Ratgeber
Neun Gründe, wieso der Nintendo DS längst nicht ausgedient hat
von Cassie Mammone
Vor 20 Jahren kam der Nintendo DS auf den Markt. Seither hat sich der Handheld mit den zwei Bildschirmen über 154 Millionen Mal verkauft. Ich verrate dir, was hinter dem Erfolg steckt und wie er die Konkurrenz weit hinter sich gelassen hat.
Bevor sich der Nintendo DS zum erfolgreichsten Handheld aller Zeiten mauserte, blies ihm starker Wind entgegen. Zum Beispiel in Form der PlayStation Portable (PSP), die 2004 deutlich vielversprechender aussah. Um den Verkauf anzukurbeln, hatte Nintendo eine Idee, die sich im Nachhinein als Geniestreich herausstellen sollte.
Entgegen der Tradition aller bisherigen Hardware-Launches verkaufte das japanische Unternehmen den Handheld zuerst in den USA und erst später in Japan. Der Grund dafür war der Black Friday. Nintendo wollte den DS unbedingt am umsatzstärksten Tag des Jahres in den Verkauf bringen. Die Rechnung ging auf: Der DS ging innerhalb des ersten Monats über eine Million Mal über die Ladentheke, 500 000 Exemplare davon allein am Black-Friday-Wochenende. Es war der Anfang einer lang anhaltenden Erfolgswelle.
Mit der Hybrid-Konsole Switch zeigt Nintendo heute, wie innovativ das Unternehmen ist. Das sieht im Jahr 2004 noch anders aus. Nintendo hat mit den unterschiedlichen Game Boys nur klassische Handhelds im Angebot, die wie ältere Konsolen funktionieren.
Über ein halbes Jahr vor der Veröffentlichung des Nintendo DS leaken Dokumente, die viele technische Spezifikationen verraten und zu wilden Gerüchten führen. Zum Beispiel, dass die beiden Bildschirme des DS übereinander lägen, um einen 3D-Effekt zu erzeugen. Ein Feature, das erst mit dem Nintendo 3DS sieben Jahre später Realität werden sollte.
Die wilden Gerüchte werden von Aussagen seitens Nintendo befeuert, weil der damalige Nintendo Präsident Satoru Iwata ein Gerät verspricht, das «auf einem komplett anderen Konzept basiert als alle bisherigen Spielgeräte». Ein Gerät, das «anders» ist. Da wirkt die konservativere PSP, die in Sachen Technik mehr draufhaben soll, attraktiver. Trotzdem hat sich der Nintendo DS fast doppelt so häufig verkauft.
Der wichtigste Launch-Titel dürfte «Super Mario 64 DS» gewesen sein. Das Spiel beweist, dass der DS, ähnlich wie die vorherigen Nintendo-Handhelds, eine Art Mini-N64 sein kann. Tatsächlich ist der DS viel mehr als das. Der neue Handheld bringt in den folgenden Jahren hochkarätige Ableger klassischer Nintendo-Reihen hervor, etwa «Mario Kart DS», «New Super Mario Bros.», «Pokémon Diamant und Perl» und «Kirby: Mausattacke».
Zusätzlich wagt Nintendo das ein oder andere erfolgreiche Experiment – sogar bei seinen wichtigsten Franchises, wie zum Beispiel «The Legend of Zelda: Phantom Hourglass». Das klassische «Zelda» mit Vogelperspektive steuert sich nicht nur komplett neu per Touchscreen, sondern setzt die Funktionalitäten wie das Mikrofon oder die klappbaren Bildschirme kreativ ein. Weitere Spiele, die in eine ähnliche Richtung gehen, sind «Metroid Prime Hunters» und «Pokémon Ranger».
Mit einer breiten und guten Spieleauswahl wird das Kernpublikum der Nintendo-Fans gebührend bedient. Auch der Konkurrent PSP hat einige Spieleperlen etablierter Franchises zu bieten, so etwa «GTA: Liberty City Stories», «Gran Turismo» oder «Ratchet & Clank: Size Matters». Der Grund, warum der DS in Sachen Verkaufszahlen an der PSP vorbeigerast ist, liegt denn auch nicht nicht beim Kernpublikum.
Unter den meistverkauften DS-Spielen sind gar nicht so viele Klassiker. Mit «New Super Mario Bros.» liegt ein traditionelles «Super Mario»-Jump’n’Run an der Spitze – mit über 30 Millionen verkauften Einheiten. Bereits auf Platz 2 befindet sich aber «Nintendogs» mit knapp 24 Millionen Verkäufen, das kurz nach dem DS selbst erschienen ist und viele Spielerinnen abgeholt hat – mich eingeschlossen.
