Sony Xperia 1 IV im zweiwöchigen Berg-Test

Optischer Zoom, Foto- und Video-Apps mit vielen manuellen Optionen, 4K mit 120 fps, Eye-Tracking sowie das Zusammenspiel mit den Alpha-Kameras von Sony. Das Xperia 1 IV bietet viele Besonderheiten, die aber nicht für alle wichtig sind.

Meine Spiegelreflexkamera hat mir in den letzten Urlauben immer weniger Freude bereitet. Das lag nicht an ihren Bildern, sondern an ihrer Größe und ihrem Gewicht. Sie kam zwar noch mit ins Auto, aber oft nicht mehr mit auf die Tagesausflüge. Deswegen blieb sie in diesem Jahr zu Hause. Stattdessen habe ich die Fotos mit einer Kamera gemacht, die ich sowieso immer bei mir trage: mit dem Smartphone, genauer mit dem Sony Xperia 1 IV. Obwohl das Smartphone eher mit einer Kompaktkamera als mit einer DSLR vergleichbar ist, habe ich es (Spoiler!) nie bereut.

Smartphone mit Top-Ausstattung

Der flotte Snapdragon 8 Gen 1, ein auf sonnigen Bergen gut zu erkennendes 120-Hertz-Display und Android 12 sind nur eine kleine Auswahl vom Datenblatt des Xperia 1 IV. Sie stehen beispielhaft dafür, dass Sony seine Hausaufgaben gemacht und ein Top-Smartphone zusammengebaut hat. Allerdings eines, das teurer als andere Modelle mit dieser Ausstattung ist. Deswegen habe ich vor allem auf die Merkmale geachtet, mit denen sich das Xperia 1 IV von anderen Top-Smartphones unterscheidet.

Das Objektiv mit optischem Zoom liegt quer im Smartphone

Das Zoomobjektiv des Xperia 1 IV deckt eine Brennweite von 85 bis 125 Millimetern ab. Die dafür nötigen Linsen sind vertikal im Smartphone verbaut – ähnlich wie in diesem Objektiv, das Oppo im Sommer 2021 erstmals gezeigt hat. Von außen siehst du die Bewegung der Linse nicht. Die anderen zwei Linsen des Xperia 1 IV sind Festbrennweiten mit 16 und 24 Millimetern.

Das Reiseobjektiv meiner DSLR hat eine Brennweite von 24 bis 300 Millimetern. Mit dem Xperia komme ich auf 16 bis 125 Millimeter und vermisse in den Bergen nichts. Ich komme nah genug an meine Motive heran und kann mit der klassischen Tiefenschärfe arbeiten. Für unscharfe Hintergründe muss ich mich nicht auf die Software verlassen.

Um die verschiedenen Kameras, bzw. Brennweiten zu verdeutlichen:

Ich bin mit der Qualität der Aufnahmen sehr zufrieden. Ich hatte noch mein Pixel 6 dabei, aber das kommt trotz aller KI nicht an die Leistung einer vernünftigen Optik heran, wenn es darum geht, ein Motiv nah heranzuholen.

Ich frage mich trotzdem, wie sich der optische Zoom des Xperia 1 IV im Vergleich zu anderen Smartphones mit guten Telekameras schlägt, die nur einen digitalen Zoom haben. Deswegen greife ich in Hamburg nochmal zum Huawei P50 Pro. Bei ihm erhalte ich mit einem 3,5-fachen Zoom etwa den gleichen Bildausschnitt wie beim Xperia 1 IV mit 125 Millimetern.

Farblich geht der Punkt eindeutig an das Xperia 1 IV. Die Backsteine vom Kirchturm sind rot und nicht gelb – auch wenn die Sonne scheint. Vergrößere ich die Ansicht auf 100 Prozent, scheint mir die Aufnahme des Huawei P50 Pro – trotz Digitalzoom – schärfer als beim Xperia 1 IV. Den Vorteil der Hardware in Form des optischen Zooms scheint die Software in diesen Bereich mitwettmachen zu können.

Zwischen dem 16- und 24-mm- sowie dem Teleobjektiv zoomt auch das Xperia 1 IV digital. Der Qualitätsverlust ist in diesem Bereich zu vernachlässigen. Ich habe trotzdem bemerkt, dass ich beim Fotografieren den digitalen Zwischenbereich meide und direkt von einer optischen Brennweite zur anderen wechsle. Zwischen 85 und 125 Millimeter ist der Zoom optisch.

Pro-Apps für manuelle Einstellungen

Sony liefert das Xperia 1 IV mit einer Kamera- und zwei Video-Apps aus, die du nicht im Play Store findest. «Photo Pro», «Video Pro» und «Cinema Pro» sind vorinstalliert und werden über den Menüpunkt Softwareupdate in den Einstellungen aktualisiert. Sie enthalten viele manuelle Einstellungen. Falls du eine Alpha-Kamera von Sony benutzt, dürften dir die Menüs bekannt vorkommen. Die Anordnung der Elemente ist von den Kameras übernommen.

Im «Basic»-Modus übernimmt «Photo Pro» sämtliche Einstellungen. Ich habe in den Bergen aber meistens zum P-Modus gegriffen. Quasi der Kompromiss zwischen manuellen Einstellungen und die Familie nicht warten lassen.

