Mach mal Pause! Warum kurze Auszeiten wichtig sind
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Mach mal Pause! Warum kurze Auszeiten wichtig sind

Termine, E-Mails, Deadlines: Wann hast du zuletzt deine Pause vor dem Laptop verbracht? Wenn du diese Frage zu schnell beantworten konntest, bitte weiterlesen.

Wer kennt es nicht: Über einen Teller Nudeln gebeugt werden E-Mails beantwortet, schnell wird noch etwas nachrecherchiert oder der Instagram-Feed durchgescrollt. Kurz darauf ist die halbe Stunde Mittag auch schon wieder vorbei und weitere vier Stunden und eine Lawine an Arbeit warten auf dich. Ein großer Teil der Beschäftigten verbringt so seine Arbeitspausen. Denn die (zu) hohe Arbeitslast macht es oft unmöglich, den Arbeitsplatz für nur eine halbe Stunde zu verlassen oder zwischendurch notwendige Pausen einzulegen.

Arbeitspsychologe Dr. Johannes Wendsche von der deutschen Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin forscht hauptberuflich zur Pause und bestätigt: «Jeder dritte bis vierte Beschäftigte kommt häufig nicht zu Pausen. 85 Prozent davon geben an, dass hohe emotionale Anforderungen am Arbeitsplatz, Termin- und Arbeitsdruck und eine insgesamt zu hohe Arbeitsdichte der Grund dafür sind.»

Auch in der Schweiz führen Stress und hoher Druck dazu, dass die Arbeit auch in Erholungs- und Freizeiten fällt. Das schreibt der Dachverband der Arbeitnehmenden, Travail.Suisse, in seinem Bericht «Barometer Gute Arbeit 2022».

Die meisten Menschen haben verlernt, den Pausenknopf zu drücken. Hinzu kommt: Social-Media-Apps, Messenger-Dienste und E-Mail-Programme buhlen alle vier Minuten um deine Aufmerksamkeit und unterbrechen dich beim Arbeiten. Ich habe mit dem Arbeitspsychologen Wendsche über die Wichtigkeit der Pause gesprochen, welche Rolle das Smartphone dabei spielt und wie man eigentlich richtig Pause macht.

Schalt‘ mal ab: Darum sind Pausen so wichtig

Theoretisch darfst du in der Schweiz sieben Stunden am Stück arbeiten, bevor du zu einer halbstündigen Pause verpflichtet bist. Dabei beträgt die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne eines Erwachsenen nur etwa 90 Minuten, bei Kindern sind es sogar nur rund zwei Minuten pro Lebensalter.

Tendenz sinkend, denn einer Untersuchung des Max Plank Instituts zufolge reduziert sich die Aufmerksamkeit immer weiter durch Push-Benachrichtigungen und die Informationsflut auf Social Media.

Pausen sind essenziell für dein Wohlergehen am Arbeitsplatz. Außer der Erholungsfunktion hat die Pause eine soziale Funktion: «Indem sich Menschen in der Pause treffen, wird sie zu einem zentralen Element für die Kultur im Betrieb und für das Betriebsklima» sagt Experte Wendsche. Zudem helfen Pausen dabei, den Tag zu strukturieren: «Pausen bieten die Möglichkeit, Aufgaben zeitlich zu trennen.»

Und zu guter Letzt übernimmt die Pause eine Motivations- und Lernfunktion: Die Arbeit in kürzere Einheiten zu unterteilen, wirkt motivierender auf Mitarbeitende und hat zudem den Effekt, dass sich Beschäftigte in den Arbeitsperioden stärker anstrengen, weiß Wendsche aus eigenen Untersuchungen.

Auch Neugelerntes kann sich in der Pause setzen, weshalb man kurze Auszeiten nicht nur im Büro-, sondern auch im Schulalltag nicht vernachlässigen sollte.

Wenn die Pause zu lange aufgeschoben wird

Lässt man die Pause zu lange ausfallen, häufen sich negative Belastungsfolgen und werden mitunter zum chronischen Problem: «Man wird erschöpfter, hat psychosomatische Beschwerden, Konzentrationsprobleme, aber auch muskuloskelettale Schmerzen häufen sich» sagt Wendsche.

