Domagoj Belancic
Meinung

Menschen in Games töten? Kein Problem! Hunde in Games töten? Niemals!

Einige Games zwingen mich dazu, Hunde zu töten. Damit habe ich so meine Probleme, denn ich liebe die süssen Fellnasen. Sonys Samurai-Epos «Rise of the Ronin» hat die perfekte Lösung für Leute wie mich.

Viele meiner Lieblingsgames sind voller Gewalt, Blut und Tod. So auch das PS5-Spiel «Rise of the Ronin». In diesem übernehme ich die Rolle eines herrenlosen Schwertkämpfers im historischen Japan und metzle mich durch Hunderte von Gegnern.

Ich schlitze meinen Feinden aus dem Hinterhalt die Kehle durch.

Schlitz.
Schlitz.
Quelle: Domagoj Belancic

Ich trenne Gliedmassen und Köpfe ab und ergötze mich an den daraus resultierenden Blutfontänen.

Lieber Kopf ab als Arm dran. Oder so.
Lieber Kopf ab als Arm dran. Oder so.
Quelle: Domagoj Belancic

Ich verbrenne Gegner mit einem Flammenwerfer.

Burn, Baby burn.
Burn, Baby burn.
Quelle: Domagoj Belancic

Für mich alles kein Problem, im Gegenteil. Weil sie so unrealistisch übertrieben ist, empfinde ich die Gewaltdarstellung als amüsant. Wenn einem Gegner am Ende eines Schwertkampfes der Kopf weg spickt, als wäre er eine berstende Champagnerflasche, muss ich immer wieder laut lachen.

So metzle ich mich in den ersten paar Spielstunden munter durch die malerische Szenerie von «Rise of the Ronin» und habe meinen Spass. Bis ich auf eine Gruppe von Banditen treffe, die Hunde dabei haben. Verdammt.

Ich will dich nicht töten, geh weg!

Die Räuber besetzen ein Dorf, das ich befreien muss. Oft starte ich solche Missionen im Stealth-Modus. Ich dezimiere die Anzahl an Gegnern aus dem Schatten heraus, bevor ich in den offenen Kampf ziehe. So auch hier. Zunächst ermorde ich einen Feind mit Pfeil und Bogen aus der Entfernung. Der Kopfschuss sitzt, niemand hat was gesehen. Doch der nächste Gegner ist ein Hund. Ich schleiche mich von hinten an das Tier ran. Das Game zeigt mir via Button-Prompt, dass ich es unbemerkt töten kann. Mein Finger schwebt über dem Knopf, aber ich schaffe es nicht abzudrücken.

Mit einem Knopfdruck wäre das Hundli weg.
Mit einem Knopfdruck wäre das Hundli weg.
Quelle: Domagoj Belancic

Stattdessen ziehe ich zum nächsten menschlichen Gegner und werde auf dem Weg zu ihm entdeckt. Ich zücke mein Schwert und verarbeite die Angreifer zu Hackfleisch. Auch der Hund attackiert mich. Er springt mich an und beisst zu. Ich habe keine Wahl und muss mich mit einem Schwerthieb verteidigen. Er lässt aber nicht locker. Noch ein Schwerthieb. Geh weg, du blödes Tier. Ich will dich nicht töten! Noch ein Biss, noch ein Schwerthieb. Und der Hund ist tot.

Oh mein Gott, was habe ich nur getan? Die Mission war erfolgreich, das Dorf habe ich befreit. Aber zu welchem Preis? Ich blicke traurig auf den leblosen Körper des Vierbeiners. Die vielen zerstückelten Leichen der menschlichen Gegner um mich herum bemerke ich nicht.

Ich wollte dich nicht töten, ich schwöre.
Ich wollte dich nicht töten, ich schwöre.
Quelle: Domagoj Belancic

Hunde streicheln statt Hunde töten

Dass Hunde töten uncool ist, weiss wohl auch Team Ninja, das Entwicklerstudio hinter «Rise of the Ronin». Nach meinem Hundemord entdecke ich im Fertigkeitsbaum meines Spielcharakters nämlich einen spannenden Skill: «Bestienflüsterer». Der ist in drei Stufen unterteilt. Schalte ich die erste frei, werde ich nicht mehr so schnell von Hunden entdeckt. Super. Schalte ich die zweite Stufe frei, kann ich mich von hinten an die Tiere anschleichen und sie streicheln, statt sie zu töten.

Streicheleinheiten sind besser als Säbeleinheiten.
Streicheleinheiten sind besser als Säbeleinheiten.
Quelle: Domagoj Belancic

Nach der Streicheleinheit machen die Vierbeiner brav Sitz und greifen mich nicht mehr an. Genial. In der dritten Stufe würden die Hunde nach dem Streicheln sogar an meiner Seite gegen die Banditen kämpfen. Das will ich aber nicht, sonst verletzen sie sich noch. Also bleibe ich bei Stufe 2.

