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Night Mode ohne Licht: Was leisten Smartphones ohne Lichtverschmutzung?
Eine Nacht an einem der dunkelsten Orte der Schweiz soll Antworten bringen: Wie viel oder wenig Licht brauchen Smartphones, um schöne Bilder im Dunkeln zu schiessen?
In der Dunkelheit klettert mein Ford F-150 Shelby von Landquart nach Davos. Ein langes Tunnel, Haarnadelkurven, in denen ich nur die Lichtkegel der Scheinwerfer sehe. In der Mittelkonsole sind Smartphones. Da sind das Huawei P40 Pro und das Oppo Find X2 Pro als Vertreter der Flaggschiffe. Das Samsung Galaxy S20 als Vertreter des oberen Mittelfelds und im unteren soll das Mara Z1 reissen, was es kann.
Mein Ziel: Ich will herausfinden, welches Smartphone mit wie wenig Licht wie viel leistet.
Die Lichtverschmutzung bricht dem Projekt das Genick
Du könntest meinen, dass dieses Experiment auf dem Uetliberg schnell nach Feierabend machbar sei. Du lägest falsch. Denn die Stadt Zürich ist stark lichtverschmutzt.
Gerade die Lichtverschmutzung ist es, die den Nachtmodi der Smartphones zum Erfolg verhilft. Denn der Lichtabfall in der Luft, der die Stadt Zürich um bis zu 2000-mal heller wirken lässt als das eine saubere Nacht tun würde, ist es, den die Kameras nutzen, um die beeindruckenden Nachtbilder hinzukriegen. Das Resultat sind dann die hellblauen oder orangen Himmel.
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Daher fällt die schnelle Runde nach Feierabend weg. Denn selbst, wenn unsere schwachen menschlichen Augen finden «Leck, ist das dunkel hier», sieht eine Maschine noch sehr, sehr viel. Tiere sehen auch mehr als wir Menschen und leiden entsprechend unter der grellen Nacht in der Stadt. Der Bekämpfung dieses Problems hat sich der Verein Dark-Sky angenommen. Abgesehen von Informationen und Polemiken zur Lichtverschmutzung bietet Dark-Sky auch eine Landkarte, auf der die hellsten Orte der Schweiz gelistet sind.

Quelle: darksky.ch
Es sind nicht die lichtverschmutzten, rosafarbigen oder weissen Teile, die mich interessieren. Ich suche das Gegenteil. Die letzten paar Orte der Schweiz, wo keine oder so wenig wie möglich Lichtverschmutzung herrscht. Danach: M&Ms in die Mittelkonsole und in die Nacht hinaus. Wer denkt schon an Benzinkosten?

Meine Wahl fällt auf den Flüelapass. Nicht nur, weil der besonders dunkel und der Ostschweiz nahe ist, sondern weil da auch ein wirklich herziges Hospiz steht.
Nachtmodus: Schwach, sehr schwach
Der Test beginnt um Mitternacht. Die Thermoskanne ist mit Kaffee gefüllt – Beyond Black aus dem Hause Black Rifle Coffee Company – und die Temperaturen sind knapp über dem Gefrierpunkt. Da liegt Schnee auf den Bergen.
Huawei P40 Pro
Das Huawei P40 Pro im Nachtmodus liefert nicht die Nachtidylle, die es liefern sollte… so auf den ersten Blick auf dem Screen. Auf dem Laptop aber sieht das arg aus.
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Der Sensor der Hauptkamera des P40 Pro ist recht gross. Mit einer Fläche von 1/1.28" liefert er eine Bildauflösung von 12 Megapixeln. Die Linsen können bis zu f/1.9 herunter aufnehmen. Der 1/1.54" grosse Sensor der 40 Megapixel leistenden Ultraweitwinkellinse kommt auf f/1.8 runter. Aber beides reicht nicht, um mit einer Belichtungszeit von acht Sekunden irgendein Bild zu produzieren, das gefällt. Wenigstens aber erkenne ich hier Berge und ein paar verschwommene Sterne. Die Kamera hat sieben Sekunden lang belichtet, dann gerechnet.
