Produkttest

FIIO JM21 im Test: der Walkman fürs Hi-Res-Zeitalter

Musik bewusst hören – nicht einfach nur nebenbei: Der FiiO JM21 bringt das Gefühl von Mixtapes, Walkman und HiFi zurück. Aber ist das nur Nostalgie, oder lohnt sich das auch heute noch?

Erstmals unterwegs Musik hören – Anfang der 1990er-Jahre war das für mein 12-jähriges Ich eine ganz neue Lebensqualität. Der Soundtrack zu meiner Jugend wurde zuerst von einem Sony Walkman gespielt, bald aber auch schon von einem tragbaren Technics CD-Player.

Kurz vor der Jahrtausendwende habe ich eigene House-Mixtapes aufgenommen – und zwar direkt auf MiniDisc. Natürlich hatte ich auch den passenden portablen Player, und sogar mein erstes Auto, ein Peugeot 106, bekam ein Sony-Autoradio mit MiniDisc-Slot spendiert.

Später lösten MP3-Player von Archos oder Apple die physischen Tonträger ab. Meine ganze CD-Sammlung habe ich digitalisiert und danach auf Flohmärkten für einen Franken das Stück verscherbelt. Seit rund zehn Jahren gehört aber auch das Konzept «Musik besitzen» für mich der Vergangenheit an – Spotify und Apple Music sind schuld.

Eine Reise in die Vergangenheit

Für mich ist der Test des FiiO JM21 gleich in mehrerlei Hinsicht eine Reise in die Vergangenheit. Optik, Grösse und Gewicht des Musikplayers erinnern an den Walkman. Die Tasten aussen, mit denen ich Musik starten und stoppen sowie von Titel zu Titel springen kann, könnten vom Technics-Discman stammen.

Den Bügelkopfhörer habe ich aus nostalgischen Gründen fürs Foto genutzt, im Gerät selber ist aber moderne Technik drin.
Den Bügelkopfhörer habe ich aus nostalgischen Gründen fürs Foto genutzt, im Gerät selber ist aber moderne Technik drin.

Die Dateiverwaltung und der Speicherkarten-Slot kommen mir aus der MP3-Player-Zeit bekannt vor. Da auf dem FiiO JM21 mit 4,7-Zoll-Touchscreen jedoch Android 13 läuft, kann ich – wie vom Smartphone gewohnt – über den Play Store alle möglichen Apps installieren.

Primär ist das Gerät aber schon als Musikplayer gedacht. Dafür sind die Knöpfe da, dafür gibt’s gleich zwei Klinkenbuchsen mit 3,5 mm und 4,4 mm , die sogar gleichzeitig genutzt werden können und mit einem Kopfhörerverstärker ausgerüstet sind. Der integrierte Musikplayer ist für diverse Hi-Res-Musikformate ausgelegt, beispielsweise AIFF, FLAC, WAV oder DSD. Auch kabellos kann über Bluetooth 5.0 mit aptX HD, LDAC und AAC in hoher Qualität Audio übertragen werden.

Gespart hat der Hersteller leider am internen Speicherplatz. Das ist schade, da Hi-Res-Audiodateien viel Platz brauchen. 32 GB sind zwar inklusive, lassen sich mit Speicherkarten aber immerhin bis 2 TB erweitern.

Unten am Player findest du zwei Anschlüsse für Kopfhörer oder HiFi-Anlage.
Unten am Player findest du zwei Anschlüsse für Kopfhörer oder HiFi-Anlage.

Und woher kommt der Sound?

Streaming-Dienste wie Spotify oder Apple Music bieten primär komprimierte Musik an – anders als Konkurrenten wie Tidal, die sich auf Hi-Res-Audio spezialisiert haben. Kollege Florian hat kürzlich die besten Tipps zum Hochleistungs-Streaming zusammengefasst.

