Ab wann ist ein Spoiler kein Spoiler mehr?
Ich hasse Spoiler. Und mich ärgern Menschen, die spoilern. Trotzdem habe ich einen User in einem Artikel aus Versehen gespoilert. Das gibt mir zu denken. Was zum Teufel ist überhaupt ein «Spoiler»?
Ein Kommentar eines Users bringt mich zum Nachdenken. In dem Artikel «Meine Wunschliste für GTA VI» erwähne ich ohne Vorwarnung, dass mich «Red Dead Redemption 2» im späteren Spielverlauf plötzlich mit einem neuen Spielgebiet überrascht hat.
Der User «Lustersoldier22» beschwert sich in der Kommentarspalte, dass ich ihm mit dem Spoiler die Überraschung versaut habe:
Ich finde den «Spoiler» nach wie vor unproblematisch und kann hinter meiner Antwort stehen. Trotzdem verstehe ich die Sichtweise des Users. Ich verstehe, dass ihm diese Information einen Teil des Spiels verdorben hat. Für ihn war es ein Spoiler, für mich nicht.
Ich komme ins Grübeln. Habe ich was falsch gemacht? Und was ist überhaupt ein «Spoiler»? Ab wann darf man über wichtige Plot-Twists oder Handlungsstränge von popkulturell relevanten Themen offen reden?
Dass Darth Vader Lukes Vater ist, ist allgemein bekannt. Ebenso, dass Bruce Willis' Charakter in «The Sixth Sense» schon... oder ist das schon zu viel verraten? Darf ich 17 Jahre nach dem letzten «Harry Potter»-Buch in einem Artikel schreiben, dass ein bestimmter Charakter am Ende stirbt? Oder darf ich vier Jahre nach der Veröffentlichung von «The Last of Us Part II» ohne Vorwarnung über den kontroversen Twist des Games schreiben?
Ich bin unsicher. Deshalb habe ich in der Redaktion bei verschiedenen Leuten nachgefragt, die im Magazin regelmässig über Games, Filme oder Serien schreiben. Die Meinungen zum Thema gehen auseinander.
Philipp Rüegg: «Spoiler haben kein Ablaufdatum»
Was ist für dich ein Spoiler und wie gehst du in deinen Artikeln damit um?
Als Spoiler definiere ich eine Information, die mir etwas Spannendes oder Überraschendes verrät. Eine Storywendung, eine neue Ausrichtung in einem Spiel oder auch einen neuen spielbaren Charakter. In meinen Spielkritiken versuche ich solche Sachen möglichst zu vermeiden – oder ich gebe eine Vorwarnung, wenn ich darauf eingehe.
Ab wann ist ein Spoiler kein Spoiler mehr – oder: gibt es Spoiler, über die man einfach so reden darf?
Spoiler haben für mich kein Ablaufdatum. Es gibt ja immer Menschen, die etwas nicht gesehen haben. Bei kulturellen Phänomenen, wie zum Beispiel Darth Vader, kann man, glaube ich, frei darüber reden. Wobei es da auch junge Menschen gibt, die den Film zum ersten Mal sehen ...
Wurdest du in der Vergangenheit schon mal so richtig fies gespoilert?
Ich wurde diverse Male gespoilert, meist habe ich die Spoiler aber wieder vergessen. Die Lust am Game, an der Serie oder am Film haben mir die Infos nie verdorben. Für mich geht es immer darum, das Gesamte zu erleben. Den wohl grössten Spoiler habe ich bei der Netflix-Serie «Dark» erlebt.
Simon Balissat: «Spoiler verjähren irgendwann»
Was ist für dich ein Spoiler und wie gehst du in deinen Artikeln damit um?
Wenn ich Artikel schreibe, ist alles, was mich überrascht und was ich selbst nicht schon aus Trailern kenne, ein klarer Spoiler. Bei Games schicken die Publisher meist detaillierte Review-Guidelines mit. Dort steht drin, was man schreiben darf und was nicht. An das halte ich mich.
Ab wann ist ein Spoiler kein Spoiler mehr – oder: gibt es Spoiler, über die man einfach so reden darf?
Das lässt sich so generell nicht beurteilen. Reality-TV wie «Germanys Next Topmodel» wird am nächsten Tag bei der Arbeit diskutiert. Bei Filmen, die im Kino laufen, dauert das viel länger. Sehr selten gehen Werke ins kollektive Gedächtnis der Populärkultur über. Solche Spoiler verjähren irgendwann. Darth Vader ist Lukes Vater, Tyler Durden ein schizophrenes Alter Ego und Rosebud ist ein Schlitten.