«Nintendogs» wurde von «Super Mario»-Vater Shigeru Miyamoto produziert. Im Grunde ist das Spiel eine Hundewelpen-Simulation. Du suchst dir zu Beginn des Spiels ein Tier aus, fütterst es und gehst danach Gassi. Du kannst deinen Hund im Park, der Trainingshalle oder zuhause trainieren, um an Wettbewerben die Goldmedaille abzuräumen. Ein wirkliches Ziel gibt es nicht. «Nintendogs» ist nicht dafür gedacht, dass du zielstrebig vor dem DS sitzt, um es so schnell und gut wie möglich durchzuspielen. Stattdessen kannst du die Kassette gelegentlich in dein Gerät einlegen und etwas mit den niedlichen Hundewelpen entspannen. Das Stichwort ist: gelegentlich.
Auf «Nintendogs» folgen viele weitere Titel, die du für eine kurze Runde zwischendurch herausholen kannst. Mit «Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging» schätzst du anhand kniffliger Denkaufgaben dein geistiges Alter, während «Professor Layton und das geheimnisvolle Dorf» etwas für Rätselliebhaber ist, die ihre Knobelaufgaben in einer spannenden Geschichte verpackt haben wollen. «Animal Crossing: Wild World» bringt schon im Jahr 2005 über 10 Millionen Spielerinnen dazu, sich in einem Dorf mit tierischen Nachbarn niederzulassen.
Genau diese Gelegenheitsspiele sind der Grund für den immensen Erfolg des Nintendo DS. Das erste iPhone erscheint 2007. Der DS erschliesst schon Jahre zuvor ein neues Publikum, das später auch auf Smartphones gelegentlich spielen soll – und es auch heute noch tut. Der Mobile-Markt generiert im Jahr 2022 mehr Einnahmen als die Konsolen- und PC-Märkte zusammen.
Das Miteinbeziehen von Gelegenheitsspielerinnen bringt Nintendo sowohl in den 2000er-Jahren als auch mit der Nintendo Switch Erfolg. Die Wii erscheint als erste Konsole nach dem DS und fährt dieselbe Strategie: Anstatt von Hardcore-Gamer holt man Familien ab, die gemeinsam vor dem Fernseher zocken. Technisch beeindruckende Leistungen weichen der innovativen Wii-Fernbedienung. Werbungen wie diese zeigen, dass der Nintendo DS jederzeit herausgeholt werden kann:
Bevor die Wii mit der Sensorsteuerung den Konsolen-Markt aufräumt, beeindruckt der DS mit seinen Funktionen. Dazu gehören ein Mikrofon, Wireless-Funktionalitäten und vor allem die zwei Bildschirme, von denen einer sich per Touchscreen bedienen lässt.
Neben dem neuen Publikum dürfte die Innovation der Grund dafür sein, wieso der technisch unterlegene DS die konkurrierende PSP überholt.
In den Jahren nach der ersten Veröffentlichung erscheinen weitere DS-Modelle. Meist bügeln sie die Schwächen des Vorgängermodells aus oder reichen neue Funktionalitäten nach. So ist der 2006 erschienene DS Lite kompakter als der klassische DS und hat obendrein eine längere Akkulaufzeit. Der DSi führt 2008 eine Kamera sowie einen Online-Shop auf dem Handheld ein – dafür ist es das erste Modell, das auf den GBA-Slot verzichtet. 2009 erscheint mit dem DSi XL das letzte Modell des Handhelds, das – wie der Name schon sagt – ein DSi mit grösseren Bildschirmen ist.
In der DSi-Ära geht dem Handheld aber langsam die Puste aus, was zur Veröffentlichung des Nintendo 3DS am 26. Februar 2011 führt. Trotzdem dauert es noch drei weitere Jahre, ehe die Produktion der Geräte eingestellt wird. Auch das letzte offizielle DS-Spiel, «Big Hero 6: Battle in the Bay», erscheint im selben Jahr. Insgesamt hat der Nintendo DS eine beachtliche Laufzeit von zehn Jahren.
Während der Nintendo DS anfangs durch seine ungewöhnlichen Funktionen skeptisch beäugt wird, tragen diese massgeblich zu seinem Erfolg bei. Die Spiele, die sowohl eingefleischte Gamerinnen als auch Gelegenheitsspieler abholen, profitieren ebenfalls von den neuartigen Eigenschaften des Geräts, vor allem in einer Zeit bevor das Smartphone zum Alltag gehört. Nintendo geniesst mit dem Nintendo DS einen Erfolgsritt, der mit der Veröffentlichung der Wii weiter Fahrt aufnimmt. Danach zeigt die Wii U, wie tief das Unternehmen sinken kann und auch der 3DS kann Nintendo in einer Post-Smartphone-Zeit nicht allein tragen. Die Rettung kommt in Form der Nintendo Switch im Jahr 2017, deren Ablösung durch die Switch 2 wir im Jahr 2025 sehnlichst erwarten.
Meinen ersten Text über Videospiele habe ich mit acht Jahren geschrieben. Seitdem konnte ich nicht mehr damit aufhören. Die Zeit dazwischen verbringe ich mit meiner Liebe für 2D-Husbandos, Monster, meinen Krawallkatzen und Sport.