  • Ratgeber

    Tidal: Fünf Tipps für den HiFi-Streamingdienst

    von Florian Bodoky

Für den Test habe ich aber den klassischen Weg gewählt. Ich habe mir wie früher Musik gekauft. Und zwar beim deutschen Audiospezialisten Highresaudio.com, einem der Portale, die sich auf hochwertigen Sound spezialisiert haben.

Hier findest du viel klassische Musik, Jazz und Blues – aber auch Pop, Rock und Charts. Bei jedem Album findest du die Angabe, in welchen Dateiformaten es verfügbar ist. Highresaudio.com verspricht bei allen verfügbaren Titeln «geprüfte, native und originale 24-Bit-Studio-Masterqualität».

Alben gibt’s ab fünf Euro, die meisten kosten um die 15 oder 16 Euro. Für den Test habe ich mir «Myriaden» der deutschen Rockband Selig und einen Sampler mit Filmmusik von Hans Zimmer gekauft. Wer sich anmeldet, kann auch gratis einen Mix-Sampler mit Hi-Res-Audio herunterladen – so kannst du unverbindlich in die neue Audiowelt hineinhören.

Als Kopfhörer nutze ich den Sony WH-1000XM5 – den ich qualitativ, wie den Player auch, in der Mittelklasse sehen würde. Der grosse Vorteil dieses Modells: Ich kann ihn per Kabel an den FiiO JM21 anschliessen und umgehe so den potenziellen Qualitätsverlust bei der Bluetooth-Übertragung.

Sony WH-1000XM5 (NC, 30 h, Kabellos, Kabelgebunden)
Kopfhörer
EUR279,99

Sony WH-1000XM5

NC, 30 h, Kabellos, Kabelgebunden

Plötzlich stehe ich im Studio

Für den Test vergleiche ich den Selig-Song «Süsser Vogel» in der heruntergeladenen FLAC-44.1-kHz-Qualität mit der Spotify-Standard-Audioqualität. Das ist problemlos möglich, da der FiiO JM21 ja ein normales Android-Gerät ist und ich die App einfach im Play Store herunterladen kann.

Und ich traue meinen Ohren kaum: In der Hi-Res-Version klingt der Song viel voller und näher. Der Unterschied ist schon nach den ersten Takten deutlich hörbar. Auf Spotify tönt «Süsser Vogel» recht flach, die Stimme von Sänger Jan Plewka dominiert das Intro.

In der Aufnahme mit weniger Kompression sind Bass, Klavier, Schlagzeug und Gitarre viel ausgewogener. Beim genauen Hinhören bemerke ich auch Details, die in der Spotify-Version unmöglich zu hören sind – beispielsweise, dass jeweils der siebte Schlag aufs Hi-Hat deutlich leiser ist. Ich bekomme das Gefühl, dass ich selbst mitten im Studio stehe und mitverfolgen kann, wie sich der Song langsam aufbaut. Pauke und Streicher kommen dazu – ein dichtes Konstrukt, das ich beim Hören aber auch wieder in die Einzelteile zerlegen kann.

Im Musikplayer von FiiO kann ich diverse Einstellungen vornehmen. Ich nutze für den Test die Standards.
Im Musikplayer von FiiO kann ich diverse Einstellungen vornehmen. Ich nutze für den Test die Standards.

Wucht des Orchesters

Auch bei den Orchesterwerken von Filmkomponisten Hans Zimmer sind deutliche Unterschiede hörbar. Ich kann diese am besten so beschreiben: Bei Spotify klingt die Musik so, als würde sie von einem Kammerorchester im Stadttheater Winterthur gespielt. Und ich sitze als zuhörende Person in der letzten Reihe. Bei der HiRes-Aufnahme stehe ich gefühlt direkt neben dem Dirigenten, vor mir ein Symphonieorchester in einem akustisch herausragenden Konzertsaal wie beispielsweise dem KKL in Luzern oder der Tonhalle in Zürich. Das Intro der «Dune-II-Suite», gespielt von einem verzerrten Elektro-Cello, entwickelt in hoher Qualität eine ganz andere Wucht. Sogar auf meinen eher mittelmässigen Sony-Kopfhörern spüre ich das Dröhnen in allen Facetten – in der Spotify-Version wirkt es hingegen eher wie eine Tröte.

