Hinter den Kulissen: Das macht Ofinto anders als die Konkurrenz
Christian Stiefel, einer der beiden Gründer der Büromöbel-Marke Ofinto, legt im Gespräch offen, wie die Bürostuhl-Modelle entstehen und produziert werden. Letztlich liege der Unterschied zwischen Premiumherstellern und Ofinto nicht unbedingt im Produkt selbst.
Kürzlich habe ich den «Cloud» von Ofinto in einem Testbericht vorgestellt. In den Kommentaren gab es unter anderem einen User, der ergoogelt hat, dass es den Stuhl auch bei einem chinesischen Anbieter für deutlich weniger Geld gäbe. Der implizite Vorwurf: Der Stuhl von Ofinto sei für die Schweizer Kundschaft zu teuer.
Um der Sache auf den Grund zu gehen, treffe ich Christian Stiefel im Showroom von Ofinto in Zürich. Das Bild oben zeigt ihn neben Jonas Romer; mit ihm hat er Ofinto gegründet. Im Gespräch konfrontiere ich Christian mit dem Vorwurf aus der Galaxus Community. Er erklärt mir den Produktionsprozess. «Wir arbeiten mit Partnern weltweit – von italienischen Stoffen bis zu Kunststoffteilen aus China.» Dabei fertigt Ofinto nicht selbst, sondern entwickelt und produziert gemeinsam mit erfahrenen Partnern, viele davon haben ihren Sitz in Asien. Warum dort und nicht in Europa? «Eine vollständige Stuhlfertigung in Europa ist heute kaum umsetzbar», erklärt Christian. China hat sich auf vielen Gebieten, nicht nur bei Bürostühlen, eine Kompetenz aufgebaut, die schwer zurückzuholen ist.
Die Fertigung in Asien unterscheidet Ofinto nicht von anderen Premiumherstellern. Auch diese betreiben oft keine eigenen Fabriken, sondern lassen aus Einzelteilen Modelle bauen. Das beginnt bei Gasdruckfedern, geht über Stoffe, Polsterungen und Armlehnen bis hin zu den Mechanikteilen, mit denen du im Stuhl wippen und die Höhe verstellen kannst. Alle Teile gibt es in unterschiedlichen Qualitätsstufen, ganz nach Wunsch der jeweiligen Marke. Auf grossen Messen wie der Orgatec in Köln trifft man sich.
Ein wichtiger Hersteller ist zum Beispiel die italienische Firma Donati. Sie beliefert interessierte Marken mit einzelnen Komponenten oder offeriert sogar komplett fertig zusammengestellte Bürostühle, sogenannte Design Ready Products. Ein Teil dieser Stühle kommt aus einer Donati-Fertigung im chinesischen Guangdong. Diese Tatsache macht das italienische Unternehmen in seinem Nachhaltigkeitsreport publik.
Hohe Kosten in der Produktion werden geteilt
Ofinto bezieht von Donati kein «Design Ready Product», sondern hat einen eigenen Fertigungspartner. So hat das Team in der Schweiz für den «Cloud» definiert, was das Modell können und wie es aussehen soll
Für das Design eines Bürostuhls gibt es in der Branche etwa eine Handvoll Büros, deren Namen dann häufig anzutreffen sind, teilweise auch bei verschiedenen Herstellern. Für die Formen des «Cloud» ist das Design-Studio von Peter Horn zuständig. Wenn sich ein Designer eine Form ausdenkt, muss diese produziert werden. Dabei werden also beispielsweise Spritzgussformen benötigt, die in der Entwicklung und Herstellung jeweils mehrere zehntausend US-Dollar kosten.
«Solche Kosten stemmen wir nicht alleine», erklärt mir Christian. Deshalb gibt es eine Vereinbarung mit dem Hersteller. Er stellt den Stuhl in höherer Stückzahl für den Weltmarkt her. So könne man den Preis tief halten. Für die Heimatmärkte besitzt Ofinto die exklusiven Vertriebsrechte. Das bedeutet, dass es den Stuhl in anderen Weltregionen auch gibt – zumindest in dieser Form. Du findest ihn mit relativ wenig Aufwand auf den entsprechenden Online-Marktplätzen.
