Produkttest
Nikon Z 6II: Was bringen zwei Prozessoren?
von David Lee
Aufgrund der Spezifikationen sollte die neue Sony Alpha 1 perfekt sein, um Vögel abzulichten. Das probiere ich aus.
Drei Tage hat mir Sony das neue Flaggschiff, die Alpha 1 ausgeliehen. Für einen kompletten Test reicht das nicht. Ich habe mich darum auf die Vogelfotografie konzentriert. Denn die A1 bietet einen speziellen Vogel-Augen-Autofokus. Wenn das wirklich gut funktioniert, ist es Gold wert – genau das habe ich beim Test der Nikon Z6 II vermisst.
Auch die übrigen Leistungsdaten der Kamera müssten für die Vogelfotografie geeignet sein: Hohe Serienbildrate, hohe Auflösung, lautloser Verschluss, überdurchschnittlicher Sucher. Schauen wir uns das mal an.
Die A1 übernimmt Sonys neue Menüführung, die insgesamt übersichtlicher und logischer wirkt. Noch immer sind die Einträge allerdings voll von kryptischen Abkürzungen, obwohl genug Platz wäre, um das eine oder andere Wort auszuschreiben.
Bei den meisten Sony-Kameras befindet sich oben links – gar nichts. Verschenkter Platz. Die Sony A1 hat da stattdessen zwei Drehräder. Eines für die Aufnahmebetriebsart, sprich Einzelbild, schnelle und langsam Serienaufnahme, Selbstauslöser. Und eines für den Autofokus: Einzeln, kontinuierlich oder manuell oder mit manueller Nachkorrektur.
Einerseits ist das natürlich gut: Will ich zwischen Action-Aufnahmen auch eine statische Aufnahme schiessen, brauche ich nicht ins Menü zu gehen. Andererseits verhindert es eine noch bessere Lösung: Am liebsten wäre mir, ich könnte dazu einfach am Modusrad zwischen zwei Benutzer-Settings wechseln. Das aber geht nicht, wenn die Einstellungen physisch vorgenommen werden müssen.
Mit bis zu 30 Fotos pro Sekunde erzeugt die Kamera im Nu eine unübersichtliche Anzahl Bilder. Zwei Dinge in der Bedienung sind dabei sehr praktisch: Eine Bildserie kann als Gruppe angezeigt werden, und beim Durchsehen kann ich einzelne, wirklich gelungene Bilder schützen. Diese bleiben erhalten, wenn ich die betreffende Gruppe lösche. So kann ich schnell grosse Mengen von Bildern löschen, ohne dass etwas Wichtiges verloren geht. Das ist wichtig, denn die riesigen Datenmengen, die bei dieser Kamera anfallen, willst du zum grössten Teil gar nicht erst weiterverarbeiten. Ausserdem ist eine 64-GB-Karte selbst ohne Videoaufnahmen innert kürzester Zeit voll.
Der Sucher zeigt das Bild ohne Ruckler und ohne Blackout an. Es ist einfach, einen fliegenden Vogel während einer Aufnahme im Bild zu halten. Am Ende hatte ich wenig falsch fokussierte Bilder – schätzungsweise fünf Prozent.
Allerdings dazu eine wichtige Einschränkung: Ich habe fast nur grössere Vögel wie Enten oder Möven fotografiert. Für kleine Vögel hätte ich ein leistungsfähiges Supertele wie das 200-600mm benötigt, was aber gerade nicht verfügbar war. Also nahm ich stattdessen das 70-200mm. Dessen Brennweite ist für kleine Vögel meistens zu kurz. Ich kam nie nahe genug heran, um einen Singvogel gross ins Bild zu kriegen.
Die automatische Augenerkennung der Alpha 1 erweist sich als sehr nützlich. Bei diesem Foto zum Beispiel würden die meisten Kameras auf das Hinterteil der Ente fokussieren, weil dieses am nächsten zur Kamera steht. Die A1 dagegen fokussiert genau aufs Auge, ohne dass ich dafür etwas tun muss.