Einzige Ausnahme: Als ich versuche den Sternenhimmel abzulichten, habe ich mich im manuellen Modus an die optimalen Einstellungen herangetastet.

Ich dachte, der dunkle Sternenhimmel sei auch ein guter Anlass zu schauen, was ich nachträglich aus den RAW-Aufnahmen des Xperia 1 IV herausholen kann. Anfangs wenig, aber Kollege und RAW-Magier David Lee greift mir unter die Arme und zaubert diese Ansicht des Sternenhimmels aus den Rohdaten.

Bei Sonnenschein schaffe ich es auf Anhieb mehr aus den RAW-Bildern herauszuholen – muss allerdings noch das Nachschärfen in Lightroom üben. Willst du deine Fotos nicht einer KI überlassen, dann helfen die DNG-Dateien des Xperia 1 IV dir dabei deine Bilder nach deinen Vorstellungen zu bearbeiten.

Die Fotos-App auf dem Xperia 1 IV zeigt dir die Unterschiede zu den JPG-Dateien zwar an, bietet aber nur rudimentäre Bearbeitungsmöglichkeiten. Um mehr aus den Rohdaten herauszuholen, musst du eine weitere App installieren oder die Bilder zur Bearbeitung auf deinen Computer übertragen.

Spielt das Sony-Design der exklusiven Apps für dich keine wichtige Rolle, dürften sich die manuellen Einstellungen beim Fotografieren auch mit anderen Apps vornehmen lassen (Empfehlungen gerne in die Kommentare!). Für Videos sieht das schon anders aus. Sony bietet nicht nur 4K mit 120 fps, was immer noch eine Seltenheit bei Smartphones ist, sondern auch exklusive Pre-Sets. Willst du «Venice CS» oder «Opak/BU60YE60» haben, führt kaum ein Weg an «Cinema Pro» vorbei.

Eine richtige Auslösetaste

Drehst du das Xperia 1 IV nach links ins Querformat, befindet sich auf der Oberseite eine Auslösetaste. Die habe ich gerne benutzt. Sobald sie da ist, ist der Auslöser auf dem Touchscreen keine Option mehr für mich. Der Druckpunkt und damit das Auslösen der Aufnahme fühlt sich hier einfach besser an. Großer Vorteil der Taste: Drücke ich sie nur zur Hälfte, fokussiert die Kamera und ich kann Motiv und Scharfstellung überprüfen. Das geht über den Touchscreen nicht.

Zudem ist der Auslöser besser positioniert als die Lautstärketasten, die bei vielen anderen Smartphones die Funktion des Auslösers übernehmen können. Mit ihnen steuerst du beim Xperia 1 IV den Zoom, was sich aber nicht so gut anfühlt wie bei einer richtigen Kamera. Im Querformat bleiben die Lautstärketasten unbequem zu erreichen. Ich muss zudem aufpassen, dass mein linker Mittelfinger nicht vor die Linsen kommt.

Eine weitere Besonderheit ist der Kartenschacht, den du ohne Werkzeug öffnen kannst. So kannst du bequem die SIM-Karte wechseln oder die microSD-Karte herausnehmen – sehr hilfreich bei der Datenmenge, die bei Aufnahmen mit dem Xperia 1 IV anfallen können.

Externer Monitor für Alpha-Kameras

Hast du eine Alpha-Kamera von Sony, kannst du das Xperia 1 IV als externen Monitor verwenden. Die Vorteile des OLED-Displays gegenüber den Bildschirmen der Kameras sind vor allem die höhere Helligkeit, die höhere Blickwinkelstabilität und das größere Bild. Bei den neuesten Alpha 7 IV sowie ZV 1 und ZV E10 genügt ein USB-C-3.2-Kabel zur Übertragung des Bildsignals. Bei älteren Modellen brauchst du ein HDMI-zu-USB-C-Kabel.

Diese Funktion aktivierst du über eine spezielle App mit dem schlichten Namen «externer Monitor». Sie steht wie die Kamera- und Foto-Apps nicht im Play Store zur Verfügung, sondern kommt über den Softwareudapte-Menüpunkt in den Einstellungen auf das Xperia 1 IV. Anschließend kannst du die Kameraeinstellungen über das Smartphone vornehmen, wobei die Menüpunkte wie auf der Kamera angeordnet sind.

Fazit: Spiegelreflexkamera sehr gut vertreten

Ich habe es nicht bereut, meine Spiegelreflexkamera zu Hause gelassen zu haben und stattdessen auf ein Smartphone zu vertrauen. Die Optionen der Kamera des Xperia 1 IV sind umfangreich und die Bildqualität ist sehr gut. Allerdings verlangt das Sony mehr manuelle Nachbearbeitung und liefert nicht wie viele andere Smartphones auf einen Klick optimierte Bilder.

Das Xperia 1 IV ist insgesamt ein Top-Smartphone, dessen Aufpreis sich aber nicht für alle lohnt. Er ist es nur wert, wenn dich eine oder mehrere der exklusiven Funktionen – optischer Zoom, Auslösetasten, die exklusiven Apps – überzeugen. Andernfalls erhältst du andere Smartphones mit sehr guter Kamera günstiger und kannst Kamera-Apps mit manuellen Einstellungen nachträglich installieren.