Produkttest

Huawei P60 Pro im Test - Eine Tragödie in 5 Akten

Die Perlmutt-Rückseite des P60 Pro von Huawei sticht sofort ins Auge. Mit optischem Bildstabilisator und Zoom tut es sogar weit mehr als gut auszusehen. Das Phone kommt aber mit zu vielen Einschränkungen und Basteleien.

Huawei sind bei der Nutzung von Google-Diensten und 5G-Netz in Europa seit beinahe vier Jahren die Hände gebunden. Trotzdem gibt der chinesische Hersteller nicht auf und bringt das P60 Pro hier auf den Markt. Die Kamera mit physischer Blende ist super, der Verzicht auf meine Lieblingsapps fällt mir jedoch schwer. Alternativen sind nur beschränkt vorhanden. Die ganze Tragödie in 5 Akten.

Huawei P60 Pro (256 GB, Schwarz, 6.67", Dual SIM, 48 Mpx, 4G)
Smartphone

Huawei P60 Pro

256 GB, Schwarz, 6.67", Dual SIM, 48 Mpx, 4G

Huawei P60 Pro (256 GB, Rococo Pearl, 6.67", Dual SIM, 48 Mpx, 4G)
Smartphone

Huawei P60 Pro

256 GB, Rococo Pearl, 6.67", Dual SIM, 48 Mpx, 4G

1. Akt – Exposition: einzigartiges Design

Ich teste das Huawei P60 Pro in der Farbvariante «Rococo Pearl». Mit der Struktur aus Mineralperlenpulver auf der Rückseite ist jedes dieser Modelle ein Unikat. Mir gefällt, wie sich die Musterung bei unterschiedlichem Lichteinfall verändert. Auch die Mattierung fühlt sich angenehm in der Hand an. Als zweite Farbvariante gibt es das klassisch schwarze Modell mit einer kristallinen Oberfläche, die vor Fingerabdrücken schützt.

Jedes Rococo Pearl ist ein Unikat.
Jedes Rococo Pearl ist ein Unikat.
Quelle: Michelle Brändle

Das Phone kommt mir von Anfang an vertraut vor. Der Grund: Mein Oppo Find X5 hat Ähnlichkeit in Design, Grösse und Haptik. Es fängt gut an.

Mein Oppo Find X5 sieht fast so aus wie das Huawei P60 Pro...
Mein Oppo Find X5 sieht fast so aus wie das Huawei P60 Pro...
Quelle: Michelle Brändle
…und das von allen Seiten.
…und das von allen Seiten.
Quelle: Michelle Brändle

2. Akt – Komplikation: Snapdragon ohne 5G

Erste Einschränkungen werden sichtbar: Der Flagship-Prozessor Snapdragon 8+ Gen 1 von Qualcomm ist nur in der 4G-Variante verbaut. Die 5G-Variante darf Huawei für Europa nicht verwenden.

Wie gut sich der Prozessor schlägt, teste ich sonst mit Geekbench 6. Die aktuelle Version der Benchmark-App gibt es nicht im Appstore von Huawei – dazu später mehr. Der ältere Geekbench 5 genügt aber für einen Anhaltspunkt zur Leistung des Geräts.

Im Single-Core erreicht das P60 Pro 1300 Punkte und im Multi-Core-Test 4105 Punkte. Im Vergleich schneiden Smartphones mit demselben Prozessor etwas weniger gut ab. In der Tabelle unten sind das OnePlus 10 Pro und das Sony Xperia 1 IV aufgelistet.

Das P60 Pro hat einen 4815 mAh-Akku, der mit dem mitgelieferten 66-Watt-Netzteil in 45 Minuten geladen ist. Bei normalem Gebrauch hält er bis zu 20 Stunden durch. Das ist sehr gut. Die meisten Flagship-Smartphones kommen eher knapp über den Tag. Auch kabelloses Laden mit bis zu 50 Watt ist möglich.

Das P60 Pro wiegt 200 Gramm und liegt mit einer Dicke von 8,3 Millimetern gut in meiner eher kleinen Hand. Es ist nach IP68 wasser- und staubdicht. Du kannst das Phone damit laut Huawei für 30 Minuten in bis zu zwei Meter tiefes Wasser eintauchen, ohne bleibende Schäden. Das Display wird von bruchsicherem Kunlun-Glas geschützt. Dieses wurde vom Schweizer Warenprüfkonzern SGS mit der ersten Fünf-Sterne-Zertifizierung zur Sturzfestigkeit von Glas ausgezeichnet.

