Sony FE 50mm f/1.8
Sony E, Vollformat
Alle drei Objektive sind handlich, einigermassen lichtstark und haben eine 50-Millimeter Brennweite. Und doch sind sie sehr unterschiedlich.
Objektive mit 50 Millimetern Brennweite sind das Normalste der Welt – darum heissen sie auch Normalobjektive. Sie zeigen einen Bildausschnitt, der dem menschlichen Blickfeld ähnelt und sind daher vielseitig verwendbar. Diese Brennweite ermöglicht lichtstarke und scharfe Objektive ohne aufwändige Linsenkonstruktion. Darum ist ein klassisches «nifty fifty» trotz hoher Lichtstärke klein, leicht und günstig.
Ein 50er-Objektiv gehört für mich immer zur Ausrüstung. Allerdings gibt es nicht bloss eines pro System. Sony hat etwa ein halbes Dutzend im Angebot, dazu kommen weitere von Drittherstellern.
Ich vergleiche in diesem Beitrag drei Objektive miteinander. Da wäre zuerst einmal das FE 50mm F1.8. Ich nenne es fortan kurz «f/1,8». Es entspricht am ehesten dem klassischen Nifty Fifty: ziemlich lichtstark, nur 186 Gramm schwer und eigentlich sehr günstig. Anfangs Jahr war es noch für unter 200 Franken zu haben. In den letzten Monaten haben jedoch Lieferengpässe den Preis in die Höhe getrieben.
Objektiv Nummer zwei ist ein Makro-Objektiv. Ich kann damit ganz nah ans Motiv heran, um kleine Details gross zu zeigen. Obwohl ich kein passionierter Makrofotograf bin, finde ich das für Produktfotos ganz nützlich und komme auch sonst immer mal wieder in eine Situation, in der ich die kurze Aufnahmedistanz gut gebrauchen könnte. Natürlich lässt sich ein Makro auch für andere Aufnahmen verwenden. Wenn du dich für diese «2 in 1»-Variante entscheidest, nimmst du aber leichte Nachteile in Kauf. Das Objektiv ist, weil es halt ein Makro ist, etwas grösser, schwerer und weniger lichtstark als das erste. Und auch teurer – aber weniger teuer, weniger gross und weniger schwer als zwei separate Objektive.
Das dritte 50-mm-Objektiv ist das Teuerste im Bunde. Es ist weder besonders lichtstark noch makrofähig, hat aber andere Vorzüge. Der Autofokus ist schnell und leise. Diese Linse hat einen Blendenring, der sich auch stufenlos verstellen lässt. Damit eignet es sich für Videoaufnahmen besser als die beiden anderen. Nebenbei ist es auch das kleinste der drei Objektive. Ich nenne es in diesem Bericht kurz «f/2,5» oder «G-Objektiv».
Die weiteren Sony-Objektive mit 50 Millimeter Brennweite sind zwar «Fifty», aber nicht «Nifty». Sie haben eine Lichtstärke von f/1,4 oder gar f/1,2, was sie deutlich grösser und teurer macht. Ich persönlich brauche so hohe Lichtstärken nicht – zumindest nicht im Vollformat.
Beim f/1,8 ist die Sache einfach: Ausser dem Fokusring hat es keine Bedienelemente. Nicht einmal einen Schalter, um vom manuellen Fokus in den Autofokus zu wechseln oder umgekehrt. Das musst du an der Kamera machen, wo es deutlich umständlicher ist. Das Umschalten ist nötig, denn du kannst den Ring nicht benutzen, wenn der Autofokus eingeschaltet ist. Apropos: Der Fokusring muss unterschiedlich lange gedreht werden, je nachdem, ob ich ihn schnell oder langsam bewege. Fürs Fotografieren ist das gut, weil ich langsam genau justieren kann. Für Videos aber unpraktisch. Es ist so unmöglich, immer im gleichen Tempo scharf oder unscharf zu stellen. Ausserdem muss ich viel zu viel drehen, wenn ich langsam bin.
Das Makro-Objektiv ist da schon komfortabler. Neben dem AF/MF-Schalter gibt es eine frei konfigurierbare Taste. Im Unterschied zu den Custom-Tasten an der Kamera triffst du diese Taste auch dann problemlos, wenn du durch den Sucher schaust.
Auch das kleine G-Objektiv mit f/2,5 hat die Custom-Taste und den AF/MF-Schalter, dazu wie erwähnt den Blendenring, der sich mit oder ohne Klick-Raster verwenden lässt. Eine Besonderheit ist die Sonnenblende. Sie kann bei Nichtgebrauch nicht verkehrt herum aufgeschraubt werden. Stattdessen wird der Objektivdeckel auf die Sonnenblende montiert. Das Objektiv wird dadurch etwas länger, aber nur wenig, da die Sonnenblende kurz ist. Es klingt nach einem Nachteil, ist aber ein Vorteil. Denn beim f/1,8 – und vielen anderen Sony-Objektiven – verdeckt die verkehrt aufgeschraubte Sonnenblende den Fokusring. Bei diesem Objektiv bleiben hingegen alle Bedienelemente frei zugänglich.
Der Fokusmotor des günstigsten Objektivs ist langsam und laut. Für Videos ist er kaum brauchbar. Besonders ärgerlich: Wenn du im manuellen Fokus den Ring bewegst, treibt dieser den elektrischen Fokusmotor an. Das hat zur Folge, dass der manuelle Fokus genauso laut ist wie der Autofokus. Ausserdem verändert sich der Bildausschnitt je nach Fokuspunkt deutlich. Dieses Focus Breathing ist ebenfalls vor allem bei Videos ein Problem.
