Hintergrund

Zürcher Start-up «erfindet» die urbane Bikewäsche neu

Mit Eimer und Lappen im Garten, unter der Dusche oder per «Stützliwösch» an der Tankstelle: Die Reinigung des Velos hat ihre Tücken. Ein Start-up aus Zürich will die urbane Bikewäsche nun neu erfinden. Der Prototyp ihrer Anlage befindet sich bei der Saalsporthalle.

Das Mondraker steht dreckig auf der Waschanlage hinter der Zürcher Saalsporthalle und wartet darauf, von den Spuren der letzten Ausfahrt befreit zu werden. Und obwohl die Sonne vom wolkenlosen Himmel brennt, sieht das Mountainbike so aus, als wäre es durch das eine oder andere Schlammloch gefahren. Dem ist auch so, wie mir Johannes Weiss erzählt, der an diesem Morgen mit seinem Bike in den Hügeln um Zürich unterwegs war. Das ist dem vielen Regen im April und Mai geschuldet.

Das Mondraker wartet auf die Reinigung, während mir Johannes Weiss den Prototypen der Velowaschanalge erklärt.
Das Mondraker wartet auf die Reinigung, während mir Johannes Weiss den Prototypen der Velowaschanalge erklärt.
Quelle: Christian Walker

Von Zürich über Uster nach Brig

Seit Anfang Mai steht der Prototyp der neuen Waschanlage an der Giesshübelstrasse in Zürich. Der Mitgründer des Zürcher Start-ups Station B verfolgt mit der Waschstation für Velos aller Art ambitionierte Ziele. Weitere Baubewilligungen und Zusagen durch die Grundbesitzerinnen und Grundbesitzer für vier weitere Standorte liegen bereits vor. Ein sechstes Gesuch ist hängig. Die nächsten hauseigenen Stationen kommen in Zürich beim Idaplatz und in Uster zu stehen, dann wird es unter anderem ab Juli auch eine in Brig geben. Das sind die kurzfristigen Pläne von Johannes Weiss und seinen Partnern. Langfristig soll ein Netz an Waschstationen in der gesamten Schweiz aufgebaut werden. Einerseits in den grossen Städten, andererseits in Gebieten mit gut ausgebauter Bike-Infrastruktur.

Dem Schmutz geht's an den Kragen.
Dem Schmutz geht's an den Kragen.
Quelle: Christian Walker

Gebaut werden die Anlagen in Baden von Lernenden der Libs. In den nächsten Wochen und Monaten kommt auf die Maschinenbauer der Industriellen Berufslehren Schweiz also einiges an Arbeit zu. Laut Johannes Weiss sind pro Anlage Investitionen von rund 10 000 Franken zu tätigen, wenn sie dann einmal in Serie produziert wird. Der Prototyp hier bei der Saalsporthalle ist noch um einiges teurer. Um wie viel, mag er nicht genauer ausführen. Leer wiegt das Teil 300 Kilogramm, zwei Wassertanks fassen je 100 Liter. Die Anlage benötigt im Prinzip also nur einen Stromanschluss.

Bezahlt wird kontaktlos mit allen gängigen Zahlungsmitteln.
Bezahlt wird kontaktlos mit allen gängigen Zahlungsmitteln.
Quelle: Christian Walker
Die Reinigung erfolgt in vier Schritten.
Die Reinigung erfolgt in vier Schritten.
Quelle: Christian Walker

Ein Franken pro Minute und fünf Glas Wasser pro Velo

Die Reinigung erfolgt in vier Schritten. Dabei reinigt die Velofahrerin oder der Velofahrer das Fahrrad zuerst mit einem Wasser-Luft-Gemisch vor, anschliessend wird hartnäckiger Schmutz mit der Bürste entfernt, danach kommt nochmals das Wasser-Luft-Gemisch zum Einsatz, bevor das Velo schliesslich mit der Luftdüse getrocknet wird. Der Rest, wie zum Beispiel Korrosionsschutz auftragen oder das Entfetten und Ölen der Kette, macht die Bikerin oder der Biker im Anschluss zu Hause. Oder hat das entsprechende Material im Rucksack dabei.

In Sachen Reinigungsmittel befindet sich Station B noch in einer Testphase. Das aktuell eingesetzte Produkt ist biologisch abbaubar, das Schmutzwasser wird in der Anlage aufgefangen, abgepumpt und danach in den entsprechenden Recyclinghöfen entsorgt. Pro Velo verbraucht der Prototyp rund zwei bis 2,5 Liter Wasser. Eine Minute Reinigung kostet einen Franken.

Rund fünf Minuten dauert die Reinigung dieses Mountainbikes.
Rund fünf Minuten dauert die Reinigung dieses Mountainbikes.
Quelle: Christian Walker

Je nach Grad der Verschmutzung dauert das mal ein wenig länger, mal geht's ein bisschen schneller. Johannes hätte sein Mountainbike in etwa fünf Minuten wieder sauber, wenn er nicht während der Reinigung durch meine Fragen abgelenkt wäre. Er schmunzelt, als er sagt: «Der Mountainbiker oder die Mountainbikerin legt vielleicht nicht so viel Wert auf ein blitzblankes Velo wie andere, da es bei der nächsten Tour sowieso wieder dreckig wird.»

2021 gegründet, hat es gemäss Johannes Weiss fast zwei Jahre gedauert, bis der Prototyp der Waschstation einsatzfähig war. Logistische Fragen, die Finanzierung, Baubewilligungen, Verhandlungen mit den Grundbesitzern und weitere Hürden galt es zu überwinden. Aber warum braucht es solche Anlagen überhaupt?

Johannes Weiss von Station B achtet speziell auf saubere Reifen.
Johannes Weiss von Station B achtet speziell auf saubere Reifen.
Quelle: Christian Walker

Gemäss Weiss sind für viele Freizeit-Bikerinnen und -Biker die Reinigung und Pflege des Velos eine Herausforderung. Die Möglichkeiten, die teuren Sportgeräte in der Stadt schonend vom Dreck zu befreien, sind begrenzt. Mit Eimer und Lappen ist es umständlich und dauert zu lange, die «Stützliwösch» an der Tankstelle mit dem Hochdruckreiniger schädigt Lager und Federelemente mehr als das Fahren selbst und ob das Putzen des verschlammten Drahtesels in der Badewanne oder der Dusche Sinn macht, bleibt zumindest fragwürdig.

Ziemlich sauber.
Ziemlich sauber.
Quelle: Christian Walker

Auch beim Prototypen der Waschstation gibt es noch Verbesserungspotenzial. So sind zum Beispiel die Schläuche der Düsen und Bürste mit zwei Metern ein wenig zu kurz. Die Anlage ist zwar von beiden Seiten zugänglich, die Schläuche dafür aber nicht lang genug. Das Problem ist jedoch erkannt und wird demnächst mit drei Meter Schläuchen behoben. Ansonsten funktioniert heute alles einwandfrei. Von mir aus könnte die Expansion mit Velowaschanlagen von Station B gerne zügig auch in meiner Region vonstatten gehen.

Die exakten Standorte findest du übrigens hier:

Station B @ Saalsporthalle Zürich
Station B @ Zeughausareal Uster

Titelfoto: Christian Walker

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Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.

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