Das 66-Watt-Netzteil lädt das Huawei P60 Pro in 45 Minuten auf.
Das 66-Watt-Netzteil lädt das Huawei P60 Pro in 45 Minuten auf.
Quelle: Michelle Brändle

Das OLED-Display des P60 Pro ist 6,67 Zoll gross. Es zeigt ein scharfes Bild, die Farbwiedergabe ist intensiv und das Schwarz wird tatsächlich schwarz dargestellt. Die Auflösung kannst du von maximal 2700 × 1220 Pixeln auf 1890 × 854 herunterschrauben. Die Pixeldichte beträgt also 444 oder 310 Pixel pro Zoll. Die Bildwiederholrate liegt bei bis zu 120 Hertz und passt sich adaptiv deiner Nutzung an. Du kannst sie manuell auf 60 Hertz einstellen.

Die Farbwiedergabe zeigt gute Kontraste und ein richtiges Schwarz.
Die Farbwiedergabe zeigt gute Kontraste und ein richtiges Schwarz.
Quelle: Michelle Brändle

Das Smartphone besitzt ein «3D-Wetter Always on Display». Diesen Stromfresser kannst du mit einer zweiten Einstellung zähmen: Tippst du bei dieser auf den ausgeschalteten Bildschirm, zeigt es dir kurz Wetter und Uhrzeit an. Das benötigt weniger Strom und die Funktion bleibt erhalten. Das Always on Display kannst du in vielen Varianten anpassen. Den Wetter-Lockscreen musst du allerdings erst herunterladen.

Für das Always on Display hast du viele Möglichkeiten.
Für das Always on Display hast du viele Möglichkeiten.
Quelle: Michelle Brändle

3. Akt – Klimax: Kamera-Zoom überzeugt

Die grosse Stärke ist die Kamera des Huawei P60 Pro. Die 48-Megapixel-Hauptkamera mit physisch verstellbarer Blende (f/1.4-F/4.0) ist gross in der Mitte des Moduls platziert. Die Telekamera (f/2.1) darüber hat 48 Megapixel mit 3,5-fach optischem Zoom, die Ultraweitwinkelkamera (f/2.2) hat 13 Megapixel. Letzteres gilt auch für die Frontkamera.

Das elegante Kameramodul vereint drei vielversprechende Kameras.
Das elegante Kameramodul vereint drei vielversprechende Kameras.
Quelle: Michelle Brändle

Die Brennweiten liegen bei 13, 24,5 und 90 Millimetern. Durch das Pixel-Binning, das für bessere Lichtempfindlichkeit sorgt, hat ein Foto der Hauptkamera standardmässig zwölf Megapixel. Die vollen 48 Megapixel musst du als Extra-Modus aktivieren.

In den Tests macht vor allem die Hauptkamera gute Fotos. Was mich bei dieser und vielen anderen Smartphone-Kameras stört, ist die Überschärfung der Bilder. Das wirkt surreal und unruhig. Auf dem Smartphone sind die Bilder schön anzusehen, am Computer zu detailreich.

Der Wald sieht mit der Hauptkamera wunderschön aus, hat aber eine starke Überschärfung.
Der Wald sieht mit der Hauptkamera wunderschön aus, hat aber eine starke Überschärfung.
Quelle: Michelle Brändle

Bei Abenddämmerung ist die Kamera immer noch sehr stark, der Nachtmodus ist aber überflüssig. Du bewirkst damit keine Aufhellung.

Die Abenddämmerung wird schön eingefangen.
Die Abenddämmerung wird schön eingefangen.
Quelle: Michelle Brändle
Der Nachtmodus hellt die Szene nicht wirklich auf.
Der Nachtmodus hellt die Szene nicht wirklich auf.
Quelle: Michelle Brändle

Die physische Blende macht einen super Job. Objekte und Personen lassen sich damit schön in Szene setzen. Im Vergleich dazu bringt die digitale Blende mehr Bokeh, manchmal aber ein zu starkes Ergebnis.

Die physische Blende setzt meine Roccat-Maus dezent in Szene.
Die physische Blende setzt meine Roccat-Maus dezent in Szene.
Quelle: Michelle Brändle
Die digitale Blende ist mir etwas zu viel.
Die digitale Blende ist mir etwas zu viel.
Quelle: Michelle Brändle

Das Weitwinkel-Objektiv fällt schwächer aus als die Hauptkamera, was hauptsächlich am Computer auffällt. Das Motiv wird hier stark verzogen, eine Verzerrungskorrektur bietet die Kamera-App nicht. Die Bildqualität ist davon abgesehen auf dem Niveau der Hauptkamera.