Und tatsächlich bestätigt eine koreanische Studie: Muskuloskelettale Beschwerden, zum Beispiel Nacken-, Rücken- oder Handschmerzen, machen 70 Prozent aller arbeitsbedingten Erkrankungen aus (auch in Europa). Durch regelmäßige Pausen im Arbeitsalltag ließen sich diese reduzieren.

Auch Erschöpfungszustände potenzieren sich mit der Zeit, es passieren Fehler und das Risiko für Arbeitsunfälle steigt. Zudem halten regelmäßige Pausen deine Leistung stabil auf einem Niveau: «Beschäftigte, die regelmäßig Pausen machen, sind kreativer und effizienter, die Leistung schwankt weniger und sie arbeiten kontinuierlicher und in demselben Tempo», sagt der Experte.

Und letztlich bist du auch zufriedener an deinem Arbeitsplatz, wenn du dich an deine Pausenzeiten hältst: «Wo Teampausen gemacht werden, kündigen die Angestellten seltener.» Und: Auch Krankenstände und Fehlzeiten lassen sich durch regelmäßige Pausen reduzieren. «Sogar altersbedingte Fehlzeiten können durch Pausen auf das Niveau der jüngeren Mitarbeitenden reduziert werden.»

Jede Stunde fünf Minuten pausieren

Die Pausenkultur in der Schweiz lässt noch einiges zu wünschen übrig. In einem siebenstündigen Arbeitsblock bist du schnell erschöpft und nicht mehr so leistungsfähig, wie es deine Chefin oder dein Chef vielleicht von dir erwartet. Zwischendurch die Gedanken schweifen zu lassen oder kurze Pausen einzulegen, wird oft nicht gerne gesehen.

Um den Arbeitsdruck zu bewältigen, machen Beschäftigte oft maskierte Pausen: «Sie holen Material, gehen unnötige Wege, lesen Onlinezeitung oder scrollen auf Social Media. Diese maskierten Pausen machen zwischen 5 und 15 Prozent der Arbeitszeit aus, sind aber weniger erholsam, aus Angst erwischt zu werden», sagt Wendsche.

Neben einer längeren Pause in der Arbeitszeitmitte, plädiert der Experte auch für regelmäßige Kurzpause von fünf Minuten pro Stunde. Denn in der Pause werden Müdigkeitssymptome abgebaut, das passiert aber negativ-exponentiell. Heißt: «Am Anfang wird viel Müdigkeit abgebaut und danach immer weniger.»

Nicht nur der Arbeitnehmer, auch die Arbeitgeberin profitiert von einem Kurzpausensystem. Aus eigenen Untersuchungen weiß Wendsche: «In Bedingungen mit Kurzpausen war die Arbeitszeit etwa um zehn Minuten kürzer am Tag, die Beschäftigten haben in der Zeit aber mehr geschafft und auch die Arbeitsqualität steigerte sich um 9 Prozent.»

Denkarbeit und Digitalisierung: Wie hat sich die Pause verändert?

Die Pausenforschung ist bereits über 100 Jahre alt. Nicht nur das Smartphone hat die Arbeits- und Pausenwelt seither verändert, auch die Denkarbeit hat die körperliche Arbeit zu großen Teilen abgelöst. «Geistige Belastung ist anders als körperliche» sagt Wendsche. «Müdigkeitserscheinungen fallen öfter aus, auch wenn es physiologisch ganz anders aussieht.» Das heißt: Du läufst heute größere Gefahr, die Pause ausfallen zu lassen und dich zu überarbeiten.

Dazu kommt, dass du Pausen – ob maskiert oder bewusst – öfter vor dem Smartphone verbringst. Das ist nicht per se schlecht, sagt Wendsche, denn auch Social Media erfülle zum Beispiel das Bedürfnis nach sozialer Verbundenheit.

Aber: «Die meisten erleben die Pause als weniger erholsam, wenn sie sich dabei nur durch Social Media scrollen» sagt der Experte. Das kommt vermutlich daher, dass das Smartphone als ähnlich anspruchsvoll wie die Denkarbeit vor dem Computer empfunden wird.

Richtig Pause machen: Tipps vom Experten

Pause machen ist wichtig. Und auch wenn du deinen Chef heute noch nicht von einem Kurzpausensystem überzeugen kannst, solltest du dir zwischendurch Zeit für dich nehmen, um durchzuatmen und deine Kräfte zu sammeln. Dr. Wendsche erklärt, wie die erholsame Pause gelingt.