Der ehemals feindliche Hund schaut brav zu, während ich Gegner vermöble.
Der ehemals feindliche Hund schaut brav zu, während ich Gegner vermöble.
Quelle: Domagoj Belancic

Fortan säubere ich von Banditen besetzte Dörfer also ohne unnötige Hundemorde. Ich fühle mich erleichtert. Gleichzeitig frage ich mich aber auch: Wieso habe ich kein Problem damit, Hunderte von Menschen auf brutalste Art und Weise zu töten und kann gleichzeitig den Gedanken nicht ausstehen, einen einzigen virtuellen Hund zu eliminieren?

Hunde können nichts dafür

Ich liebe Hunde. Ich habe selber einen. Lino ist sein Name. Er ist der absolut süsseste, schlauste und schönste Hund auf dieser Welt. Ich meine, schau ihn dir mal an:

Lino ist ein guter Junge.
Lino ist ein guter Junge.
Quelle: Domagoj Belancic

Da ist es logisch, dass ich seine Artgenossen im virtuellen Raum nicht gerne ermorde. Vor allem nicht, wenn Lino neben mir liegt, während ich am Zocken bin. Was soll er nur von mir denken …

Aber ich hatte auch schon vor Lino Probleme damit, Vierbeiner in Games zu attackieren. Dass ich selber eine Fellnase bei mir zuhause habe, kann also nicht der einzige Grund für meine Abneigung gegenüber virtuellen Hundemorden sein. Nach langem Überlegen habe ich einen weiteren Grund gefunden, der mir logisch erscheint: Hunde sind unschuldig. Sie können nichts dafür. Die Vierbeiner in «Rise of the Ronin» haben sich nicht entschieden, ein Dorf zu überfallen und Angst und Schrecken zu verbreiten. Sie folgen einfach ihren Herrchen. Es sind loyale, naive Lebewesen ohne moralische Werte und ohne menschliche Hintergedanken. Sie handeln nicht aus Böswilligkeit, sondern aus Instinkt und Liebe ihren Menschen gegenüber.

Dass ich solche unschuldigen Lebewesen aus dem Hinterhalt töte, fühlt sich einfach falsch an. Die blöden Banditen haben es hingegen verdient. Sie wissen, was sie tun. Und sie wissen, wieso ich sie attackiere.

In «Rise of the Ronin» gibt es auch freundlich gesinnte Hunde, die mich zu versteckten Schätzen führen. Süss!
In «Rise of the Ronin» gibt es auch freundlich gesinnte Hunde, die mich zu versteckten Schätzen führen. Süss!
Quelle: Domagoj Belancic

Gebt mir die Option, Hunde am Leben zu lassen

Historisch gesehen wurden Hunde nur selten als Feinde in Games eingesetzt. Meist trete ich in gewalttätigen Spielen gegen Fantasiewesen oder menschliche Gegner an. Dass ich im Bezug auf das Töten von Menschen mittlerweile abgestumpft bin und auf das Töten von Hunden sehr sensibel reagiere, ist also auch durch meine Erfahrungen als langjähriger Spieler bedingt.

In den letzten Jahren habe ich aber eine Zunahme an hundeartigen Gegnern festgestellt. Ich kann das aus einer Gameplay-Perspektive gut nachvollziehen – Hunde bringen einen spannenden Twist in die Spielmechanik rein. Die Vierbeiner sind schneller, kleiner und beweglicher als menschliche Gegner. Sie zwingen mich, neue Herangehensweisen im Kampf anzuwenden. Von mir aus dürfen Entwicklerstudios gerne weiterhin Hundegegner in ihre Spielen integrieren – solange ich die Option habe, sie am Leben zu lassen.

In den «Call of Duty»-Games müssen Hunde auch im Multiplayer als Kanonenfutter herhalten.
In den «Call of Duty»-Games müssen Hunde auch im Multiplayer als Kanonenfutter herhalten.
Quelle: Ghosts619 / Youtube

Die Playstation Studios gehen da mit gutem Beispiel voran. Nebst «Rise of the Ronin» hatten auch die PS4-Blockbuster «The Last of Us Part II» und «Ghost of Tsushima» Hunde als Gegner. Und in beiden Games konnte ich diese verschonen.

Im Dokumentarfilm zum Entstehungsprozess des zweiten «The Last of Us»-Games sagen die Entwickler von Naughty Dog, sie hätten explizit darauf geachtet, dass man jedes Level ohne das Töten von Hunden bestehen kann. In Anbetracht der expliziten und extrem realistischen Gewaltdarstellung war ich sehr froh um diese Option. Das war zwar nicht immer einfach und gelang mir beim besten Willen nicht immer – die Hunde in «The Last of Us Part II» sind extrem schlau und verfolgen meine Spur unermüdlich. Aber die Option besteht und wenn ich mir Mühe gebe und ein bisschen Glück habe, schaffe ich es, die Spürnasen zu verschonen.