Das Weitwinkel-Objektiv verzieht das Motiv stark.
Das Weitwinkel-Objektiv verzieht das Motiv stark.
Quelle: Michelle Brändle

Der Zoom überzeugt mich. Die 3,5-fache optische Vergrösserung ist sehr gut. Ich kann damit weit entfernte Kühe auf einer Weide heranholen. Qualitativ merke ich beim 10-fachen Zoom starke Einbussen. Die Strukturen werden abgeflacht. Der zusätzliche digitale Zoom bis zum 100-fachen ist qualitativ unbrauchbar. Zusätzlich ist er in der Praxis schwierig anzuwenden. Der Zoom vergrössert so stark, dass ich das gewünschte Motiv mit dem Smartphone nicht mehr finde und damit kaum vor die Linse bekomme.

Vom normalen Bild…
Vom normalen Bild…
Quelle: Michelle Brändle
…bis zum 3,5-fach optischen Zoom ist das Ergebnis top.
…bis zum 3,5-fach optischen Zoom ist das Ergebnis top.
Quelle: Michelle Brändle
Der 10-fache digitale Zoom ist bereits weniger brauchbar.
Der 10-fache digitale Zoom ist bereits weniger brauchbar.
Quelle: Michelle Brändle
Beim 100-fachen Zoom bekomme ich die Kuh fast nicht vor die Linse.
Beim 100-fachen Zoom bekomme ich die Kuh fast nicht vor die Linse.
Quelle: Michelle Brändle

Die Frontkamera liefert qualitativ gute Bilder. Das digitale Bokeh schneidet beim Selfie allerdings meine Haare unnatürlich ab. Die reguläre Variante ist eher zu empfehlen und sieht gut aus. Sie kommt aber mit übertriebener Schärfe und kräftigem Grün.

Mein Selfie sieht ganz schick aus. Mit vielen Details und Grün.
Mein Selfie sieht ganz schick aus. Mit vielen Details und Grün.
Quelle: Michelle Brändle
Mit Bokeh sind mir die Haare zu künstlich abgeschnitten.
Mit Bokeh sind mir die Haare zu künstlich abgeschnitten.
Quelle: Michelle Brändle

Eine weitere Stärke ist das Makro und Super Makro. Damit kommst du nah an die Dinge heran. Mein kleiner Schleim-Keycap von Dragon Quest sieht mit Super Makro wunderbar gruselig aus.

Beim Makro ist Schleim ein grosses kleines Kerlchen.
Beim Makro ist Schleim ein grosses kleines Kerlchen.
Quelle: Michelle Brändle
Im Super Makro ist Schleim eher dein grösster Albtraum. Yeah.
Im Super Makro ist Schleim eher dein grösster Albtraum. Yeah.
Quelle: Michelle Brändle

Für Videos hast du verschiedene Einstellungsmöglichkeiten, von 720p mit 30 fps bis zu 4K und 60 fps. Ich empfehle dir hauptsächlich letzteres. Damit bekommst du schöne Videos hin. Am Computer wirken sie unruhig, auf dem Smartphone sind sie ruhiger und laufen flüssig. Die Überschärfung fällt auch bei bewegten Bildern auf.

4. Akt – Peripetie: Huawei nimmt EMUI statt Google

Apps und Software sind beim P60 Pro besonders spannend. Huawei muss aufgrund des US-Boykotts auf einen eigenen Appstore und das Betriebssystem EMUI 13, das auf der Open-Source-Version von Android basiert, setzen.

Huawei kommt mit eigenen Apps.
Huawei kommt mit eigenen Apps.
Quelle: Michelle Brändle

Leider finde ich von meinen meistgenutzten Apps nur knapp die Hälfte. Eine kurze Übersicht, was ich oft nutze und was davon ich tatsächlich finde:

Im Huawei-Appstore:

  • Telegram
  • Coop
  • Just Eat Switzerland
  • Netflix
  • Spotify
  • UBS-E-Banking
  • Instagram (nur als Drittanbieter-App)

Nicht im Huawei-Appstore:

  • Whatsapp
  • Migros
  • diverse Banken-Apps (Kantonalbanken und Raiffeisen Schweiz)
  • SBB
  • Youtube

Kurz gefasst: Damit komme ich nicht durch den Alltag. Auch das manuelle Installieren von Google Diensten und Play Store ist zwar machbar, aber kompliziert, weil Huawei jegliche Berechtigungen von Google fehlen.

