Sony FE 200-600mm f/5.6-6.3 G OSS
Sony E, Vollformat
Sonys 200-600mm-Supertele ist super für Vogelfotos, aber sehr gross und schwer. Ist das 100-400mm mit einem Telekonverter eine brauchbare Alternative? Ich hab es ausprobiert.
Die Sony Alpha 1 erkennt die Augen von Vögeln und ist auch schnell genug für die flinken Flieger. Das habe ich bereits ausprobiert – allerdings mit einem Objektiv, das nur 200 Millimeter Brennweite erreicht. Vor allem für kleinere, scheue Vögel ist das zu wenig, da müsste ein Superteleobjektiv mit 600 Millimetern her.
Doch dieses Objektiv wiegt etwa 2,5 Kilogramm und misst über 30 Zentimeter. Nicht gerade handlich und angenehm für längere Outdoor-Einsätze. Ich habe mich gefragt, ob es auch ein etwas kürzeres und leichteres Objektiv in Kombination mit einem Telekonverter tun würde.
Ein Telekonverter verlängert die Brennweite. Aus einem 400mm-Objektiv und einem 1,4-fach-Telekonverter erreiche ich so eine Brennweite von 560 Millimetern, also fast gleich viel wie mit dem 200-600mm.
Allerdings schlucken Telekonverter auch Licht und stehen im Ruf, die Bildqualität zu mindern. Ich will wissen, wie schwer diese Nachteile in der Praxis wiegen. Lohnt es sich, mehr Gewicht zu schleppen?
Kosten: Das 100-400mm allein ist schon teurer als das 200-600m und mit dem Telekonverter kostet es erst recht mehr. Es geht bei meiner Idee also nicht darum, Kosten zu sparen.
Gewicht: Laut meiner Küchenwaage wiegt das 100-400mm mit Sonnenblende 1604 Gramm, dazu kommen die 168 Gramm des Telekonverters, macht total 1772 Gramm. Das grössere wiegt mit Sonnenblende 2421 Gramm.
Grösse: Das 100-400mm ist mit dem angeschraubten Telekonverter etwa 23 Zentimeter lang und passt auch bereits an die Kamera montiert in meinen Rucksack. Beim 200-600mm ist das nicht der Fall; es misst 33 Zentimeter.
Allerdings verlängert sich das kleinere Objektiv beim Zoomen, während das grosse seine ursprünglichen Masse behält. Auf der maximalen Zoomstufe kommt das 100-400mm mit dem Telekonverter fast auf die gleiche Länge – auf etwa 30 Zentimeter.
Lichtstärke: Ein Telekonverter ändert nicht nur die Brennweite, sondern auch die Lichtstärke. In diesem Fall jeweils um den Faktor 1,4. 400 mm und f/5,6 werden zu 560 mm und f/8. Das 200-600mm hat bei 560mm f/6,3 und ist damit etwas lichtstärker.
Beide Objektive haben eine variable Lichtstärke. Das 100-400mm-Objektiv ist bis 170mm etwas lichtstärker, das 200-300mm bis 300mm. Da in meinem Fall aber immer die maximale oder zumindest eine sehr hohe Brennweite gefragt ist, zählt jeweils nur die schlechtere der beiden Blendenwerte.
Sonstiges: Ein Telekonverter verändert die Naheinstellgrenze nicht. Darum komme ich mit der Kombination aus 100-400mm und Telekonverter bis auf einen Meter heran, während das 200-600mm erst ab 2,4 Metern scharf stellt. Für die Vogelfotografie ist das irrelevant, aber vielleicht will ich ja auch mal einen Schmetterling ablichten.
Übrigens: Es gibt auch einen 2-fach-Telekonverter. Den habe ich nicht ausprobiert, weil sich dort die Nachteile verstärken. Die Lichtstärke würde am 100-400mm-Objektiv nur noch bei f/11 liegen.
Nun aber genug Zahlen verglichen – das Entscheidende ist der Einsatz in der Praxis.
Vor dem ersten Vogelfoto war ich sicher, dass ich das 200-600mm bevorzugen würde. Der Zoom-Mechanismus fühlt sich viel überzeugender an. Denn das Objektiv behält nicht nur seine Abmessungen bei, der Zoom geht auch viel leichter und die Distanz des Zoomrings ist kürzer. Und da das 100-400mm ja jedes Mal eingefahren werden muss, um es in der Tasche zu verstauen, dachte ich, das sei überhaupt nicht praktikabel.
Beim Fotografieren hielt ich dann aber beide Objektive mitsamt Kamera ständig in der Hand und verstaute nie etwas in der Tasche. Zoomen musste ich bei beiden Objektiven praktisch nie; ich war immer auf maximaler Brennweite.
Dass das 100-400mm ausgefahren wird, ist beim Gewicht sogar ein Vorteil. Denn es kommt nicht nur auf das Gewicht an sich an, sondern auf die Verteilung. Beim 200-600mm liegt der Schwerpunkt sehr weit vorne, und wenn du die Kamera länger halten musst, wird das anstrengend. Beim 100-400mm befindet sich der Schwerpunkt deutlich näher bei der Kamera.
Auf diesen zwei Bildern erkennst du das daran, dass der Kipppunkt des 100-400mm-Objektiv näher bei der Kamera liegt.
Das ist ganz entscheidend. Solange die Kamera herunterbaumelt, fällt der Gewichtsunterschied der beiden Objektive nicht gross auf. Ganz anders sieht es aus, wenn du mit der Kamera etwas anvisierst. Es ist ein bisschen wie eine Bowlingkugel am Körper zu halten oder tatsächlich zu werfen. Nur dass das Werfen in diesem Fall minutenlang dauern kann. Einen Singvogel im Flug erwischst du in der Regel nur, wenn du den Vogel schon sitzend anvisiert hast. Wenn der Vogel aber sitzt, weisst du nicht, wie lange es dauert, bis er losfliegt. Das kann sich so in die Länge ziehen, dass es zu einer Kraftprobe wird. Es ist wohl kein Zufall, dass ich mein bestes Bild eines abfliegenden Vogels mit dem kleineren Objektiv geschossen habe.