Oppo Find X2 Pro
Generell gewinnt Oppo, wenn es um Aufnahmen aus der Nacht geht. Oppos Nachtmodus liefert auf dem Flaggschiff, dem Find X2 Pro, taghelle Bilder aus finsteren Stadtnächten. Das Fast-Flaggschiff, das Reno 4 Pro, tut es ihm gleich. Aber mit der Dunkelheit auf dem Flüelapass kommt das Phone nicht klar.
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Das Oppo Find X2 Pro braucht also mehr Lichtverschmutzung, um klarzukommen. Da helfen auch die Sensoren von der Grösse 1/1.43" hinter der 48 Megapixel-Weitwinkellinse und 1/2.0" hinter der 48-Megapixel-Ultraweitwinkellinse nicht.
Ich bin mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher, ob das dieselbe Bergszene ist, die ich hier vergleichen möchte. Die Linsen und Sensoren haben schlicht zu wenig Daten geliefert als dass die Software etwas Gescheites hätte draus machen können.
Samsung Galaxy S20
Weder Plus noch Ultra. Im oberen Mittelfeld hält sich das Samsung Galaxy S20 wacker, und sei es nur wegen des Traditionsnamens Galaxy.
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Im Night Mode mit ISO 3200 und f/1.8 mit einer Belichtungszeit von 1/3s sind die Berge zwar erkennbar, aber wirklich brauchbar ist das Bild nicht. Trotzdem aber wackere Arbeit für ein Phone, das laut Hersteller kein Flaggschiff sein sollte und das daher einige Qualitätsabstriche hinnehmen muss.
Mara Z1
Mit einem Preis von knapp 200 Franken plus ein bisschen Lieferkosten erwarte ich vom Mara Z1 an einem der dunkelsten Orte der Schweiz nichts. Wenn ich jetzt diesen Test nach meinen Erwartungen machen würde, dann würden meine Erwartungen voll erfüllt. Denn dieses Bild ist… nichts.

Andere Low-End Phones dürften mittlerweile allerdings okay gute Performance bei Nacht leisten. Wahrscheinlich aber nicht bei tatsächlich dunkler Nacht, aber in der Stadt Zürich dürfte sogar ein Low-End Phone dir einigermassen gute orange Himmel liefern.
Bei Bedarf teste ich das gerne nach. Lass mich in der Kommentarspalte wissen, sollte das der Fall sein.
Pro Mode: Die Rettung mit den Einstellungen
Ist das Experiment damit gescheitert? Braucht der Nachtmodus die Lichtverschmutzung um einigermassen zu funktionieren oder reicht auch nur ein wenig Licht? Denn auf der anderen Seite des Hospiz leuchtet eine rote Lampe von einer Antenne und erhellt den Parkplatz, auf dem der Truck steht.
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Das Oppo Find X2 Pro leistet hier schon wieder beeindruckende Arbeit. Nur ein wenig Licht und der Nachtmodus greift.
Trotzdem: Während ich die gefühlt vierte Tasse Kaffee schlürfe, beschliesse ich die zweite Phase des Experiments. Pro Mode. Die Sensoren und Linsen der Phones müssen mehr hergeben. Dazu aber braucht es ein kleines Stativ, da ich mich auf die Langzeitbelichtungsfunktion des Phones verlasse.
Leider hat das Mara keinen Pro Mode, daher fällt es weg. Schade. Vielleicht beim Nachfolger dann. Zudem ist da noch die Sony a7sii dabei zum Vergleich des Pro Modes mit etwas aus einer grossen, echten Kamera, die Fotografen benutzen.
Die Methodik der spontan beschlossenen zweiten Phase geht so: Ich spiele so lange am Pro Mode herum, bis ein Bild gelingt, das gefällt.
Huawei P40 Pro
Der Pro Mode des Huawei P40 Pro ist etwas mühsam zu bedienen. Die Hitboxen – also der Teil eines Menüs, das deinen Input annimmt – sind etwas klein geraten. Das Resultat aber kann sich sehen lassen.
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Die Metadaten:
- Aufnahmezeit: 23:46 Uhr
- Belichtungszeit: 30 Sekunden
- ISO: 1600
- f/1.9
- Manueller Fokus auf den Berg
Unten rechts ist klares Rauschen erkennbar, aber das Bild ist allermindestens social-media-tauglich für Betrachter. Auf technologischer Seite aber beeindruckt es. Die Sterne sind klar erkennbar, die schneebedeckten Berge sehen gut aus. Die Kamera leistet gute Arbeit.