Ist der Vogel nur klein im Bild zu sehen, wird er wie ein normales Objekt getrackt, der Augen-Autofokus greift dann nicht. Das macht aber in dem Fall nichts, weil der ganze Vogel scharf abgebildet wird. Der Übergang vom gewöhnlichen Tracking zur Augenerkennung geschieht automatisch und nahtlos.
Ein einmal getracktes Objekt verliert die Kamera nicht so schnell wieder. Vögel bleiben auch hinter Zweigen oder gar Bäumen im Fokus. Nur wenn sich der Vogel von Beginn weg hinter Zweigen versteckt, findet ihn der Fokus nicht ohne Weiteres.
Ich habe ausschliesslich den elektronischen Verschluss benutzt. Dieser ist komplett lautlos und ermöglicht extrem kurze Verschlusszeiten bis 1/32 000 Sekunde. Gebraucht habe ich das nie. Es kann aber sein, dass Singvögel im Flug kürzere Verschlusszeiten benötigen als die 1/8000 Sekunde, die mit einem mechanischen Verschluss möglich ist.
Die Kamera schafft unter Idealbedingungen 30 Bilder pro Sekunde. Bei Vögeln in Bewegung ist das super. Ansonsten ist es viel zu viel, sodass du Dutzende von fast identischen Bildern hast. Darum ist die oben beschriebene Gruppenfunktion so wichtig.
Die Kamera unterstützt die schnellen CFExpress-Speicherkarten, aber auch SD. Ich habe mit einer herkömmlichen SD-Karte fotografiert. Das klappte gut, weil die Kamera einen grossen Bufferspeicher hat. Er reicht für 128 Fotos, wenn du RAW und JPEG gleichzeitig schiesst.
Ist der Autofokus schnell genug? Nach meinem Eindruck schon. Bei diesem Foto liegt der Augen-Autofokus, den ich mir auf dem Kamerabildschirm nachträglich einblenden lassen kann, nicht auf dem Auge, sondern ein ganzes Stück weit dahinter. Trotzdem ist das Bild genau da scharf, wo es scharf sein muss. Und darauf kommt es ja letztlich an.
Manchmal, wenn ich die Kamera ans Auge führte, schaltete sich der Sucher nicht ein. Wenn es um jeden Sekundenbruchteil geht, ist das ärgerlich.
Die hohe Auflösung von 50 Megapixeln ermöglicht, nachträglich einen Ausschnitt zu verwenden und immer noch genug Details im Bild zu haben. Das gilt auch für Videos: Mit 8K wird es möglich, Ausschnitte für 4K oder Full HD zu verwenden, ohne dass die Qualität leidet.
Die hohe Auflösung bringt auch dann einen Vorteil, wenn dein Teleobjektiv genügend stark ist. Denn bei Vögeln im Flug musst du immer etwas Raum rundherum frei lassen. Wenn du zu nahe heranzoomst, verlierst du den Vogel aus dem Blickfeld.
Wenn du stark beschneidest, zeigen die JPEGs bei ISO-Werten über 1000 teilweise hässliche Artefakte. Da werden nicht nur die fokussierten Bildteile nachgeschärft, sondern auch das Rauschen in den anderen Teilen. Ich bin mir aber sicher, dass aus den RAW-Files mehr herausholen kann. Im Moment habe ich noch keinen Zugriff auf das Rohformat, Lightroom muss erst ein Update liefern.
Etwas nervig war, dass der Sucher sich manchmal nicht einschaltete. Abgesehen davon hat mich die Kamera überzeugt. Die Gesichts- und Augenerkennung funktioniert auch bei Vögeln zuverlässig. Somit liefert die Kamera, was der Hersteller verspricht. Den ultimativen Härtetest – Singvögel im Flug – konnte ich nicht durchführen, aber für alles andere ist die Kamera mit Sicherheit schnell genug. Für ein wirklich gutes Vogelfoto braucht es auch immer noch Glück und Geduld – mit der Sony A1 aber deutlich weniger als mit anderen Kameras.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.