Die Frage ist nicht «wann», sondern «worüber» darf man ohne Vorwarnung reden. Ist etwas so populär, dass es im eigenen Umfeld alle gesehen oder gespielt haben, dann sind Spoiler nicht zu vermeiden. Ob in Memes und Shitposts oder im sachlichen Diskurs spielt dabei keine Rolle.
Wurdest du in der Vergangenheit schon mal so richtig fies gespoilert?
Nein, gar nicht. Ich bin vorsichtig. So verzichte ich bei Games bewusst darauf, Review-Videos zu schauen. Hätte ich Reviews zu «Elden Ring» geschaut, hätte ich so den atemberaubendsten Moment der Videospielgeschichte gespoilert bekommen.
Luca Fontana: «Ich reagiere extrem allergisch auf Spoiler»
Was ist für dich ein Spoiler und wie gehst du in deinen Artikeln damit um?
Mit dieser Frage beschäftige ich mich fast täglich in meinen Film- und Serienkritiken. Grundsätzlich gehe ich nach dem Prinzip: Verrate so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich, um ein Werk nachvollziehbar zu analysieren oder eine Meinung zu untermauern. Im Zweifel denke ich mir: Was in Teasern und Trailern ist, gilt für mich nicht mehr als Spoiler – alles andere tendenziell schon.
Eine Frage, die in meinen Kritiken immer wieder auftaucht: Ist eine Überschrift wie «Avatar 2: der beste Film aller Zeiten» bereits ein Spoiler? Manche bezeichnen das als «Erwartungs-Spoiler». Ich finde aber, dass eine Meinung, die keine Story-relevanten Wendungen oder Entwicklungen preisgibt, unmöglich ein Spoiler sein kann.
Ab wann ist ein Spoiler kein Spoiler mehr – oder: gibt es Spoiler, über die man einfach so reden darf?
Privat reagiere ich extrem allergisch auf Spoiler. Unabhängig vom Alter des Films erwähne ich nie Story-relevante Wendungen und Entwicklungen. Wenn ich Filme und Serien in einer Gruppe bespreche, frage ich immer, ob jemand den Film oder die Serie noch nicht gesehen hat. Damit weiss ich, wie vorsichtig ich mit Spoilern umgehen muss.
Natürlich gibt’s dann Extrembeispiele wie «Star Wars», bei dem es zum popkulturellen Gedächtnis der Menschheit gehört, dass Darth Vader Lukes Vater ist. Aber ich denke, diese Art von Beispielen lassen sich an einer Hand abzählen.
Wurdest du in der Vergangenheit schon mal so richtig fies gespoilert?
Oh ja. Der absolut schlimmste Spoiler war zu «Harry Potter and the Half Blood Prince».
Kevin Hofer: «Das Leben ist zu kurz, um sich über Spoiler zu ärgern»
Was ist für dich ein Spoiler und wie gehst du in deinen Artikeln damit um?
Für mich sind Spoiler Texte, Bilder oder Videos, die den Spass an etwas verderben können. In meinen Kritiken versuche ich nie mehr zu verraten, als im Vorfeld schon bekannt ist. Ich halte mich strikt an die Review-Guidelines, die wir zu den Games jeweils bekommen. Und ich verwende nur offizielles Bildmaterial von den Publishern.
Ab wann ist ein Spoiler kein Spoiler mehr – oder: gibt es Spoiler, über die man einfach so reden darf?
Wenn etwas Teil der Populärkultur wird oder dem Äquivalent in einer gegebenen Subkultur, ist es kein Spoiler mehr. Zum Beispiel: «Fight Club», «Donnie Darko», «Old Boy» oder «Harry Potter». Bei diesen Werken darf man frei über Twists und Tode reden.
Zudem: Je populärer ein Werk ist, desto eher verlieren Informationen darüber den Charakter eines Spoilers. Zum Beispiel: «Star Wars» ist um ein Vielfaches bekannter und populärer als etwa das kleine Indie-Game «Doki Doki Literature Club». Über den Twist im Game würde ich nie einfach so sprechen.
Wurdest du in der Vergangenheit schon mal so richtig fies gespoilert?
Nein, ich vermeide es tunlichst, Orte zu besuchen, die mich spoilern könnten. Und wenn es mal passiert: so what? Das Leben ist zu kurz, um sich über Spoiler zu ärgern.
Debora Pape: «Mindestens fünf Jahre müssen vergehen, bis man über Spoiler reden darf»
Was ist für dich ein Spoiler und wie gehst du in deinen Artikeln damit um?
