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Hintergrund

Einmal wie Daniel Düsentrieb sein: Wenn Kinder erfinderisch werden

Schulhäuser sind ein Hort der Ideen. Die Kinder machen in den Gängen sichtbar, was in ihren Köpfen schlummert. Sollte die Welt von morgen nur halb so bunt sein, dann wird die Zukunft grossartig – und überraschend ordentlich!

Manche Orte werden immer besser, je seltener du dort bist. So geht es mir mit Schulhäusern. Während sie früher Alltag bedeuteten und nach vergessenen Turnbeuteln rochen, kann ich auf der Elternseite des Lebens ganz andere Aspekte betrachten. Ich muss nicht mehr täglich dorthin, aber dann und wann öffnen sie ihre Türen für Anlässe und präsentieren sich als echte Kunstgalerien. Ist das Gebäude auch noch so trist – die Betonwände sind stets voller bunter Werke.

Neulich blieb ich vor einer speziellen Ausstellung stehen. Entlang der Treppe zeigte sie die Plakate einer dritten oder vierten Klasse, die ihre frisch erfundenen Produkte präsentierte. Auch wenn sie bislang nur auf dem Papier existierten, war ich von den Wünschen der Kinder und ihren unterschiedlichen Talenten und Herangehensweisen fasziniert. Daniel Düsentrieb lässt grüssen.

Von 99 Prozent Rabatt bis 100'000'000 Franken

Da gab es detaillierte Zeichnungen, die fast schon Baupläne waren, Marketing-Talente, die vor lauter Rabatt-Aktionen alle Details ausser acht liessen, «Enschinjörinnen», die Grosses im Sinn hatten und Pragmatiker, die naheliegende Alltagsprobleme anpacken wollten. Zwischen Schleuder- und Wucherpreisen, erfundenen Lebensläufen und IQ-Angaben, bei denen Albert Einstein vor Neid erblassen würde, fanden sich etliche Ideen, die ich gerne auf dem Markt sehen würde.

Für «Falti balti» würde ich zum Beispiel tief in die Tasche greifen. Eine Wasch-/Trockenmaschine, die die Kleider gleich auch noch zusammenlegt, wäre wirklich genial. Hoffentlich verfolgt die junge Erfinderin ihre Pläne weiter – sollte sie dieses Produkt auf den Markt bringen, darf sie an den anvisierten Preis von 250 Franken gerne noch eine Null dranhängen.

«Falti balti» würde ich sofort kaufen.
«Falti balti» würde ich sofort kaufen.
Quelle: Michael Restin

Zum einen hat das ihr Klassenkollege und Schöpfer des «Super Fire X» – einer feuerschiessenden Flugmaschine, mit der künftig die Polizei, Uber Eats und Deliveroo-Angestellte unterwegs sein sollen – auch ausgiebig gemacht und den Preis auf 100'000'000 Franken in die Höhe geschraubt. Zum anderen ersetzt sie damit gleich drei Produkte und eine der unbeliebtesten Tätigkeiten gehört in vielen Haushalten der Vergangenheit an.

Sobald «Falti balti» auf den Markt kommt, haben diese Geräte ausgedient:

Schnäppchen am Black Friday

Den «Super Fire X» kannst du dir trotzdem leisten, wenn du Geduld hast. Dynamische Preise haben viele Kinder voll verinnerlicht: Am Black Friday ist der heisse Jetpack schon für 10'000 Franken zu haben. Da dann schon wieder Herbst ist, empfehle ich dazu für schlappe 500 Franken den «Wetterentscheider», der auf Knopfdruck Sonne, Regen oder Schnee liefert.

Falls du mal die falsche Wahl getroffen hast und dich erkältest, hilft die kurbelbetriebene «Nasenputzmaschine», die, wenn es nach ihrem Erfinder geht, der Nasendusche den Garaus machen soll. Statt des würdelosen Spülvorgangs oder ständiger Schnodderei ins Taschentuch kurbelt die Maschine künftig die Nase sauber.

Nie wieder Nasendusche! Der Nasenputzer macht's womöglich möglich.
Nie wieder Nasendusche! Der Nasenputzer macht's womöglich möglich.
Quelle: Michael Restin

Das Gerät sieht ungefähr so aus wie ein Nasenhaartrimmer und funktioniert ohne Akku oder App. Grossartig! Zum angekündigten Kampfpreis von nur einem Franken (bei 99 Prozent Rabatt!) sollte es doch möglich sein, dieses Gadget auf den Markt und in die Nasen zu drücken.

