes in meinen leuchtgelben Laufschuhen über Feldwege in meiner Umgebung und schiebe und schiebe unseren Thule vor mir her.

Ich glaube, ich sehe aus wie einer dieser übermotivierter Fitness-Väter, einfach mit zehn Kilo extra. Egal, da muss ich jetzt durch. Ich versuche, mich so gut wie möglich auf den optimalen Pulsbereich zu konzentrieren und vor allem auch die wirklich schöne Aussicht zu geniessen. Ob die Trainingseinheit auch meinem Sohn gefällt, kann ich so nicht sagen, auf jeden Fall ist sie ihm nicht langweilig genug, dass er davon einschlafen würde. Mein Plan ist leider nicht aufgegangen.

Wer lesen kann, ist im Vorteil

Nach einer guten Stunde bin ich wieder daheim angekommen und verbringe die nächste Stunde damit, meinen wachgerüttelten Sohn zum Einschlafen zu bringen. Mein Zwischenfazit: Lauftraining mit Sohnemann stellt sich als nicht wirklich sinnvoll heraus. Kommt hinzu, dass ich bei Durchsicht meiner Analyseergebnisse bemerke, dass ich mir die falschen Pulsbereiche gemerkt habe, nämlich jene fürs Radfahren. Beim Joggen respektive Gehen sollte ich optimalerweise auf 125 Schläge pro Minute kommen und nicht auf 115. Na super, denke ich mir. Die erste Trainingseinheit war also für den Allerwertesten. Und dieser schmerzt nicht mal vor Muskelkater oder ähnlichem. Egal. Abhaken, weitermachen.

  • Hintergrund

    Projekt Halbmarathon: Durch Fitnesstest zum Wadenkrampf

    von Oliver Fischer

Drei Tage später entscheide ich mich für einen Mittagslauf. Fünf Kilometer sollen es werden. Ausgestattet mit meiner Fitnessuhr und Smartphone mache ich mich auf dem Weg. Es fühlt sich auf jeden Fall viel befreiter an, ohne Kinderwagen zu joggen. Und meine Playlist, die ich mir zur Motivation zusammengestellt habe, tut ihren Dienst. Falls geübte Läuferinnen und Läufer unter euch jetzt den Kopf schütteln: Ja, ich habe schnell gemerkt, dass es unsinnig ist, mit einem Smartphone in der Hand zu rennen. Mich lenken die Status-Updates zu meinem Lauf auf dem Display viel zu stark ab und es ist schier unmöglich, das Tempo einigermassen konstant zu halten. Abzubrechen ist aber definitiv keine Option. So ziehe ich die Fünf Kilometer durch und brauche dafür auch weit über eine Stunde. Du musst kein Mathegenie sein, um die Rechnung zu machen: Das ist verdammt langsam.

Die lieben Gadgets

Zu Hause angekommen geht’s erst mal ab unter die Dusche und dann direkt an die Schublade mit den Sportklamotten. Irgendwo versteckt sich dort noch mein alter Pulsgurt. Ich war immer schon ein Gadget-Freak und würde man meine Fitness anhand der Sportutensilien bemessen, die bei mir zu Hause rumliegen, könnte ich wohl vom Sport leben. Da liegt er ja, der Polar H10. Ich setze rasch eine neue Batterie ein, lege den Brustpulsgurt um und versuche ihn mit meiner Apple Watch zu verbinden. Zum Glück gibt’s YouTube. Ein Tutorial ist schnell gefunden und in kürzester Zeit lese ich die Daten des Brustgurts auf dem Display an meinem Handgelenk ab. Perfekt, so steht dem nächsten Lauf ohne Smartphone in der Hand nichts im Weg.

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Mein dritter und vierter Lauf gestaltet sich dementsprechend viel angenehmer und effektiver. Ich laufe acht Kilometer in unter einer Stunde – was immer noch weit von einer guten Laufleistung entfernt liegt, für mich aber ein grosser Fortschritt ist. Und siehe da, auch der Spass am Laufen wird wirklich immer grösser. Ob es sich dabei nur um anfängliche Euphorie handelt, die, wie so oft im Leben, relativ rasch wieder abflacht, oder ob ich das Ganze motiviert durchziehen werde, zeigt sich in den nächsten Wochen. Ich bin optimistisch und nehme folgende vier Learnings aus meinen ersten zwei Wochen seit der Leistungsanalyse mit:

  • Abendliche Läufe mit Kinderwagen gestalten meinen Alltag nicht effizienter.
  • Wer Analysetabellen richtig lesen kann, ist im Vorteil und trainiert von Anfang an im richtigen Pulsbereich.
  • Mit dem Smartphone in der Hand zu laufen, ist nicht nur umständlich, sondern lenkt auch ab und wirkt sich negativ aufs Trainingsergebnis aus.
  • Ich brauche eine (Sonnen)brille zum Laufen. Mir tränen die Augen beim Rennen – vielleicht auch aus reiner Freude ...

Ich bin gespannt, was die nächsten Wochen bringen und vor allem auch, wie sich Kollege Oliver durch den Trainingsalltag kämpft. Mein nächstes Etappenziel ist keine bestimmte Distanz, sondern auf Zeit zu laufen. Doch dazu mehr im nächsten Beitrag – hoffentlich.

Titelbild: Claudio Candinas

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