Abgelaufene Kosmetik: Machen dich deine Beautyprodukte krank?
Hintergrund

Abgelaufene Kosmetik: Machen dich deine Beautyprodukte krank?

Abgelaufene Pflegeprodukte gehören in den Müll, nicht auf deinen Körper. Wenn du Cremes, Kosmetik und Co dennoch nutzt, läufst du Gefahr, dir Bakterien, Pilze, Viren und Schimmel auf die Haut zu schmieren oder sogar ernsthaft zu erkranken. Zeit, den Badezimmerschrank auszumisten.

Mein Allibert quillt über. Zu meiner Verteidigung: Die Hälfte der Pflegeprodukte, die sich im Badezimmerschrank tummeln, gehört dem Herrn, der neben Bett und Leben auch den Stauraum über dem Waschbecken mit mir teilt. Auf vielen Cremes, Deos, Parfüms, Shampoos, Rasierschaum-Spendern und Duschgels steht nämlich eindeutig «For Men» oder «Pour Homme». Falls man die Beschriftung überhaupt noch lesen kann. Denn einige unserer Pflegeprodukte haben ihre schönste und damit schönmachende Zeit definitiv schon länger hinter sich. Also weg damit.

Abgelaufene Kosmetik: Ordnung ist die halbe Gesundheit

Mit Ordnungswahn à la Marie Kondo hat das nichts tun. «Vielmehr können alte Beauty-Artikel zu einem Gesundheitsrisiko werden. Denn Bakterien, Pilze und Co könnten sich in den Produkten bedenklich vermehrt haben», sagt Dr. Amreen Bashir, Mikrobiologin an der Aston University's School of Life and Health Sciences im englischen Birmingham.

Unreinheiten, Gerstenkörner, Bindehautentzündungen, Juckreiz, Ausschläge und Reizungen sowie Wimpern- und Haarausfall seien dann noch die «kleineren» Übel. Es könne auch zu schweren Entzündungen, Infektionen oder allergischen Reaktionen kommen, warnt die Expertin.

Im Fokus der Forschung stand bislang vor allem dekorative Kosmetik. Denn während Shampoo oder Tagescremes meist rasch verbraucht werden, sind die Beauty-Helfer oft über einen längeren Zeitraum im Einsatz oder gammeln jahrelang in der Schublade vor sich hin. Außerdem werden sie meist auf Lippen oder Augen eingesetzt. Sensible Bereiche – denn diese Stellen reagieren nicht nur auf mögliche Verunreinigungen der Produkte. Von dort aus können Bakterien auch leicht ins Körperinnere gelangen.

Altes Make-up kann dir ernsthaft schaden

Der Kontakt mit den Keimen bedeutet nicht automatisch, dass du krank wirst. Dein Immunsystem bekämpft Krankheitserreger, die über die Schleimhäute oder winzige Hautverletzungen eindringen, in der Regel effektiv. «Wie viele Erkrankungen und Infektionen tatsächlich auf alte Kosmetik zurückzuführen sind, ist unklar. Denn die meisten Vorfälle werden nicht diagnostiziert und, falls doch, selten gemeldet. Aber das Risiko – auch für schwere Erkrankungen – ist definitiv gegeben, vor allem bei Abwehrgeschwächten», betont Bashir.

Dr. Amreen Bashir untersuchte in einer Studie außer Lippenstiften auch Eyeliner, Mascara und Beauty Blender – alle gebraucht und abgelaufen. Das Ergebnis: Neun von zehn der benutzten, getesteten Produkte waren mit Bakterien und Pilzen kontaminiert. Unter den Keimen fanden sich auch das Darm-Bakterium E.coli, das im schlimmsten Fall blutende Dickdarmentzündung auslösen kann, und Staphylokokken, die zu eitrigen Hautinfektionen führen können.

In einer Studie der London Metropolitan University untersuchte Dr. Paul Matewele Foundations, Lippenstifte und Glosses, die sich kurz vor oder auch kurz nach ihrem Ablaufdatum befanden. Er fand Bakterien, die Gastroenteritis, Harn- und Atemwegsinfekte, bakterielle Vaginose und – weniger überraschend – Akne auslösen können. Die alten Kosmetika wurden sogar positiv auf einen Bakterienstamm getestet, der Meningitis auslösen kann: eine Hirnhauterkrankung, die mitunter auch tödlich verläuft.