Der Autofokus arbeitet übrigens mit allen von mir ausprobierten Kombinationen schnell und ohne Einschränkungen.
Doch wie steht es um die Bildqualität? Wirkt sich der Telekonverter sichtlich negativ aus? Das ist gar nicht so einfach zu beantworten, da sehr viele Faktoren hineinspielen. Unter anderem die Lichtsituation und entsprechend der ISO-Wert, wie stark das Bild zugeschnitten werden muss und ob der Fokus genau stimmt.
Das Rotkehlchen-Foto wurde mit 6400 ISO aufgenommen und rauscht ziemlich stark. Mit dem etwas lichtstärkeren 200-600mm wäre das ein kleines bisschen besser. Der Fokus scheint zudem nicht genau auf dem Auge zu liegen, sondern eher auf dem Bauch. Auch das könnte theoretisch an der verminderten Lichtmenge liegen. Aber ich vermute, dass es für die Kamera einfach etwas zu schnell ging und mit dem 200-600mm nicht besser herausgekommen wäre.
Kurz: Dasselbe Bild würde mit dem 200-600mm nicht viel anders aussehen. Wegen des mühsamen Handlings wäre hingegen die Wahrscheinlichkeit sehr gross gewesen, dass ich es gar nicht geschossen hätte.
Allerdings scheinen mir die Bilder ohne Telekonverter doch generell eine Spur schärfer.
Hätte, wäre, könnte. Was denn nun? Ich will einen direkten Vergleich. Weil das mit Vögeln nicht geht, fotografiere ich eine Verpackungsbox mit einer sehr kleinen Schrift. Das ist die Schärfe des 100-400 mit Telekonverter:
Dasselbe mit dem 200-600mm:
Die Vergrösserung zeigt: Das 200-600mm ohne Telekonverter ist tatsächlich schärfer als das 100-400mm mit Telekonverter. Besonders, wenn der fokussierte Ausschnitt nicht in der Bildmitte, sondern in der Bildecke liegt. Wieder zuerst das 100-400mm mit Telekonverter:
Zum Vergleich das 200-600mm:
Alle Bilder wurden mit 560 Millimeter Brennweite, 400 ISO und Blende f/8 geschossen.
Aber liegt der Unterschied wirklich am Telekonverter oder ist das 200-600mm vielleicht einfach das schärfere Objektiv? Das wäre unwahrscheinlich, ist doch das 100-400mm teurer und gehört zur G-Master-Klasse, das 200-600 hingegen nicht.
Ich habe den Test auch mit dem 200-600mm plus Telekonverter gemacht. Alle Einstellungen sind gleich, ausser dass die Blende notgedrungen bei f/9 liegt. Hier der Ausschnitt von der Bildecke.
Erstaunlich: Die Schärfe ist kaum schlechter als mit dem 200-600 ohne Telekonverter. Und klar besser als das 100-400 mit Telekonverter. Um auszuschliessen, dass die Unschärfe vom Verwackeln kommt, habe ich die Aufnahmen wiederholt – mit gleichem Ergebnis. Das kann zu einem Teil daran liegen, dass der Telekonverter besonders gut mit dem 200-600mm harmoniert.
Manchmal sind selbst 600 Millimeter zu wenig. Wenn das grössere Objektiv so gut mit dem Telekonverter harmoniert, warum nicht beides kombinieren und mit satten 840 Millimetern aufs Ganze gehen? Ich teste also nochmal in der Praxis. Irgendwo weit entfernt ziehen Rotmilane ihre Kreise. Manchmal kommen sie etwas näher und dann heisst es, bereit sein.
Ein qualitativ wirklich hochwertiges Bild gelingt mir dabei aber nicht. Die untere Seite des Raubvogels – also die, die wir sehen – liegt meistens im Schatten. Dabei bräuchte ich hier besonders viel Licht. Die Lichtstärke liegt mit dem Telekonverter nur noch bei f/9. In Kombination mit einer Belichtungszeit von 1/4000 ergibt das selten gute Bilder, ganz unabhängig von der Abbildungsleistung der Optik.
Das 100-400mm mit Telekonverter, 200-600mm ohne oder auch mit Telekonverter: Alle drei Kombinationen haben ihre Vor- und Nachteile, alle drei haben ihre Berechtigung. Dass mit der einen Kombination bessere Bilder entstanden sind als mit der anderen, hat nicht viel zu bedeuten. Aufgrund der relativ kurzen Testzeit ist da eine Menge Zufall im Spiel. Jede Kombination konnte ich nur ein paar Stunden ausprobieren.
Ich verstehe alle, die sagen: Wenn ich mir schon so eine teure Kamera kaufe, will ich das Maximum an Bildqualität, ganz egal, wie sehr dann Rücken und Arme schmerzen. Getreu dem Motto: No pain, no gain. Wahrscheinlich würde ich mich mit der Zeit auch an das höhere Gewicht gewöhnen.
Klar ist aber auch: Der Telekonverter beeinträchtigt die Abbildungsleistung nur minim. Sein Einsatz am 100-400mm ist durchaus sinnvoll. Aufgrund der günstigeren Gewichtsverteilung kann ich dieses Objektiv wesentlich länger «am Anschlag» halten als das 200-600mm. So gelingt das eine oder andere Foto, das mit dem grossen Objektiv gar nicht erst geschossen worden wäre.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.