All das gilt auch für das Makro-Objektiv. Bloss dauert es aufgrund der grösseren Fokusbereichs länger, bis der Fokus vom einen zum anderen Ende gelangt – egal ob von Hand oder automatisch. Das Focus Breathing ist darum auch ausgeprägter. Mit dem Distanzschalter kannst du den Autofokusbereich eingrenzen: von 16 bis 30 cm oder von 30 cm bis unendlich. Eine weitere Besonderheit: Dieses Objektiv hat keine Innenfokussierung. Das Objektiv fährt aus, wenn du in den Nahbereich gehst. Das kann in speziellen Situationen zum Problem werden, etwa wenn du durch eine Scheibe fotografieren willst.
Beim Fokus zeigt sich, warum das kleinste der drei am meisten kostet. Der Autofokus arbeitet im Videomodus vollkommen geräuschlos. Auch im Fotomodus ist der Autofokus überlegen: Er ist viel schneller und funktioniert auch bei wenig Licht noch zuverlässig. Der Fokusring legt immer die gleiche Distanz zurück, unabhängig von der Geschwindigkeit. Das Focus Breathing ist allerdings auch hier zu erkennen.
Hier die Fokusmotoren der Objektive im Vergleich. Schalte dazu den Ton ein.
Wenn es um Makros geht, gewinnt logischerweise das Makro-Objektiv – bei weitem. Die Frage ist, wer holt sich Platz zwei? Es ist das f/2,5. Damit kann ich zehn Zentimeter näher heran als mit dem f/1,8, und das sieht man deutlich.
In der Mitte des Bildes sind alle Objektive scharf, abgeblendet sowieso. Doch bei Offenblende zeigen sich Unterschiede in den Bildecken. Das f/1,8 ist klar weniger scharf als die beiden anderen, und zwar selbst dann, wenn ich auf f/2,8 abblende. Das teure G-Objektiv gewinnt vor dem Macro, aber beide sind sehr gut.
Die Vergleichsbilder zeigen einen Ausschnitt aus der Ecke oben rechts.
In diesem Vergleich gewinnt das billigste Objektiv, wenn ich alle Fotos mit Blende 2,8 schiesse. Das G-Objektiv ist zwar besser als das Makro, aber für den Preis doch enttäuschend.
Allerdings ist f/2,8 beim Gewinner bereits mehr als eine Stufe abgeblendet – und Abblenden hilft immer gegen Vignettierung. Insofern ist der Vergleich nicht ganz fair. Bei Offenblende bleibt auch das f/1,8 in den Ecken dunkel.
Die drei Objektive haben unterschiedliche Lichtstärken: von f/1,8 über f/2,5 bis f/2,8. Was bedeutet das im Alltag?
In einer Situation, in der ein Objektiv mit Lichtstärke f/1.8 mit 1000 ISO auskommt, benötigt eines mit f/2,5 bereits 2000 ISO und eines mit f/2,8 2500 ISO. Das kann manchmal ein Vorteil sein, doch meistens reichen auch f/2,8.
Der andere Vorteil einer grösseren Offenblende: Mehr Spielraum, wenn es darum geht, den Hintergrund unscharf zu gestalten. Bei den folgenden drei Selbstporträts würde ich dir empfehlen, nur auf den Hintergrund zu achten. Der ist bei f/1,8 deutlich weniger scharf.
Ich denke allerdings, dass in solchen Fällen die Bildkomposition wesentlich wichtiger ist als ein bisschen mehr oder weniger Tiefenschärfe. Konkret: Es kommt vor allem auf den Abstand zwischen Motiv und Hintergrund an. Ist dieser gross genug, lassen sich auch mit f/2,8 deutlich vom Hintergrund abgesetzte Porträts machen.
Für Videos mit Autofokus kommt nur das f/2.5 in Frage. Die anderen lassen sich für Videos nur in Situationen verwenden, in denen der Fokus im Voraus fixiert werden kann.
Im Fotobereich ist die Sache weniger eindeutig. Alle drei haben ihre Vor- und Nachteile. Trotzdem favorisiere ich auch hier klar das f/2.5. Trotz seiner geringen Abmessungen bietet es eine sehr gute Bildqualität und lässt in der Handhabung kaum Wünsche offen – ganz im Gegensatz zum f/1,8, das nicht einmal einen Fokusschalter hat. Der hervorragende Fokusmotor des G-Objektivs ist auch beim Fotografieren willkommen.
Was das Makro betrifft: Die Kompromisse, die du für die Makro-Funktion eingehen musst, wären mir zu hoch. Sofern es das Budget erlaubt, empfehle ich ein separates Makro, im Idealfall mit etwas mehr Brennweite. Das 90er von Sony ist ein sehr gutes Makro-Objektiv.
Für das f/1,8 sprechen eigentlich nur der normalerweise günstige Preis und die Lichtstärke. Wobei ich finde, dass im Vollformat und mit den heutigen rauscharmen Sensoren auch f/2,8 fast immer ausreicht.
Letztlich sollten Objektiv und Kamera zusammen passen. Hast du dir günstig eine Alpha 7 II erworben, um Porträts zu schiessen, kann das f/1,8 das Richtige für dich sein. Das Potenzial einer aktuellen Alpha 7 IV mit schnellem Autofokus und ausgefeilten Videofunktionen kannst du aber nur mit dem f/2.5 ausschöpfen.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.