Oppo Find X2 Pro
Wenn es um den Nachtmodus geht, dann hat Oppo im laufenden Jahr die Nase vorn. Es braucht zwar mehr Licht als das Huawei P40 Pro, macht aber softwareseitig mehr aus dem Material, wenn die Kamera Daten erhält. Der Pro Modus hat es aber in sich.
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Die Metadaten:
- Aufnahmezeit: 00:08 Uhr
- Belichtungszeit 32 Sekunden
- ISO: 2500
- f/1.7
- Manueller Fokus auf den Berg
Samsung Galaxy S20
Holla, jetzt aber. Das Samsung Galaxy S20 ist bei weitem nicht so die Enttäuschung wie das S20 Ultra, wenn es um die Kamera geht. Es überrascht sogar. Die Sterne sind zwar etwas krass weichgezeichnet und sind da und dort verschwommen, aber da sind Wolken, da ist eine klare Reflektion im See. Das ist eine gute Fotografie.
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Die Metadaten:
- Aufnahmezeit: 23:41 Uhr
- Belichtungszeit: 30 Sekunden
- ISO: 3200
- f/1.8
- Manueller Fokus auf den Berg
Sony a7s ii
Zum Vergleich dasselbe Panorama in einer Langzeitbelichtung aus der Linse der Sony a7s ii. Wenn die Hersteller sich schon gross damit brüsten, mit den grossen Kameras mithalten zu können, dann sollen sie den direkten Vergleich nicht scheuen.
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Die Metadaten, der Vollständigkeit halber:
- Aufnahmezeit: 00:21 Uhr
- Belichtungszeit: 30 Sekunden
- ISO: 2000
- f/2.8
- Manueller Fokus auf ∞
Das ist das JPG-Bild, das die Kamera aufgenommen hat. Die Kamera nimmt gleichzeitig zwar RAW auf, aber das habe ich für diesen Test bewusst ignoriert. Ich will wissen, was die Kamera von der Dunkelheit hält und was sie damit anfängt.
Photographisch ist es bei der Sony weit schwieriger, den Fokus auf den Berg zu finden und noch schwieriger, die Daten auf dem kleinen Bildschirm der Kamera zu sichten und so allfällige Fehler in der Fokussetzung festzustellen. Da macht ein schönes Sechs-Komma-Irgendwas AMOLED-Display mit Touchscreen und Zoom viel her.
Baustelle Nachtmodus
Der Nachtmodus ist das Feature, an dem die Arbeit der Software am besten zu beobachten ist. Wenn du die orangen oder blauen Himmel siehst, dann siehst du Lichtverschmutzung. Diese nutzt die Software, um Farben zu erkennen und die Bilder künstlich nachzufärben. Du siehst nicht mehr ein Foto im eigentlichen Sinne, sondern bekommst ein präsentationsfertiges Photoshop-Bild.
Wenn aber die Lichtverschmutzung wegfällt, dann scheitert der Nachtmodus schnell. Es braucht nicht viel, bis er greift. Eine einzige rote Lampe in der Nacht hat genug Leuchtkraft, um dem Nachtmodus genug Informationen für eine gute Bearbeitung mit nur wenigen Sekunden Belichtungszeit zu geben.
Aber in echter, natürlicher Dunkelheit bist du besser dran, wenn du dir minimale Kenntnisse der Fotografie aneignest, ein Stativ dabei hast und auf dem Berg eine warme Tasse Kaffee schlürfen kannst während die Kameras ihre Arbeit tun. Den warmen Kaffee wirst du brauchen, denn auf keinem der Handy-Bildschirme war irgendetwas erkennbar, das nach Landschaft ausgesehen hat. Du machst also mindestens zwei Bilder mit langer Belichtungszeit. Eines, damit du siehst, wo was im Bildausschnitt ist. Das andere dann mit richtig gezogenem Fokus.
Das Beste: Zum Frühstück ist der Kaffee aus der Thermoskanne noch warm und vor der Talabfahrt in den Nebel liegt noch eine Tasse Beyond Black Coffee drin.
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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.