Ich bin froh, dass ich zumindest einige der Hunde in «The Last of Us Part II» verschonen konnte.
Ich bin froh, dass ich zumindest einige der Hunde in «The Last of Us Part II» verschonen konnte.
Quelle: OreVsWorld / Youtube

Entwicklerstudio Sucker Punch hat die Option, Hunde zu verschonen, erst einige Monate nach dem Launch von «Ghost of Tsushima» nachgereicht. Für mich kam der Patch zu spät – ich hatte mich bereits durch das Spiel gequält und einige Hundeleben auf dem Gewissen. Aber indirekt habe auch ich von diesem Update profitiert. Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass sich Team Ninja stark von «Ghost of Tsushima» hat inspirieren lassen. Denn auch im PS4-Game kann ich mich, wie in «Rise of the Ronin», von hinten an feindliche Hunde heranschleichen, sie streicheln und auf meine Seite ziehen.

In «Ghost of Tushima» kämpfe ich gegen mongolische Invasoren und ihre flauschigen Hunde.
In «Ghost of Tushima» kämpfe ich gegen mongolische Invasoren und ihre flauschigen Hunde.
Quelle: SB GAMZ / Youtube

Hundetode als Teil der Story finde ich in Ordnung

Hunde werden in Games aber nicht nur als Gegner eingesetzt. Immer öfter finden sie auch im Storytelling ihren Platz – meist auf eine tragische Art und Weise. In einer gut erzählten Geschichte kann ich Hundetode akzeptieren. Versteh mich nicht falsch – stirbt ein Hund in der Story eines Spiels, liege ich für eine Stunde heulend in der Fötusstellung vor meinem Fernseher. Aber ein Story-Tod fühlt sich weniger «falsch» an, als wenn ich als Spieler wahllos unschuldige Tiere abschlachte.

Achtung – potenzielle Spoiler für «The Last of Us Part II» und «Life is Strange 2».

Besonders stark in mein Hirn eingebrannt hat sich die Schäferhund-Dame Alice aus «The Last of Us Part II». Nachdem ich sie in der Rolle eines Charakters (Abby) kennengelernt und mit ihr gespielt habe, musste ich sie in der Rolle eines anderen Charakters (Ellie) aus Notwehr töten. Es ist der einzige Punkt im Spiel, an dem ich gezwungen werde, einen Hund zu töten. Ein schrecklicher, aber bewusst eingesetzter Moment, der die philosophische Frage rund um den Kreislauf der Gewalt im Spiel prägnant auf die Spitze treibt. Du warst ein gutes Mädchen, Alice.

Der Gedanke an Alice treibt mir die Tränen in die Augen.
Der Gedanke an Alice treibt mir die Tränen in die Augen.
Quelle: VGS - Video Game Sophistry / Youtube

Ebenfalls geprägt hat mich der Tod des Beagle-Welpen Mushroom in «Life is Strange 2». Nachdem ich ihn adoptiert habe, wird er kurz darauf in den Bergen von Colorado von einem Puma erlegt. Mit meinen telekinetischen Fähigkeiten kann ich mich entweder am wilden Raubtier rächen und seine Knochen brechen. Oder ich lasse den Puma am Leben. Auch diese Szene hat mich emotional zerstört. Meine Entscheidung – ich habe den Puma getötet – war aber ein wichtiger Katalysator für weitere Ereignisse im Spiel.

Falls du weder Gameplay- noch Story-Tode von Hunden ertragen kannst, empfehle ich dir «Does the dog die?». Auf der Seite verraten die User, ob Hunde in einem Spiel vorkommen und ob sie sterben müssen – beziehungsweise ob du sie töten musst. Nebst Games werden auch Filme, Serien und Bücher behandelt.

So, nach all dem Tod und Verderben, will ich den Artikel mit etwas Positivem abschliessen und packe deshalb noch ein Foto von Lino obendrauf.

Ist er nicht süss? Hunde sind einfach toll – egal ob in echt oder nur virtuell.

Mlem.
Mlem.
Quelle: Domagoj Belancic

Einen ausführlichen Test zum hundefreundlichen «Rise of the Ronin» findest du hier:

  • Kritik

    Ich liebe dich, «Rise of the Rōnin» – mit all deinen Macken und Fehlern

    von Domagoj Belancic

Titelbild: Domagoj Belancic

38 Personen gefällt dieser Artikel


Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Meinung

    Diese sieben Games würde ich am liebsten vergessen und noch einmal spielen

    von Domagoj Belancic

  • Meinung

    Wieso immer das Rad neu erfinden? Ich will mehr Recycling in Games!

    von Domagoj Belancic

  • Meinung

    Pssst! Das sind unsere Geheimtipps der Gamescom 2024

    von Domagoj Belancic

Kommentare

Avatar