Ein Spoiler ist etwas, das mich verblüfft und ungläubig zurücklässt. Bei Games bin ich bezüglich Spoiler sensibler als bei Filmen. Für mich macht es beispielsweise einen grossen Unterschied, ob ein Charakter in einem Film stirbt oder ob «meine» Spielfigur stirbt, mit der ich unzählige Stunden verbracht habe.
Allgemein versuche ich, grosse Story-Spoiler in meinen Artikeln zu vermeiden – oder sie nur vage zu beschreiben. Wenn ich auf Twitch streame, warne ich mein Publikum, wenn ich konkret werde. Ganz verhindern, dass sich jemand gespoilert fühlt, kann man aber nie. In einer meiner News zu «Baldur's Gate 3», die ich persönlich völlig unproblematisch finde, hat sich zum Beispiel auch jemand gespoilert gefühlt.
Ab wann ist ein Spoiler kein Spoiler mehr – oder: gibt es Spoiler, über die man einfach so reden darf?
Ich denke, es müssen mindestens fünf Jahre vergehen, damit man offen über grosse Spoiler reden kann. Es kommt aber dann auch immer auf das Publikum an. Ich fänd's auch heute nicht okay, in eine Schulklasse zu gehen und herumzubrüllen: «Darth Vader ist Lukes Vater». Auch wenn viele jüngere Menschen den Satz «Ich bin dein Vater, Luke» schon mal gehört haben, wissen sie vielleicht nicht konkret, was dieser Spoiler bedeutet.
Wurdest du in der Vergangenheit schon mal so richtig fies gespoilert?
Ja, schon viele Male. Die meisten habe ich versucht zu verdrängen. Zum Höhepunkt des «Game of Thrones»-Hypes wurde ich mehrmals durch Artikel auf Google News gespoilert, die schon im Titel zu viel verraten haben. Ärgerlich. Social Media sollte man möglichst vermeiden – diese Lektion habe ich bei «Star Wars: The Force Awakens» gelernt.
Cassie Mammone: «Was Spoiler angeht, bin ich mein grösster Feind»
Was ist für dich ein Spoiler und wie gehst du in deinen Artikeln damit um?
Ein Spoiler ist für mich, wenn ich eine Handlung oder ein Ereignis aus einem fiktionalen Werk erfahre, das mir einen tollen Moment kaputt macht.
In meinen Artikeln umgehe ich Spoiler so gut wie möglich. Gerade Storys in Games kann man meiner Meinung nach gut ohne konkrete Spoiler beschreiben. Ich muss nicht verraten, wieso Ellie in «The Last of Us Part II» auf eine Rachemission geht, um eine bestimmte Person zu ermorden. Es reicht, wenn ich ihre Motivation abstrakt erkläre und vage andeute, was passiert sein könnte.
Gameplay-Spoiler versuche ich auch zu vermeiden, ausser sie wirken sich auf die Kernelemente des Spiels aus. Wenn sich zum Beispiel herausstellt, dass ein Game eigentlich in einem komplett anderen Genre zu verorten ist, als zunächst gedacht.
Ab wann ist ein Spoiler kein Spoiler mehr – oder: gibt es Spoiler, über die man einfach so reden darf?
Da gibt es keine allgemeingültige Formel. Ich versuche, das im Privaten immer individuell zu klären. Wenn jemand einen Tag nach der neusten «House of the Dragon»-Folge ohne Vorwarnung über alle Details der Episode redet, finde ich das fragwürdig. Genauso verdrehe ich die Augen, wenn jemand sich jetzt noch ernsthaft über das Spoilern von toten Charakteren in «Harry Potter» aufregt.
Wurdest du in der Vergangenheit schon mal so richtig fies gespoilert?
Ja, was Spoiler angeht, bin ich mein grösster Feind. Wenn ich von einer Serie angefressen bin, dann google ich meine Lieblingscharaktere… und da kommen halt Sachen heraus. Am meisten habe ich mich über mich selbst bei meiner Recherche zu «Jojo's Bizarre Adventure» geärgert.
Valentin Oberholzer: «Wer 2024 noch über ‹Red Dead Redemption 2›-Spoiler heult, ist selber schuld»
Was ist für dich ein Spoiler und wie gehst du in deinen Artikeln damit um?