Schön und gesund: der richtige Umgang mit Kosmetik

«Schuld an der Keimlast sind mangelnde Hygiene und der nachlässige Umgang der Verbraucherinnen und Verbraucher mit den Produkten. Über die Finger, die Luft und unsaubere Beautyblender und Pinsel gelangen Keime, Staub und Schimmelsporen in die Artikel», sagt Studienleiterin Amreen Bashir. «Im feucht-warmen Klima des Badezimmers vermehren sich die Keime dann besonders gut.»

Ziemlich unappetitlich. Die Gesundheitsgefahr lässt sich aber eindämmen, wenn du die folgenden Tipps befolgst:

  • Saubere Sache: Vermeide Verunreinigungen, mische und verdünne Produkte nicht. Trage sie immer mit sauberen Händen auf. Am besten nutzt du einen Metallspatel, um z.B. Creme aus Tiegeln zu entnehmen. Schwämmchen, Pinsel und andere Auftraghilfen solltest du regelmäßig reinigen und austauschen.

  • Klappe zu, Deckel drauf: Öffne die Packung wirklich erst, wenn du den Inhalt auch benutzen willst. Lagere deine Tuben, Tiegel und Flaschen nach Gebrauch immer verschlossen. Beim Einkauf kannst du zu Produkten greifen, die den Kontakt des Inhalts mit Fingern und Luft minimieren, etwa Pumpspender.

  • Kühl ist cool: Du musst deine Kosmetik nicht im Kühlschrank lagern, aber du solltest sie vor Licht schützen und übermäßige Erwärmung vermeiden. Das Auto ist im Sommer sicher kein guter Aufbewahrungsort. Manchmal finden sich auch Herstellerempfehlungen zur richtigen Lagertemperatur auf den Verpackungen, die du beachten solltest.

  • Trocken-Zeit: Auch durch Wasser können Keime ins Produkt gelangen. Achte auf eine trockene Lagerung – auch von Artikeln, die im Nassbereich eingesetzt werden, wie Shampoo.

Mindestens haltbar bis …

Der Wichtigste sei laut Bashir aber, Pflege- und Beautyprodukte rasch zu verbrauchen, anstatt sie zu horten. Und sie nicht mehr zu benutzen, wenn sie abgelaufen sind. «Konservierungsstoffe halten Keime nämlich nur eine begrenzte Zeit in Schach. Leider zeigen unsere Studien: 70 Prozent unserer Probandinnen hatten mindestens ein Produkt in Verwendung, das nicht mehr haltbar war», sagt Dr. Bashir.

Wie erkennst du, wann es Zeit ist, Adieu zu sagen? Das ist vom Mischverhältnis der Inhaltsstoffe, wie Öl, Wasser, Pflege-, Duft- und Konservierungsstoffe abhängig. Trockene Produkte wie Puderlidschatten halten zum Beispiel länger als deine Mascara. Und Sprays in Druckgaspackungen sind quasi unbegrenzt benutzbar.

Grundsätzlich gilt: Auf Kosmetik und Pflegeprodukten, die weniger als 30 Monate haltbar sind, muss ein Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) stehen, etwa als «Mindestens haltbar bis …»-Angabe oder markiert mit einer Sanduhr. Auf Produkten, die länger als zweieinhalb Jahre haltbar sind, ist auf der Verpackung die so genannte «Verwendungsdauer» angegeben. Sie ist oft durch ein Symbol gekennzeichnet, das einen offenen Cremetiegel zeigt. Es dient als Hinweis, wie lange der Artikel nach dem Öffnen benutzt werden kann. Die Uhr beginnt also erst zu ticken, wenn das Produkt mit Luft und damit Keimen in Berührung kommt.

Ein Tipp von Expertin Bashir: Wer sich nicht merken kann, wann er was geöffnet hat, schreibt sich am besten das Datum mit wasserfestem Marker auf die Verpackung. Dann lässt sich leicht errechnen, wann man das Produkt entsorgen sollte.

Kosmetik: Ist das noch gut oder muss das weg?

Kurz gesagt: MHD und Verwendungsdauer helfen dir, abgelaufene Kosmetik zu erkennen. «Beide Kennzeichnungen sind aber nur eine Orientierung», betont Dr. Amreen Bashir. So bedeutet ein Überschreiten dieser Grenzen nicht automatisch, dass das entsprechende Produkt nicht mehr benutzt werden darf. Die «Herstellergarantie» ist zwar abgelaufen, dein Beauty- oder Pflegehelferlein kann aber trotzdem noch vollkommen in Ordnung sein. Andererseits bist du auch nicht automatisch auf der sicheren Seite, wenn Cremes und Co nach Herstellerangabe eigentlich noch gut wären. Denn durch unsachgemäße Behandlung (siehe oben) können mehr Bakterien und Co in die Artikel gelangen, als die enthaltene Chemie bekämpfen kann.