  • Hintergrund

    Alternative App Stores (nicht nur) für das Huawei P40 Pro

    von Jan Johannsen

Dann sind da noch die Apps von Huawei. Der Webbrowser funktioniert nicht immer zuverlässig. Reine Websuchen zeigen mir Fehlermeldungen an, gemischte Suchen funktionieren mässig zufriedenstellend. Suche ich ein Kuchenrezept, muss ich konkret werden, um keine komischen Ergebnisse zu erhalten. Zum Glück hat Huawei auch Microsofts Bing. Dort klappt es besser.

Die Websuche von Huawei, Petal Search, ist mässig zufriedenstellend.
Die Websuche von Huawei, Petal Search, ist mässig zufriedenstellend.
Quelle: Michelle Brändle

Bei Büchern und Filmen im eigenen Store bin ich ebenfalls eingeschränkt. Lieblingsautoren wie Sebastian Fitzek oder Juli Zeh fehlen, Videos finde ich nur ein paar Live-Sendungen und Kinderserien. Youtube geht über den Webbrowser. Die vorhandenen Bücher sind auf dem Display dafür angenehm lesbar.

Ein Buch auf dem Smartphone lesen ist angenehm, sofern du ein passendes findest.
Ein Buch auf dem Smartphone lesen ist angenehm, sofern du ein passendes findest.
Quelle: Michelle Brändle

Immerhin, bei Petal Maps, der Alternative zu Google Maps, finde ich bisher keine Einschränkungen und auch bei der Musik scheint die Auswahl gross. Generell kann ich mir aber nie sicher sein, ob ich eine App wirklich finde und welche von den vorhandenen funktionieren.

Spiele sind reichlich vorhanden – und laufen super. Auch leistungshungrige, wie die «Genshin Impact» Alternative «Kung Fu Saga» und diverse Racing Games, laden schnell und lassen sich flüssig spielen. Die acht Gigabyte RAM reichen gut. Ansonsten schliesst das Huawei P60 Pro von selbst Apps im Hintergrund.

«Kung Fu Saga» sieht schön aus und macht Spass zu spielen.
«Kung Fu Saga» sieht schön aus und macht Spass zu spielen.
Quelle: Michelle Brändle

5. Akt – Katastrophe: Huaweis Untergang in Europa

Das Huawei P60 Pro lässt mich mit Fragezeichen zurück. Ich bin nie sicher, welche Apps auf dem Smartphone wie gut funktionieren. Bist du technikaffin, bastelst gerne oder findest zumindest alle deine Apps, könntest du das Smartphone in Betracht ziehen. Denn die Hardware stimmt: Display, Prozessor und Akku sind auf höchstem Niveau. Die Kamera macht extrem gute Bilder, wenn dir Detailreichtum gefällt. Der sehr gute 3,5-fache optische Zoom und die physische Blende sind Gimmicks, die längst nicht in jedem Smartphone zu finden sind.

Die Google-Dienste und 5G fehlen mir. Das gilt auch für einige Apps, die ich regelmässig nutze. Sie sind nicht vorhanden. Die Hardware von Huawei ist sehr gut, aber die Software hat Einschränkungen oder funktioniert nicht sauber. Der Preis ist mit knapp 1200 Franken oder Euro dafür zu hoch. Für den alltäglichen Gebrauch, gerade in der Schweiz mit SBB und Mobile-Banking, ist das Smartphone keine Empfehlung.

In diesem Preissegment gibt es aktuell weitaus bessere Alternativen mit guter Kamera und zuverlässiger Hard- und Software. Meine persönliche Empfehlung liegt aktuell beim etwas älteren, dafür deutlich günstigerem Oppo Find X5 Pro. Mit Hasselblad als Software-Partner finde ich die Foto-Ergebnisse gut. Aktuelle Lieblinge der Redaktion findest du zudem in unserer Übersicht.

OPPO Find X5 Pro (256 GB, Ceramic White, 6.70", Hybrid Dual SIM + eSIM, 50 Mpx, 5G)
Smartphone

OPPO Find X5 Pro

256 GB, Ceramic White, 6.70", Hybrid Dual SIM + eSIM, 50 Mpx, 5G

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