Ein Spoiler ist für mich eine Information, die einen Plot-Twist oder eine wichtige, grosse Szene vorwegnimmt. Also zum Beispiel die Entscheidung, die du am Ende von «GTA V» treffen musst. In meinen Artikeln achte ich darauf, wie alt ein Game ist und wie stark es bereits besprochen wurde. Auf Steam gibt es viele Indie-Games ohne grosse Playerbase. Die würde ich in einem Artikel nicht spoilern, um dem Publikum die Möglichkeit zu geben, das Game selbst auszuprobieren. Da ist eine Spoilerwarnung Pflicht.
Ab wann ist ein Spoiler kein Spoiler mehr – oder: gibt es Spoiler, über die man einfach so reden darf?
Den Faktor Zeit finde ich am Wichtigsten. Nach ein paar Monaten ist ein neues Game/Film/Staffel durchdiskutiert. Wer 2024 noch über «Red Dead Redemption 2»-Spoiler heult, muss sich selber Vorwürfe machen. Wer will, hatte schon genug Chancen, es zu spielen.
Wurdest du in der Vergangenheit schon mal so richtig fies gespoilert?
Ich persönlich habe mit Spoilern kaum ein Problem. Hier kommt mir entgegen, dass ich ein sehr schlechtes Gedächtnis habe. Deshalb habe ich Spoiler schon vergessen, wenn ich ein Game zocke oder eine Serie schaue.
Meine Meinung: Spoiler sind blöd – mit ihnen leben muss man trotzdem
Das Einholen der Meinungen meiner Redaktionskolleginnen und -kollegen hat mir geholfen, meine Gedanken zum Thema zu sortieren und Frieden mit dem vermeintlichen «Red Dead Redemption 2»-Spoiler zu schliessen.
Ich bin ein Spoiler-Sensibelchen. Sogar gewisse Meinungen und Wertungen stressen mich. So habe ich aus Versehen mitbekommen, dass «Jurassic World: Fallen Kingdom» schlechte Kritiken eingefahren hat. Ich war am Boden zerstört. Auch «Negativ-Spoiler» hasse ich. Wenn jemand sagt «Charakter XY wird sterben» und dann hinzufügt, dass es «nur Spass war» und es nicht stimmt, regt mich das auch auf. Also stirbt er definitiv nicht? Verdammt, ich will mir während des Spielens oder Schauens gar keine Gedanken darüber machen, ob XY lebt oder stirbt, sondern das Werk einfach geniessen.
Trotz meiner hohen Sensibilität bin ich der Meinung, dass vor allem die Person, die nicht gespoilert werden möchte, in der Pflicht steht. Insbesondere, wenn es um ältere Games, Serien oder Filme geht. In diesen Situationen sind Menschen, die mit einem Werk noch nicht fertig sind, in der Minderheit – die Mehrheit muss im öffentlichen Raum nicht auf sie Rücksicht nehmen. Wenn du siehst, dass ich in einem Artikel über «Red Dead Redemption 2» schreibe und du das Game noch nicht gespielt hast, dann hör auf zu lesen. Niemand ist dir im Internet schuldig, nicht über ein sechs Jahre altes Game zu schreiben. Privat ist das etwas anders. Da nehme ich in Gesprächen mit Freunden Rücksicht auf einzelne Bedürfnisse – auch bei älteren Games, Serien und Filmen.
Bei aktuellen Games sehe ich die Pflicht nicht nur bei der Person, die nicht gespoilert werden möchte. Hier liegt die Pflicht vor allem bei der kleinen Minderheit, die vor der grossen Mehrheit sensible Informationen hat, mit denen sie die Erfahrung anderer zerstören kann. Aktuelle Spoiler sind ein No-Go und absolut unnötig.
Meine grössten Spoiler-Fails waren auch selbstverschuldet. So habe ich das Ende von «Attack on Titan» in einem Crunchyroll-Konmmentar gelesen. Verdammt. Ebenso habe ich gewusst, was mit Walter in «Breaking Bad» passiert – weil ich Trottel einen Artikel zur Serie gelesen habe, bevor ich sie beendet habe. Den schlimmsten und ärgerlichsten Spoiler habe ich aber zu «Fallout 4» erlebt.
Apropos Spoiler – kennst du schon die Spoilerfabrik? Im Spoilercast von Digitec analysieren wir Serien, Filme und Games ohne Rücksicht auf Spoiler. In diesem Podcast gehen wir in die Tiefe und kratzen nicht nur an der Oberfläche. Wir analysieren, sezieren und diskutieren die Werke bis ins kleinste Detail. Die Spoilerfabrik ist für alle, die Serien, Filme und Games nicht nur gucken oder spielen, sondern leben.
Bisher haben wir uns «Fallout» und «The Acolyte» vorgeknöpft. Weitere Ausgaben folgen bald.
Meine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.