1. Die Gegenteil-Regel

Wie du deine Pause am besten gestaltest, hängt von der Art deiner Tätigkeit ab. Am besten bietet dir die Pause einen Kontrast zur Arbeitsbelastung: «Wer sich viel bewegt, sollte sich hinsetzen. Wer viel alleine ist, sollte eine Teampause machen. Wer viel sitzt, sollte aufstehen. Wer viel nachdenkt, sollte die Gedanken schweifen lassen» sagt Wendsche. So beugst du der Monotonie am Arbeitsplatz vor, setzt dir selbst neue Impulse und kehrst mit frischem Kopf an deinen Arbeitsplatz zurück.

2. Den Arbeitsplatz verlassen

Ganz ehrlich: Wer kann schon am Arbeitsplatz entspannen, wenn die Kolleginnen und Kollegen nebenan an ihren Laptops tippen und die Chefin im Konferenzraum ein Meeting abhält? Nutze die Pause stattdessen für einen Tapetenwechsel. «Je weiter du dich vom Arbeitsplatz entfernst, desto besser kannst du abschalten» sagt Wendsche. «Denn so sinkt das Risiko, in der Pause unterbrochen oder angerufen zu werden.» Die Pause gehört nur dir und ist dafür da, dich zu erholen. E-Mails, Arbeitshandy und To-Dos kannst du für ein paar wertvolle Minuten am Arbeitsplatz zurücklassen.

3. Bewegung

In vielen Jobs ist die Belastung monoton und eher geistig als körperlich. Langes Sitzen und der Blick in den Bildschirm schaden nicht nur den Augen, sondern sind für den ganzen Körper eine schleichende Belastung. Nutze die Pause für sanfte Bewegung, einen kurzen Spaziergang oder für ein paar Dehnübungen. Nicht nur deine Gelenke, Sehnen und Muskeln werden es dir danken, auch dein Kopf profitiert davon. So zeigt eine Studie zu den Effekten von dreiminütiger Bewegung während der Schreibtischarbeit: Schon kurze Bewegung baut Stress ab, erhöht die Freude an der Arbeit, stärkt das Gesundheitsbewusstsein der Mitarbeitenden und ermöglicht soziale Interaktion am Arbeitsplatz.

4. Raus ins Grüne

Einen zusätzlichen Erholungseffekt gibt es bei Pausen, die im Grünen verbracht werden. Ein Spaziergang in der Natur senkt nachweislich Stresshormone und den Blutdruck. Auch der Pausenraum am Arbeitsplatz sollte entsprechend eingerichtet werden, empfiehlt Dr. Wendsche: «Schon ein Balkon, Fenster, Grünelemente oder eine Wald-Tapete unterstützen diese Erholungseffekte.»

5. Bildschirmzeit begrenzen

Es hat einen Grund, weshalb die meisten Menschen in ihren Pausen das Smartphone zücken: Es verbindet uns mit anderen Personen und bietet die ideale Ablenkung von der hektischen Arbeit. Weil Smartphone und Social Media einen gewissen Nutzen erfüllen (und sie ohnehin nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken sind), spricht auch nichts gänzlich dagegen.

Eine Studie kommt sogar zu diesem Ergebnis: planloses Surfen am Arbeitsplatz steigert die Kreativität und fördert die Konzentration. Wie so oft macht auch hier die Dosis das Gift: Während die Smartphone-Nutzung in Kurzpausen den Arbeitseinsatz steigert, wirkt sich langes, intensives Surfen negativ auf den Arbeitseinsatz aus, wie eine Untersuchung zeigt.

Das heisst: Du solltest nicht deine gesamte Pause vor dem Handy verbringen, denn auch das Beantworten privater Nachrichten kann kognitiv beanspruchend sein. Stattdessen rät der Experte, die Bildschirmzeit zu begrenzen und in der Pause verschiedenen Bedürfnissen nachzugehen. Ein Beispiel: Den Blick vom Bildschirm abwenden und die Gedanken frei schweifen lassen bringt oft die erholsamsten Pausenmomente.

Titelfoto: shutterstock

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Olivia Leimpeters-Leth
Autorin von customize mediahouse

Ich liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party. 


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