Ein Zeichen für eine hohe Keimlast sind Veränderungen bei Geruch, Farbe und/oder Konsistenz des Produktes. Verdorbene Foundation oder Concealer verfärben sich zum Beispiel Richtung Orange. Alte Wimpertusche wird klumpig und riecht wie Benzin. Und Cremes und Lotions, die hinüber sind, steigen ranzig in die Nase oder trennen sich in ihre wasser- und ölhaltigen Bestandteile auf.

Setz also deine Sinne ein. Und wenn du Veränderungen wahrnimmst, dann rät der Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel (IKW), die Produkte über den Restmüll zu entsorgen – auch dann, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) auf der Verpackung noch nicht erreicht ist. Gleiches gilt natürlich, wenn deine Haut oder deine Haare plötzlich ungewöhnlich auf eine Anwendung reagieren.

Veränderte Wirkung: Wenn Beautyprodukte altern

Nicht nur Keime können unschöne Folgen für die Gesundheit haben. Manchmal ist es auch das Produkt selbst. Denn alles, was dich schön, duftend, jünger oder auch sauber macht, enthält entsprechende Inhaltsstoffe, die diesen Job leisten sollen. Mit der Zeit oder durch äußere Einflüsse können sich manche dieser Zutaten zersetzen oder verändern. Sie wirken dann nicht mehr (so gut) oder tun sogar das Gegenteil dessen, was sie eigentlich leisten sollen. «Vergleichbar ist das in etwa mit der Wirkung von Medikamenten, die man ja auch nicht mehr einnehmen soll, wenn sie abgelaufen sind», sagt Dr. Bashir.

So kann beispielsweise ein zu altes Shampoo nicht mehr pflegen, sondern die Kopfhaut reizen und dein Haar stumpf und trocken zurücklassen. «Auch Akne-Produkte mit Salicylsäure oder Benzoylperoxid lassen in der Effizienz nach oder verändern sich so, dass sie die Haut irritieren. Gleiches gilt für Retinoid-Cremes mit Vitamin A. Sie sollten daher schnell verbraucht werden.»

Sonnencreme aus dem Vorjahr nicht mehr verwenden

Ein weiteres Beispiel sind Sonnenschutzmittel. «Alles, was einen UV-Filter enthält sollte nach Ablauf des Haltbarkeits- oder Verwendungsdatums nicht mehr genutzt werden. Denn die entsprechenden Filter verlieren mit der Zeit ihre Schutzfunktion», sagt Dr. Bashir.

Wenn du genau wissen willst, warum abgelaufene Sonnenschutzmittel in den Müll statt auf die Haut gehören, findest du hier die Antworten:

  • Ratgeber

    Hände weg von altem Sonnenschutz

    von Vanessa Kim

Bedenkliche Inhaltstoffe

Auch mein Allibert beherbergt trotz kritischen Einkaufsverhaltens sicher einige Produkte, die gesundheitlich oder für die Umwelt bedenklich sind. Das Thema ist jedoch von A wie Aluminium bis Z wie Zahnpasta mit Triclosan so komplex, dass ich es auf die nächste Ausmist-Runde verschiebe. Der Abfalleimer füllt sich auch so schon. Und ja, ich gebe zu: Bei manchen teuren Produkten fällt der Abschied nicht leicht. Und die Ersatzbeschaffung geht auch schmerzhaft ins Geld. Doch wirklich unbezahlbar ist die Gesundheit.

Titelfoto: asdf

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Daniela Schuster
Autorin von customize mediahouse
oliver.fischer@digitecgalaxus.ch

Gäbe es meinen Job nicht, würde ich ihn erfinden wollen. Schreiben ist die Möglichkeit, ein paar Leben parallel zu führen. Heute stehe ich mit einer Wissenschaftlerin im Labor, morgen gehe ich mit einem Forscher auf Südpolexpedition. Täglich entdecke ich die Welt, erfahre Neues und treffe spannende Menschen. Aber nur kein Neid: Das Gleiche gilt fürs Lesen!

Customize mediahouse hinterfragt den Sinn und Nutzen für den Kunden: Wir inspirieren Menschen mit emotionalem Content, der es wert ist, konsumiert und geteilt zu werden.
 


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