Lohnt sich so ein HiRes-Player?

Der grosse Vorteil des FiiO JM21 ist, dass er die Einstiegshürden tief hält. Zum Testzeitpunkt kostet das Gerät rund 240 Franken – das ist ein fairer Preis für ein Komplettsystem. Du kannst Musik als Datei genauso abspielen, wie du deinen bevorzugten Streaming-Dienst nutzen kannst.

Trotzdem sind alle Basics für qualitativ hochwertigen Audiogenuss mit an Bord: Der Player unterstützt die wichtigsten Hi-Res-Formate. Über die Tasten an der Seite lässt sich die Musik direkt starten. Und dank den zwei Anschlüssen für Klinkenstecker kann ich per Kabel sowohl Kopfhörer als auch eine klassische Stereoanlage anschliessen. Die Akkulaufzeit ist in Ordnung: Ich konnte im Test ziemlich genau zwölf Stunden lang Musik hören, bevor ich den Player wieder aufladen musste.

Die Tasten sind übrigens Segen und Fluch zugleich: Ich kann damit die Musik starten, ohne den Player einschalten zu müssen. Das ist praktisch – passiert manchmal aber auch, wenn ich das Gerät im Rucksack transportiere. Ein Schiebeschalter zur Sperrung wäre da sicher praktisch.

Über die Knöpfe an der Seite kann ich den Musikplayer direkt bedienen.
Über die Knöpfe an der Seite kann ich den Musikplayer direkt bedienen.

Der Qualitätsunterschied ist durchaus hörbar – aber nur, wenn du auch bereit bist, dafür zu investieren. Du brauchst zumindest einen Hi-Res-Streamingdienst. Noch besser (aber auch noch teurer) ist es, wenn du dir die Musik als Datei kaufst. Kabelgebundene, hochwertige Kopfhörer oder auch eine entsprechende Hi-Fi-Anlage sind ebenfalls Pflicht. Du musst also bereit sein, dich darauf einzulassen – und auch die Kosten dafür zu tragen.

Zum Vergleich habe ich dieselben Songs noch über die LinkBuds Oben von Sony gehört. Bei der Bluetooth-Verbindung sind kaum noch Unterschiede zwischen normalem Spotify-Streaming und den FLAC-Musikdateien wahrzunehmen. Für diesen Einsatzbereich lohnt sich der separate Player also nicht.

Sony LinkBuds Open (keine Geräuschunterdrückung, 8 h, Kabellos)
Kopfhörer
EUR152,59

Sony LinkBuds Open

keine Geräuschunterdrückung, 8 h, Kabellos

Trotz des hörbaren Qualitätsgewinns werde ich persönlich nicht auf Hi-Res wechseln. Zu oft höre ich Musik einfach nur nebenbei, zu sehr schätze ich an Spotify die Podcast-Auswahl, die kuratierten Playlists und die Möglichkeit, unendlich viele Bands zu entdecken. Die musikalische Reise in die Vergangenheit (und auch in die Zukunft) habe ich aber sehr genossen.

Fazit

Musikgenuss statt Streaming-Fastfood

Der FiiO JM21 ist ein gutes und preiswertes Einsteigergerät in die Welt von Hi-Res-Audio. Es lohnt sich aber nur, wenn du bereit bist, auch Geld in einen guten Kopfhörer und in Medien mit besserer Audioqualität zu investieren.

Der FiiO JM21 überzeugt fürs bewusste Musikhören mit hochwertigem Equipment. Beim Bluetooth-Streaming über Apple Music oder Spotify hast du gegenüber deinem Alltags-Smartphone kaum einen Vorteil.

Pro

  • Walkman-Design
  • zwei Audioanschlüsse
  • fairer Preis
  • einfache Bedienung
  • Knöpfe für die Musiksteuerung

Contra

  • nicht die neuste Android-Version und keine Updates
  • Hi-Res-Audio braucht Investitionen

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