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Das gefällt nicht nur mir, sondern auch Daniel Düsentrieb, der einst ähnliche Pläne besang. Auf YouTube läuft die Nase bei 10:35 los.

«Ich bau mir eine Nasenputzmaschine aus einem grossen Badeschwamm. Die hänge ich als Nasenputzmaschine an meine Nase vorne dran. Und mittendrin ist eine grosse Düse, sonst läuft die Nase schneller als die Füsse …» – viel weiter kam der legendäre Erfinder allerdings nicht. Er sollte mal mit Primarschülern zusammenspannen.

Jetzt geht's «Clocky» an den Kragen

Denen geht nicht nur Naseputzen auf den Wecker, sondern auch frühes Aufstehen, weshalb eine getunte Version von «Clocky» auf der Liste ihrer Erfindungen steht. Einen flüchtenden Wecker, der selbst die letzte Schnarchnase zum Aufstehen zwingt, gibt es schon. Doch der macht Ärger.

Clocky rast auf Rädern wie ein Irrer durchs Kinderzimmer.
Clocky rast auf Rädern wie ein Irrer durchs Kinderzimmer.
Quelle: Katja Fischer

«Clocky ist witzig, aber geht uns schon beim ersten Alarm auf den Zeiger. Er weckt nicht nur meine Tochter, sondern gleich das ganze Haus auf. Meine Tochter findet ihn zwar cool. Ich hingegen würde das Ding am liebsten gegen die Wand knallen», schreibt meine Kollegin Katja Fischer in ihrem Testbericht. In den Bewertungen heisst es sogar: «Irgendwann will man ihn einfach nur töten.»

«Clocky» kann abhauen, wenn «Micro Bot» kommt

Vielleicht wird «Clocky» bald von einem besseren Produkt namens «Micro Bot» verdrängt, das beim Wecken nicht direkt Mordgedanken auslöst. Nur der angekündigte Preis von 10’000 Franken könnte zum Problem werden. Aber da ich einige Plakate von echten Marketingtalenten gesehen habe, wird sich schon ein Spin finden: High Performer holen das Geld durch ihre gesteigerte Produktivität locker wieder rein, denn Morgenstund’ hat bekanntlich Gold im Mund.

Total kindisch! Statt Ausreden Lösungen erfinden

Und das Aufstehen wird sich künftig besser anfühlen, da viele nervige Alltagsaufgaben wegfallen werden. Denn das war die grösste Überraschung für mich: Statt Ausreden zu erfinden, warum sie das Zimmer mal wieder nicht aufräumen können, erfinden die Kinder mit Vorliebe Roboter, die genau das tun.

Ordnung ist das halbe Leben – und die Kinder verbringen ihre Zeit lieber in der anderen Hälfte. Da ist es doch schön zu wissen, dass die Roombas und Dreames, die sich heute mit Mühe über ein paar Zentimeter hohe Stufen wuchten, bald durch eine fliegende Aufräum-Armada mit Kulleraugen und Stupsnasen ersetzt werden.

Menschenfreundliches Design können Kinder einfach besser.
Menschenfreundliches Design können Kinder einfach besser.
Quelle: Michael Restin

Natürlich wird nicht jedes Projekt weiterverfolgt werden. Auch das gehört zum Leben. Der «Hausaufgabenmacher», der Aufsätze schreibt und Matheaufgaben löst, könnte trotz fünfzig Prozent Rabatt einen schweren Stand gegen ChatGPT haben. Andererseits ist es beruhigend, dass dieser Gedanke den Kindern anscheinend noch nicht gekommen ist.

Bei ihren Entwürfen handelt es sich um geniale Originale. Und die nächste gute Idee, in die sich kein Erwachsener so gut wie ein Kind hineinsteigern kann, ist garantiert nur einen freien Nachmittag entfernt.

So, jetzt entschuldige mich bitte. Ich bin da an einer heissen Geschichte dran und muss klären, wann «Randy, die praktische Reservehand» bei Galaxus ins Sortiment aufgenommen wird ...

Kinder, wie die Zeit vergeht! Daniel Düsentrieb ist inzwischen auch schon 72 Jahre alt – aber kreativ wie eh und je.
Kinder, wie die Zeit vergeht! Daniel Düsentrieb ist inzwischen auch schon 72 Jahre alt – aber kreativ wie eh und je.
Quelle: Michael Restin
Titelbild: Shutterstock

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