Wie Sony mit der Playstation den Konsolenmarkt revolutioniert hat
Vor 30 Jahren, am 3. Dezember 1994, hat sich die Sony Playstation angeschickt, den Videospielkonsolen-Markt aufzumischen. Ein Blick in die Entstehungsgeschichte der revolutionären Konsole und ihren Einfluss heute.
In den frühen Neunzigern dominierten zwei Namen den Heimkonsolen-Markt: Nintendo und Sega. Sony war damals im Gaming ein unbeschriebenes Blatt. Das Unternehmen war auf den Heimelektronik-Markt ausgerichtet. Kaum vorstellbar, dass es gegen Ende des Jahrzehnts zum Marktführer aufstieg und die Ära des modernen Gamings einläutete: 3D-Grafik, riesige Welten und reifes Storytelling. Verantwortlich dafür war nicht wie lange angenommen eine düpierte Geschäftsleitung, sondern vor allem ein Mann: Ken Kutaragi.
Ein CD-ROM Add-on für das SNES
Obwohl Sonys Fokus in den Achtzigern auf Heimelektronik liegt, produziert das Unternehmen bereits Komponenten für Konsolen – etwa den Soundchip für das Super Nintendo Entertainment Systems (SNES). Entwickelt hat ihn kein Geringerer als Ken Kutaragi, der heute als Schöpfer der Playstation gilt.
Kutaragi ist der Meinung, dass CD-ROMs – die durch Sony populär wurden – den damals vorherrschenden Cartridges als Spielemedium überlegen sind. Er schlägt den Verantwortlichen von Nintendo vor, ein CD-ROM-Laufwerk für das SNES zu entwickeln. Dabei handelt es sich um ein Add-on, das das Abspielen von CDs ermöglicht.
Die Verantwortlichen von Nintendo wollen aber weiterhin auf Cartridges setzen und willigen nur auf Kutaragis Drängen ein, dass er das Laufwerk entwickeln darf. Das später SNES-CD genannte Projekt steht also bereits zu Beginn auf wackligen Beinen.
Karaoke bringt die Soft- zur Hardware
Dennoch entwickelt Kutaragi die Hardware. Er braucht aber noch Software, damit das Add-on läuft. Deshalb wendet er sich an Shigeo Maruyama, der zu jener Zeit als Softwareentwickler arbeitet und später CEO von Sony Music Entertainment wird. Dieser willigt ein, Kutaragi zu helfen, obwohl ihm etliche Führungskräfte von Sony davon abraten. Sie sehen die Zukunft des Unternehmens nicht in Videospielen und erachten sie als Kinderspielzeug. Der Grund, wieso Maruyama dennoch bereit ist zu helfen: Er will ein Heim-Karaoke-System entwickeln. Und da das SNES ohnehin in vielen japanischen Wohnzimmern steht und mit dem Fernseher verbunden ist, sieht er darin eine Chance.
Der gescheiterte Deal
Damit steht das Produkt und es wird auch an der CES 1991 gezeigt. Kurz nach der Präsentation zieht sich Nintendo jedoch vom Vertrag zurück. Grund dafür sind wohl lizenzrechtliche Bedenken seitens Nintendo. Wieso Sony keine rechtlichen Schritte wegen des Vertragsbruchs einleitet, ist bis heute unklar. Fest steht nur: Kutaragi setzt alle Hebel in Gang, dass Sony das Projekt auf eigene Faust weiter verfolgt.
Die Entscheidungsträger sind zu Beginn jedoch nicht überzeugt, sie sehen nach wie vor keine Zukunft im Gaming-Business. Der finanzielle Verlust durch das gescheiterte Projekt ist gering, für ein Unternehmen von Sonys Grösse handelt es sich um Kleingeld. Entwickelt wurde faktisch nur ein CD-ROM-Laufwerk, dessen Technologie sowieso bereits existiert, das sich auf ein SNES setzen lässt. Maruyama vergleicht es in einem Interview folgendermassen: «Es ist, als ob wir ein Büro in einem Wolkenkratzer mieten, statt ihn selbst zu bauen. Und in der letzten Minute vor Bezug werden wir rausgeschmissen. Ärgerlich, aber damit sollte das Thema vom Tisch sein.»
