Shokz OpenFit
ANC, 7 h, Kabellos
Open-Ear-Kopfhörer sollen Hörgenuss verschaffen, dich aber nicht von deiner Umgebung abkapseln. Die Shokz «Open Fit» scheinen für eine Outdoorsportlerin wie mich eine gute Wahl. Warum ich dennoch nicht restlos begeistert bin, erfährst du hier.
Über Kopfhörer coolen Beats zu lauschen und dabei meine Umgebung weiterhin wahrnehmen zu können, fasziniert mich. Denn beim Laufen, Biken und Skaten möchte ich hören, wenn sich ein Auto nähert oder etwas anderes meine Aufmerksamkeit fordert.
Deshalb habe ich die Marke Shokz (früher Aftershokz) schon länger auf dem Radar. Bisher hat sie sich durch ihre Knochenschall-Technologie einen Namen gemacht. Dabei werden die Audiosignale über den Wangenknochen auf den Hörnerv übertragen.
Beim Shokz Open Fit ist das anders. Hier sitzen kleine Lautsprecher über dem Ohr. Diese leiten den Schall in den Gehörgang und somit aufs Trommelfell. Da die Lautsprecher den Gehörgang aber nicht abdecken, sollen Umgebungsgeräusche gut hörbar bleiben. Damit entfernt sich Shokz von der Knochenschall-Technologie und bietet zum ersten Mal ein Gerät der Open-Ear-Kategorie an.
Da die Kopfhörer nicht wie andere Modelle in den Gehörgang gesteckt werden, sondern locker darüber schweben, müssen sie mit einem Bügel aus weichem Silikon über der Ohrmuschel fixiert werden. Das geht einfach, aber bei mir sitzen die Kopfhörer nicht perfekt. Das kann an meiner Ohrgrösse und -form liegen. Vielleicht ist es bei dir anders. Denn das Design ist durchdacht: Den kleinen Akku hat der Hersteller am Ende des Bügels platziert, so dass er das Gewicht des Lautsprechers ausbalanciert. Verstellen lassen sich die Kopfhörer aber nicht.
Ich jedenfalls bin mit der Passform trotz des guten Designs nicht voll zufrieden. Bei Auf- und Abbewegungen, wie sie bei Sprints und beim Bergablaufen vorkommen, wackeln die Kopfhörer leicht. Dadurch bin ich immer etwas besorgt, ob sich die Teile nicht doch aus meinen Ohren und in Richtung Boden bewegen. Was beim Laufen nicht passiert, sondern hinterher, als ich ein frisches Shirt anziehen will.
Obwohl die Kopfhörer nur jeweils gute acht Gramm auf die Küchenwaage bringen, sind sie nicht so komfortabel zu tragen wie erwartet. Nach etwa einer Stunde empfinde ich den – zugegebenermassen leichten – Druck auf die Ohrmuschel als unangenehm, sodass ich die Mini-Lautsprecher aus meinen Ohren entferne. Kleiner Hinweis: Das Komfort-Empfinden ist natürlich individuell. Ich habe recht empfindliche Ohrmuscheln und auch Ear-Buds und In-Ear-Kopfhörer stören mich nach einiger Zeit.
Wenn sie nicht auf den Ohren sitzen, wohnen die Kopfhörer in einer kompakten Ladebox, die gut in Laufgurt oder -rucksack passt. Die Box hat zudem eine Schnellladefunktion: Nach fünf Minuten in der Kiste haben die kleinen Lautsprecher wieder Energie für eine Stunde. Das nenne ich ein effektives Powernap.
Die Kopfhörer haben nach Herstellerangaben eine Batterielaufzeit von sieben Stunden und können mit Hilfe der Ladebox noch mehrfach bis zu insgesamt 28 Stunden nachgeladen werden. Das deckt sich mit meiner Erfahrung. Mit einer Ladung hielten die Kopfhörer knapp sieben Stunden. Allerdings hörte ich Musik nur in mittlerer Lautstärke und lauschte mehr als zwei Stunden einem Hörbuch. Die Box zeigt den Ladestand beim Öffnen durch ein grünes, oranges oder rotes Licht an. Wer es genauer wissen möchte, kann den Ladestand auch in der App einsehen. Das Aufladen erfolgt in der Box durch das mitgelieferte USB-A zu USB-C-Kabel.
Der Akku reichte bisher locker für alle meine Läufe, allerdings ist die Batterielaufzeit im Vergleich zu anderen Modellen nicht überragend. Die Open-Run-Pro-Kopfhörer bringen es beispielsweise auf eine Nutzungsdauer von rund zehn Stunden, dagegen fallen die sieben Stunden des Open Fit deutlich ab.
Jetzt kommt das für mich grösste Manko der Open-Fit-Kopfhörer: Die Bedienung. Gesteuert werden «Pause», «Lautstärke» und «Song überspringen» per Touch-Funktion an den Teilen des Kopfhörers, die vor dem Gehörgang sitzen. Theoretisch. Bei mir klappte das auf Anhieb gar nicht. Als ich beim Joggen eine Freundin traf und die Musik für einen Chat kurz unterbrechen wollte, tippte ich wieder und wieder auf die kleinen Flächen, bis die Musik endlich stoppte.
Später versuche ich es wieder mit den Touch-Controls, dieses Mal, um die Lautstärke zu regeln. Auch das gelingt mir nicht sofort. Während des Laufens treffe ich die Stelle auf dem Kopfhörer offensichtlich nicht genau. Und als ich mir die Haare zurückschiebe, komme ich ungewollt an den unsichtbaren Pausenschalter. Erst nach mehrfachem Tippen spielt die Musik wieder weiter.
Da sich die Kommandos für die Mini-Touchpads auch per App individualisieren lassen, versuche ich auch das. Mit einem Doppeltap auf den linken Kopfhörer sollte ich jetzt das Abspielen unterbrechen und wieder starten können. Das zweifache Antippen des rechten Kopfhörers sollte den aktuellen Song überspringen. Mit einem einfachen Tap rechts wird die Musik lauter und mit der selben Handbewegung links wieder leiser.
Auch das funktioniert bei mir nicht zuverlässig, vor allem beim Sport, wenn die Bewegung das präzise Tappen erschwert. Dazu kommt: Wenn ich die gefühlt zu locker sitzenden Kopfhörer wieder in die optimale Position bringen will, verstelle ich ebenfalls unbeabsichtigt die Lautstärke oder stoppe die Wiedergabe ganz.
Ich hätte mir bei den Open-Fit-Kopfhörern kleine, tastbare Knöpfe wie beim Open-Run-Pro-Modell gewünscht, das ich vor einigen Monaten getestet habe. Und einen Aus-Knopf. Mit dem ich die Kopfhörer ausschalten kann, selbst wenn sie nicht im Case schlummern.
Das Verbinden mit dem iPhone und das Wechseln zwischen iPad und iPhone klappte bei mir trotz Multipoint-Pairing nicht jedesmal reibungslos. Mehrfach musste ich die Bluetooth-Verbindung auf meinem iPad ausschalten und dadurch das Gerät und Kopfhörer trennen, bevor ich auf dem iPhone Musik hören konnte.
Meine übliche Laufstrecke geht über Feldwege und durch ein Waldstück. Vogelgezwitscher, das Rauschen eine Baches und herannahende Velofahrer höre ich ausreichend deutlich. Den Klang der Musik und vor allem die kraftvollen Bässe finde ich für einen Open-Ear-Kopfhörer überraschend gut. Der Sound ist lebendig, ausbalanciert und nuanciert. Hier bietet der Open Fit mehr als der Open Run Pro mit Knochenschall-Technologie. Allerdings kommt ein solcher Kopfhörer naturgemäss nicht an den Klang eines rein auf Audiogenuss ausgelegten Kopfhörers heran. Ist ja klar.
Kernstück der Mini-Lautsprecher ist die vom Hersteller so benannte «DirectPitch»-Technologie. Dabei wird – vereinfacht gesagt – der Schall so gelenkt, dass der Abstand zum Gehörgang und Trommelfell möglichst klein ist und der Grossteil der Schallwellen in die richtige Richtung gehen. Das funktioniert recht gut, denn es dringt sehr wenig von meiner Musik nach aussen, wie mir mehrere Personen bestätigten.
In relativ ruhiger Umgebung geht das Konzept der Open-Fit-Kopfhörer somit für mich auf: Ich geniesse die Beats und später das Hörbuch, während ich durch die Landschaft trabe. Anders sieht es aus, als ich an einer belebten Strasse entlang laufe. Dort muss ich die Lautstärke richtig hochpushen (das ist ja für mich mit den Touch-Controls nicht so einfach), um überhaupt etwas zu hören. Gemischt mit Strassenlärm und den Geräuschen des aufkommenden Windes ist der Hörgenuss futsch.
Als nächstes nehme ich die Kopfhörer mit ins Gym. Auch hier bin ich wenig begeistert. Die Sounds auf meinem Kopfhörer mischen sich mit der Hintergrundmusik – ein furchtbarer Mix. Besser funktioniert es mit einem Podcast. Dennoch gibt es für das Gym sinnvollere Alternativen, beispielsweise Noise-Cancelling Headphones. Schliesslich möchte ich den lauten Knall von Hantelscheiben, die auf den Boden fallen, und das schmerzvolle Stöhnen von besonders hart Trainierenden so weit wie möglich ausblenden.
Apropos Noise-Reduktion: Diese Funktion haben die Open-Fit-Kopfhörer nur beim Mikrofon. Ansonsten würde das Konzept der Umgebungswahrnehmung ja keinen Sinn ergeben. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz wird deine Stimme beim Telefonieren gefiltert und Umgebungsgeräusche unterdrückt. Das klappte sehr gut, denn bei einem Testanruf, den ich neben einem rauschenden Bächlein entgegennahm, konnte mich der Anrufer gut verstehen und nicht erraten, wo ich mich befand.
In der App gibt es vier Equalizer-Modi plus die Möglichkeit einer selbst konfigurierten Einstellung. Für mein Hörempfinden reicht die Standard-Einstellung und die Einstellung für das gesprochene Wort für Telefonate. Bei Podcasts und Hörbüchern bevorzuge ich den Standard. Die Gespräch-Einstellung klingt dagegen für diese Anwendung etwas blechern.
Die App (für iOS und Android) ist optional: Du kannst, musst sie aber nicht nutzen. Das gefällt mir, denn je unkomplizierter ich erst einmal mit einem Produkt loslegen kann, umso besser. Wenn ich dann den Wunsch habe, bestimmte Features anzupassen, kommt die App ins Spiel. Das war bei mir bei den Touch-Controls der Fall, so dass ich die für mich intuitivste Tastenbelegung einstellen konnte.
Je länger ich die Kopfhörer nutze, desto häufiger denke ich, dass es sich bei den «Open Fit», anders als bei den «Open Run Pro», nicht speziell um Sportkopfhörer handelt. Denn für den Sport ist das Touchpad zu klein und sensibel. Und zumindest bei mir sind weder Hörerlebnis wegen der erforderlichen hohen Lautstärke noch die Passform optimal. Die im Vergleich zu anderen Sportkopfhörern niedrige IP54-Schutzstufe, die anzeigt, dass die Kopfhörer staub- und spritzwassergeschützt sind, schreit auch nicht gerade nach heftigem Outdoor-Einsatz.
Deshalb sehe ich die Kopfhörer eher als Alltagsgerät. Doch in welchem Szenario zeigen die Open Fit ihre Stärken? Im Grossraumbüro würde ich Noise-Cancelling-Headphones vorziehen. Im Gym wären mir Earbuds lieber, die Hintergrundgeräusche ausschalten, sich aber in einen Transparenz-Modus schalten lassen. So könnte ich Umgebung hören, wenn ich das wollte. Auch das Fehlen eines Ein- und Ausschalters ist nicht optimal, wenn ich die Kopfhörer zwischendurch ablege, aber nicht in die Box packe, da sie sonst weiter verbunden bleiben und ich Anrufe nicht einfach am iPhone entgegennehmen kann.
Eine klare Nische für die Open Fit sehe ich nicht. Und fürs Laufen und andere Sportarten bleibe ich bei den Open Run Pro. Diese bieten mir einen besseren Sitz, bessere Kontrolle und über die Knochenschalltechnologie ein weniger störanfälliges Hörerlebnis. Fast scheint es mir, als hätte Shokz mit dem Anspruch, alltagstaugliche Open-Ear-Sportkopfhörer zu bieten, etwas viel gewollt.
Pro
Contra
Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.