«Fort Solis» im Test: Ein kleiner Weltraum-Snack vor «Starfield»
«Fort Solis» ist ein spannender Psycho-Thriller in einem futuristischen Weltraum-Setting. Die Grafik und Atmosphäre sind hervorragend. Das langsame Spieltempo und die kurze Spieldauer könnten jedoch viele Sci-Fi-Fans abschrecken.
Ich befinde mich auf einer verlassenen Forschungsstation auf dem Mars. Von irgendwo her ertönt ein dumpfes Geräusch. War es der Sturm, der draussen wütet? Bin ich wirklich alleine hier? Vorsichtig bewege ich mich durch einen engen Korridor, um der Quelle des Geräusches nachzugehen. Es ist dunkel. Meine einzige Lichtquelle ist eine defekte Neonröhre im Gang. Im flackernden Licht bemerke ich, dass der Boden blutverschmiert ist. Okay, ich bin definitiv nicht alleine hier.
Solche Szenen erlebe ich in «Fort Solis» am laufenden Band. Der Weltraum-Thriller entführt mich auf ein nervenaufreibendes Abenteuer auf dem roten Planeten. Das Game fesselt mich mit seiner Geschichte, der bedrückenden Atmosphäre sowie der schaurig-schönen Grafik an den Controller. Trotzdem kann ich es nicht uneingeschränkt weiterempfehlen.
Worum geht es in «Fort Solis»?
Ich übernehme die Rolle von Jack Leary, einem Ingenieur auf dem Mars. Zusammen mit seiner Arbeitskollegin Jessica ist er für Reparaturen an Forschungsstationen zuständig. Während einer Reparaturmission erreicht Jack ein ungewöhnlicher Notruf aus der abgelegenen Bergbaustation Fort Solis. Er beschliesst, dem Hilferuf nachzugehen und begibt sich in einem Mars-Rover zu besagter Einrichtung.
Dort angekommen, wird schnell klar, dass etwas nicht stimmt. Die gesamte Station befindet sich im Lockdown. Nach einer gefährlichen Klettereinlage erreiche ich eine Notfalltüre, die ich mit meinen Hightech-Tools öffnen kann. Für den Rest des Spiels erkunde ich die verlassene Einrichtung. Mein Ziel ist es, herauszufinden, was in Fort Solis passiert ist. Wieso ist die Station im Lockdown? Warum fehlt von der Crew jede Spur? Und was hat es mit diesen Blutflecken auf dem Boden auf sich?
Wie spielt sich «Fort Solis»?
Dunkle Korridore. Blutverschmierte Wände. Flackernde Lichter. Visuell erinnert das Game bisweilen an den Horror-Klassiker «Dead Space». Actionreiches Gameplay mit Ballereinlagen solltest du aber nicht erwarten. «Fort Solis» ist ein traditioneller Walking-Simulator. Das Gameplay besteht zu 90 Prozent aus Herumlaufen und Sachen begutachten.
Neben herumliegenden Items und Hinweisen finde ich auf meiner Entdeckungstour auch Computer-Terminals mit E-Mail-Nachrichten und Videologs. Mit jedem weiteren Hinweis erhalte ich ein kleines Puzzlestück, das mir hilft, das Mysterium hinter Fort Solis zu lösen.
Frei erkunden kann ich die Forschungsstation nicht. «Fort Solis» ist ein lineares Spielerlebnis. Zu Anfang meines Abenteuers bleiben viele Türen versperrt. Im Verlauf der Untersuchung sammle ich spezielle Keycards, die mir Zugang zu bisher verschlossenen Gebieten geben. Mit diesem System nimmt mich das Game an die Hand und führt mich effizient durch die Story. Das hat den Vorteil, dass ich mich nicht verlaufen kann und das Erzähltempo somit konstant bleibt. Ein bisschen mehr Freiheit hätte ich mir trotzdem gewünscht.
Beim Herumlaufen hätte das Spiel zudem mehr Tempo vertragen. Jack bewegt sich nur sehr langsam durch die Forschungsstation. Wirklich sehr langsam. Ich kann mir vorstellen, dass das träge Gehtempo für viele Spielerinnen und Spieler ein K.-o.-Kriterium sein könnte. Ja, «Fort Solis» ist ein Walking Simulator. Aber mit Jacks gemütlichem Spazieren überspannt das Entwicklerstudio Fallen Leaf den Bogen.