Du könntest versuchen, den Stuhl zu bestellen. Und würde er es dann – vermutlich zu horrenden Versandkosten – bis zu dir schaffen, könntest du dir ein Bild davon machen, welche Komponenten verwendet wurden. Es könnte sein, dass günstigere verwendet wurden als für Ofinto. «Bei der Gasdruckfeder, den Stoffen, den Armlehnen – ein paar Dollar lassen sich immer sparen», sagt Christian. Die Qualität kann also variieren, je nachdem für welches Land er gemacht wird. Das Prinzip ist auch bei Autoherstellern verbreitet. So sieht ein VW Passat in Deutschland anders aus als einer, der in den USA verkauft wird.
Ofinto setzt auf hochwertige Materialien, gute Ergonomie, Nachhaltigkeit und Komponenten, die sonst nur in teureren Stühlen der Mitbewerber zu finden sind. Ofinto ist sich seiner Sache so sicher, dass es zehn Jahre Garantie auf die Stühle gibt. «Dafür investieren wir stark in Qualitätssicherung», betont Christian. «Unsere Produkte durchlaufen strenge Tests und erfüllen internationale Standards wie TÜV, BIFMA und Greenguard Gold.»
Nur noch wenige unabhängige Hersteller
Die Zusammenarbeit mit Zulieferern und Fertigungspartnern ist absolut üblich in der Branche. Je grösser allerdings eine Marke ist, desto stärker ist die Position gegenüber Zulieferern. So beispielsweise MillerKnoll, ein US-Unternehmen mit vier Milliarden US-Dollar Jahresumsatz und über 10 000 Beschäftigten. Der Konzern baut unter anderem Stühle der Marke Herman Miller, wie den Aeron. Doch selbst dieses Unternehmen gibt an, dass seine Produkte nicht aus eigenen Werken stammen.
Im Vergleich mit dem globalen Riesen ist Ofinto ein junges, agiles Unternehmen. Das kleine Team in Zürich fokussiert sich auf das, was Christian als «wesentlich» bezeichnet: erstklassiger Service und effiziente Prozesse. Das Konzept überzeuge auch immer mehr Grosskunden. «Wir fokussieren uns hier auf das Kundenerlebnis», sagt Christian. Die passende Ausstattung fürs Büro soll leicht zu finden, die Bestellung einfach und die Lieferung schnell sein. Und das Ganze zu einem guten Preis. Das gelinge durch eine effiziente Lieferkette, den Verzicht auf Zwischenhändler mit entsprechenden Margen. «Ausserdem setzen wir auf effizientes, digitales Marketing statt kostspielige traditionelle Werbekanäle», sagt Christian.
Für Privatkunden und Mittelständler gilt Ähnliches: Sie kommen zu Ofinto, um den Arbeitsplatz oder ein Büro auszustatten, trauen aber der Qualität des schwedischen Möbelriesen nicht, wollen allerdings auch kein Vermögen für Vitra und Co. ausgeben.
Eigene Erfindung für eine Rücksendung
Die etablierte Konkurrenz könnte sich einiges vom Ofinto-Team abschauen. Christian zeigt mir zwei schwere Metallringe, mit denen du die Gasdruckfeder wieder vom Fusskreuz lösen könntest. Das ist für den Fall, dass ein Kunde einen Stuhl zurücksenden möchte. In Einzelteilen geht das per Post. Andere Firmen müssten dafür dann eine Spedition bemühen.
Aber eigentlich, sagt Christian nach kurzem Nachdenken, kommt das Teil viel zu selten zum Einsatz. «Die Rücksendequote liegt im niedrigen einstelligen Prozentbereich», erklärt er. «Das zeigt uns, dass unsere Kunden von der Qualität überzeugt sind.» Und die wenigen Stühle, die zurückkommen, bereitet Ofinto auf und verkauft sie als Renew-Modelle. «Die sind in aller Regel im selben Moment verkauft, in dem sie online gehen», sagt Christian.
Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln.