Die brisantesten Enthüllungen im Rechtsstreit zwischen Microsoft und FTC
Hintergrund

Die brisantesten Enthüllungen im Rechtsstreit zwischen Microsoft und FTC

Microsoft will Activision-Blizzard kaufen. Sony und die US-Handelsbehörde FTC sind dagegen. Vor Gericht mussten deshalb Microsoft und Sony die Hosen runterlassen und heisse Branchen-Geheimnisse verraten.

Die Game-Branche ist verschlossen. Genau wie jede andere Branche, die ihre Erfolgs- oder Misserfolgsgeheimnisse für sich behalten will. Beim Rechtsstreit zwischen Microsoft und der US-Handelsbehörde FTC gab es seltene Einblicke in die grössten Player der Game-Industrie.

Im Januar 2022 hat Microsoft bekannt gegeben, für rund 69 Milliarden US-Dollar Activision-Blizzard kaufen zu wollen. Es wäre die grösste Übernahme der Game-Geschichte. Entsprechend genau nehmen die Wettbewerbsbehörden der verschiedenen Länder, in denen Microsoft wirtschaftet, den Deal unter die Lupe.

Grossbritannien hat als erste wichtige Nation den Deal blockiert. Die Regulatoren fürchten Microsofts Vormachtstellung im Cloud-Gaming-Bereich. Gelassener sieht es die EU, die im Mai grünes Licht gab. Die letzte grosse Hürde heisst FTC: Die US-Handelsbehörde hat bereits im Dezember Klage gegen die Activision-Blizzard-King-Übernahme eingereicht. Die FTC fürchtet, dass Microsoft den Deal abschliesst, bevor die Klage vor Gericht gebracht werden kann. Darum ersucht sie eine Fristerstreckung durch ein einstweiliges Verfügungsverbot. So kam es zum Prozess vor dem Prozess.

Phil Spencer (links) und Satya Nadella mussten beide vor Gericht aussagen.
Phil Spencer (links) und Satya Nadella mussten beide vor Gericht aussagen.
Quelle: Youtube/Xbox

Aus diesem Grund musste in den letzten zwei Wochen alles, was Rang und Namen hat, vor Gericht antraben. Dazu gehören nicht nur der Xbox-Chef Phil Spencer und Microsoft-CEO Satya Nadella, sondern auch Jim Ryan. Der Playstation-Boss hat sich in den letzten Monaten vehement gegen den Deal ausgesprochen. Als Argument nennt er primär «Call of Duty». In den Händen von Microsoft könne das Spiel gegen die Playstation verwendet werden und dem Windows-Konzern einen unfairen Vorteil verschaffen. Warum er recht haben könnte, aber trotzdem flunkert, hat sich vor Gericht gezeigt. Und es ist längst nicht das einzige brisante Detail, das in den vergangenen Wochen ans Licht kam.

«Starfield» wäre beinahe Playstation-Exklusiv gewesen

Phil Spencer hat ausgesagt, dass das kommende Sci-Fi-Epos «Starfield» beinahe die Xbox übersprungen hätte. Sony war in Verhandlungen mit Bethesda, um das Spiel exklusiv für die Playstation zu bekommen. Damit wäre es den Weg von «Ghostwire: Tokyo» und «Deathloop» gefolgt – beides ebenfalls Bethesda-Titel, die ursprünglich nur für Playstation und PC erschienen. Darum habe sich Microsoft entschieden, den Bethesda-Mutterkonzern Zenimax zu übernehmen, um kompetitiv zu bleiben.

«Starfield» erscheint exklusiv für PC und Xbox. Das war nicht immer sicher.
«Starfield» erscheint exklusiv für PC und Xbox. Das war nicht immer sicher.
Quelle: Bethesda

Entgegen eigenen Aussagen hat Spencer 2021 mit dem Gedanken gespielt, alle Zenimax-Spiele, aktuelle und zukünftige, Xbox-, respektive PC-exklusiv zu machen. Das ist einem Chat-Verlauf zwischen Xbox CFO Tim Stuart und Matt Booty, Chef der Xbox Studio zu entnehmen. Schutz vor Exklusivität durch Exklusivität sozusagen. Durchgesickert ist auch, dass das kommende «Indiana Jones»-Spiel kein Multiplattform-Titel mehr wird, sondern die Playstation auslässt.

Sony macht sich keine Sorgen um die Playstation-Zukunft

Während sich Playstation-Chef Jim Ryan vor der Anhörung lautstark gegen Microsofts Übernahmepläne ausgesprochen hat, klingt es intern anders. In einer E-Mail schrieb er: «Es geht überhaupt nicht um Xbox-Exklusivität, sie denken grösser. Ich bin ziemlich sicher, dass «Call of Duty» noch viele Jahre auf der Playstation erscheinen wird». Er mache sich keine Sorgen um die Zukunft. «Mir wäre es lieber, wenn das nicht passiert wäre (die Activision-Übernahme, Anm. d. Red.), aber wir kommen schon klar, mehr als klar.»

Niemand mag exklusive Games

Microsoft-CEO Satya Nadella sagte vor Gericht, er sei gegen Konsolen-exklusive Spiele. Microsoft mache es nur, weil es Sony tut. Activision-CEO Bobby Kotick blies ins gleiche Horn. «Call of Duty» exklusiv zu machen, sei nicht im Interesse von Activision. «Wir würden 100 Millionen monatlich aktive Spielerinnen und Spieler eliminieren.»

«Call of Duty» macht 16 Milliarden US-Dollar pro Jahr

Warum sich ein Grossteil der Diskussion um «Call of Duty» dreht, wird spätestens dann klar, wenn man sich die Zahlen anschaut. In Sony-Dokumenten, die schlecht geschwärzt wurden, konnten brisante Details zum Multiplayer-Shooter entnommen werden. So haben 2021 eine Million Playstation-Userinnen und User ausschliesslich «Call of Duty» gespielt. Bei sechs Millionen betrug der Zeit-Anteil immerhin noch 70 Prozent. Und 14 Millionen Spielerinnen und Spieler zocken 30 Prozent der Zeit auf ihrer Playstation «Call of Duty».

Die geschwärzten Stellen sind immer noch leserlich.
Die geschwärzten Stellen sind immer noch leserlich.
Quelle: IGN

Alleine in den USA hat «Call of Duty» 800 Millionen US-Dollar im Jahr 2021 eingespielt. Weltweit sind es 1,5 Milliarden US-Dollar durch den Verkauf des Spiels. Die Zahl wächst auf exorbitante 13,9 oder 15,9 Milliarden US-Dollar, wenn Abo-Kosten, Zubehör und sonstige Zusatzkäufe miteinberechnet werden. Die exakte Ziffer ist im Dokument nicht genau lesbar. Und das sind nur die Zahlen für die Playstation.

Microsoft wollte Bungie, Sega, Square Enix und mehr

Interne Dokumente belegen, dass Microsoft in Betracht gezogen hat, noch weitere Studios zu kaufen. So gab es konkrete Pläne für Sega, Square Enix, Zynga, Bungie, Supergiant Games («Hades»), Niantic («Pokemon GO»), IO Interactive («Hitman») und viele mehr. Besonders nahe an einer Übernahme war Microsoft 2020 bei Sega. Damit wollte man den Einfluss in Japan stärken.

Cloud-Gaming-Flop

Microsofts Cloud-Gaming-Ambitionen scheinen nicht zu fruchten. Sarah Bond, die Xbox-Vize-Präsidentin, gab zu, dass der Dienst primär auf der Konsole benutzt werde, um Spiele zu spielen, bevor die Installation abgeschlossen sei. Das Ziel ist aber der gigantische Mobile-Markt. Tim Stuart, Finanz-Chef bei Xbox fügt hinzu: «Das Feedback ist, dass es einfach nicht gut genug ist, als Ersatz für irgendeine aktuelle Plattform.» Auch Spencer gibt sich in einer E-Mail ratlos: «Unsere Lösung ist nicht wirklich kundenorientiert, sondern basiert auf dem, was wir haben, und einer Hoffnung. Mir gefällt das nicht, aber ich bin nicht klug genug, um mir etwas anderes einfallen zu lassen.» Gehofft hat man, dass beispielsweise Jugendliche in Mumbai mit dem Dienst auf ihrem Handy «Halo» spielen. Stattdessen zocken sie Mobile-Games und die hat Microsoft nicht zu bieten.

Auch Cloud-Gaming-Geräte wie das Logitech G Cloud ändern nichts am fehlenden Interesse.
Auch Cloud-Gaming-Geräte wie das Logitech G Cloud ändern nichts am fehlenden Interesse.
Quelle: Microsoft

Publisher mögen Game Pass nicht

Game Pass ist unbeliebt, behauptet zumindest Ryan: «Ich habe mit allen Publishern gesprochen, und sie mögen Game Pass einstimmig nicht, weil er wertvernichtend ist.» Dass diese Aussage zumindest in Zweifel gezogen werden darf, bestätigen entgegengesetzte Meinungen wie die des «Football Manager»-Chefs Miles Jacobson: «Für uns ist die Bilanz auf allen drei Plattformen durchweg positiv.»
Activision-Chef Kotick wiederum teilt Ryans Meinung. Er würde «Call of Duty» zum Launch niemals über einen Abo-Dienst anbieten. Er glaubt, dass solche Modelle einen negativen finanziellen Einfluss haben.

Microsoft kann Sony aus dem Markt drängen

Microsoft gibt sich vor Gericht gerne als schwacher dritter Player hinter Sony und Nintendo. Eine E-Mail zwischen Xbox-Studio-Chef Matt Booty und Xbox CFO Tim Stuart zeichnet ein anderes Bild. «Wir (Microsoft) sind in einer einzigartigen Position, um Sony aus dem Geschäft zu drängen», schreibt Booty in einer E-Mail von 2019. Dabei bezog er sich auf Ausgaben in der Höhe von zwei oder drei Milliarden US-Dollar, um zu verhindern, dass die Konkurrenz zu einem späteren Zeitpunkt bei den Inhalten die Nase vorn habe. Google, welches damals noch mit seinem Streaming-Dienst Stadia mitmischte, sah man offenbar nicht als Gefahr. «Im Bereich Spiele ist Google drei bis vier Jahre davon entfernt, ein Studio aufzubauen und zu betreiben. Amazon hat keine Fähigkeit gezeigt, Spieleinhalte zu produzieren. Sony ist wirklich der einzige andere Anbieter, der mit Game Pass konkurrieren könnte», so Booty weiter.
Vor Gericht relativierte Microsoft die Aussage. Die E-Mail sei alt und die Strategie sei nie verfolgt worden.

E-Mails wie diese zeichnen ein anderes Bild, als es uns die Unternehmen weismachen wollen.
E-Mails wie diese zeichnen ein anderes Bild, als es uns die Unternehmen weismachen wollen.
Quelle: The Verge

«The Last of Us: Part 2» hat über 220 Millionen US-Dollar gekostet

Dass Sonys First-Party-Spiele teuer zu entwickeln sind, ist klar. Nun wissen wir auch, wie viel sie kosten. Die Informationen sind Dokumenten zu entnehmen, die ebenfalls nicht ausreichend geschwärzt wurden. Findige Journalistinnen und Journalisten entzifferten die Zahlen und die belegen, dass «The Last of Us: Part 2» über 220 Millionen US-Dollar gekostet hat. Bei «Horizon Forbidden West» beläuft sich die Summe auf 212 Millionen US-Dollar. Branchenkenner gehen gar davon aus, dass diese Summen noch konservativ berechnet sind. Mit allen Werbeausgaben dürften die Kosten eher bei 300 bis 400 Millionen US-Dollar liegen.

Activision hat sich bei der Switch verschätzt

«Wir haben die Gelegenheit für die letzte Generation der Switch verpasst», sagte Bobby Kotick auf die Frage, ob es «Call of Duty» für zukünftige Nintendo-Konsolen geben würde. Das würde er gerne ändern. Als er den Switch-Protoypen gesehen habe, sei er aber nicht beeindruckt gewesen. Kotick ging davon aus, dass die Switch wenig Anklang finden würde. Er gibt zu, dass das ein Fehler war.

PS5 Slim Ende Jahr, Handheld unter 300 US-Dollar

Um zu beweisen, dass die Switch im gleichen Markt spielt wie die Xbox und die Playstation, enthüllte Microsoft, dass Sony eine günstigere PS5 Slim plane. Die Konsole soll Ende 2023 erscheinen, kein Blu-ray-Laufwerk besitzen und 399,99 US-Dollar kosten. Microsoft doppelte nach mit dem möglichen Preis für den geplanten Playstation-Handheld. Project Q, der Spiele von der PS5 streamen kann, solle demnach unter 300 US-Dollar kosten.

Zum Handheld Project Q könnte dieses Jahr auch eine Playstation Slim kommen.
Zum Handheld Project Q könnte dieses Jahr auch eine Playstation Slim kommen.
Quelle: Sony

Die nächsten Konsolen kommen 2028

Im Zusammenhang mit Microsofts Versprechen, «Call of Duty» die nächsten zehn Jahre auf die Playstation zu bringen, wurde auch der Launch der nächsten Konsolengeneration verraten. «Dieser Zeitraum (des Zehnjahres-Deals) würde auf jeden Fall über den voraussichtlichen Start der nächsten Konsolengeneration (2028) hinausgehen.» Das wäre acht Jahre nach dem Launch der PS5/-Xbox Series und ein Jahr länger als die PS4/Xbox-One-Generation und wiederum gleich lang wie die PS3/Xbox350-Ära.
Quellen: IGN, The Verge, Stephen Totilo

Titelfoto: Starfield / Bethesda

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


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