Stattdessen dreht Kutaragi das Narrativ um und bläst es künstlich auf. Nintendo hätte mit dem Vertragsbruch die Ehre der Sony-Leitung verletzt. Die Entscheidungsträger geben schliesslich nach – obwohl sie dem Gaming-Business nach wie vor skeptisch gegenüberstehen – und Kutaragi darf die Playstation entwickeln.
Die Ursprungsidee ist und bleibt das Killerfeature der Playstation
Als die Playstation im Oktober 1993 vorgestellt wird, kommt das Ergebnis einer technologischen Revolution gleich. Die Grafik hat sich vom NES zum SNES nicht bahnbrechend verändert.
Vergleichst du hingegen die Grafik der Playstation mit jener des SNES, ist der Unterschied riesig. Dieser Generationssprung ist der CD-ROM als Datenträger und der Architektur der Konsole zu verdanken.
Von Beginn an ist sich das Team um Kutaragi bewusst, dass die Entwicklung von 3D-Hardware aufwändig ist. Daher soll das Design der Konsole einfach und praktisch sein. Zwei Chips bilden das Herzstück der Konsole: die CPU mit der Bezeichnung CXD8530BQ und die GPU mit dem wohlklingenden Namen CXD8514Q. Die CPU läuft mit einer Taktfrequenz von 33,87 MHz. Aus heutiger Perspektive lächerlich, für eine Konsole zu jener Zeit jedoch revolutionär. Falls du dich für die Architektur im Detail interessierst, kann ich dir diesen Artikel von Rodrigo Copetti empfehlen.
Kurz: Der Aufbau der Playstation ermöglicht es Entwicklern, besser und einfacher zu programmieren als mit anderen Konsolen jener Zeit.
Noch grösseren Anteil am Erfolg der Playstation dürfte die CD-ROM haben. Mit bis zu 650 Megabyte bietet eine Scheibe der Playstation über 15 Mal mehr Speicher als ein Cartridge des Nintendo 64. Diese hohe Kapazität ermöglicht es Entwicklern, riesige 3D-Welten, CGI-Zwischensequenzen, Audio in CD-Qualität, detaillierte Texturen und komplexe Spielmechaniken zu implementieren. Dinge, die mit Cartridges schlicht nicht möglich sind.
Ein weiterer Vorteil der CD-ROM gegenüber Cartridges: Sie ist deutlich günstiger und schneller in der Herstellung. Der Anreiz, Spiele zu entwickeln und auch mal etwas Aussergewöhnliches zu probieren, ist deutlich grösser. Das ist mit ein Grund für die vielen experimentellen Spiele jener Zeit und der mit knapp 8000 Spielen riesigen Bibliothek der Playstation – inklusive etlicher exklusiver Franchises.
Sony kopiert den Erfolg der Playstation bis heute
Kutaragi landet mit seiner Idee und seinem Ehrgeiz einen Hit, der bis heute in der Gaming-Branche nachhallt. Die Playstation 1 verkauft sich über 100 Millionen Mal. Die Konkurrenten Sega Saturn und N64 schaffen es gerade auf knapp 10 respektive etwas mehr als 30 Millionen Einheiten.
Mit der Playstation 2 liefert Sony einige Jahre später gar die bis dato meistverkaufte Heim-Spielekonsole ab. Auch heute ist Sony neben Nintendo marktführend. Der ehemalige Konkurrent Sega hat sich aus dem Konsolen-Geschäft zurückgezogen und Microsoft ist mit der Xbox quasi unbedeutend.
Was aber auffällt: Die Revolutionen sind seit der Playstation 2 ausgeblieben. Zwar wurden die Konsolen immer leistungsfähiger, aber in ihrem Kern blieben sie gleich. Konkurrent Nintendo hat sich nach harten Jahren durch revolutionäre Ideen wie der Bewegungssteuerung der Wii und der Hybridkonsole Switch zurück an die Spitze gekämpft. Vielleicht braucht auch Sony mit der nächsten Konsolengeneration eine neue Revolution statt blosser Evolution.
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.