Hervorragendes Schauspiel und Hammer Grafik
Trotz behäbigem Spieltempo hat mir das Erkunden von Fort Solis Spass gemacht. Das liegt unter anderem an den hervorragenden schauspielerischen Leistungen. Jack wird gesprochen von Roger Clark – bekannt als Arthur Morgan in «Red Dead Redemption II». Auf seiner Rettungsmission ist er per Funk mit seiner Arbeitskollegin Jessica verbunden. Diese wird von der Schauspielerin und Sängerin Julia Brown gespielt. Das ständige Hin- und Her zwischen den beiden ist fantastisch geschrieben und dargeboten. Die Konversationen lockern das Geschehen auf und geben den Figuren zusätzlichen Tiefgang.
Ebenfalls ganz grosses Kino ist die Performance von Troy Baker – bekannt unter anderem als Joel in «The Last of Us». Er spielt einen mürrischen Doktor, den ich durch diverse Videoaufzeichnungen kennenlerne.
Das Storytelling profitiert ebenfalls von der teilweise atemberaubenden Grafik des Spiels. «Fort Solis» wurde in der Unreal Engine 5 umgesetzt. Und diese lässt so richtig ihre Muskeln spielen. Die atmosphärische Beleuchtung, die imposante Partikeleffekte und die unglaublich detaillierten Innenräume sorgen für eine dichte Atmosphäre. Die grafische Pracht ist umso beeindruckender, wenn man bedenkt, dass das Game in gerade mal zwei Jahren mit einem Team von 15 Personen entwickelt wurde.
Ganz perfekt ist die grafische Darstellung aber nicht. Auf der PS5 laden Texturen teils nur sehr langsam. Einige Objekte werden dadurch verschwommen dargestellt. An manchen Stellen scheint das Game zudem Probleme mit der Beleuchtung zu haben. Vor allem in dunkleren Räumen mit rötlichem Licht bewegen sich Schatten auf reflektierenden Oberflächen komisch hin- und her. Das nervt, hat mich aber nie aus der Spielerfahrung herausgerissen.
Eine spielbare Netflix-Serie?
«Fort Solis» ist ein sehr kurzes Game. Gemäss Entwicklerstudio war das eine bewusste Entscheidung. Man wollte eine «spielbare Netflix-Serie» erschaffen, die man am Stück durchsuchten oder in einzelnen Episoden geniessen kann. Das Game ist in vier Kapitel unterteilt, die teils mit fiesen Cliffhangern enden. Ich habe alle Kapitel am Stück in ungefähr vier Stunden durchgespielt. Willst du wirklich alles vom Spiel sehen, kannst du nochmal ein bis zwei Stunden Spielzeit dazurechnen.
Ist das zu kurz für ein Game? Ich finde nicht. «Fort Solis» ist kein Vollpreisspiel. Für rund 30 Franken oder Euro bekomme ich ein intensives und gut erzähltes Spielerlebnis. Für mich geht die Rechnung auf. Ich bin sogar froh, kann ich mal ein Game testen, das nicht über 50 Stunden lang ist. Zwischen den gigantischen RPG-Blockbustern «Baldur's Gate III» und «Starfield» kommt mir so ein kleiner Snack gerade recht.
Fazit: Ein super Snack für zwischendurch – solange du dich darauf einlässt
«Fort Solis» ist ein sehr langsames Spiel – sogar für einen Walking Simulator. Das Gameplay bietet neben dem Herumlaufen und Erkunden nicht viel Tiefgang. Zudem ist es mit vier Stunden Spielzeit sehr kurz geraten. Aufgrund dieser Kritikpunkte kann ich den Titel nicht bedingungslos weiterempfehlen. Du musst genau wissen, worauf du dich einlässt, sonst wirst du das Game nach wenigen Spielminuten enttäuscht deinstallieren oder frustriert negative Steam-Reviews hinterlassen.
Ich wusste, worauf ich mich einlasse und hatte viel Spass auf meinem Mars-Ausflug. Die wunderschöne Grafik, die spannende Story und die brillanten schauspielerischen Leistungen haben mich überzeugt. Der schöne Nebeneffekt: Nach dem kleinen Weltraum-Snack habe ich jetzt so richtig Bock auf ein grosses Weltraum-Abenteuer – «Starfield» kann kommen.
«Fort Solis» ist erhältlich für PS5 und PC. Das Spiel erscheint zu einem späteren Zeitpunkt auch für Mac.
Titelfoto: Domagoj BelancicMeine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.