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Was Kinderyoga kann – und was nicht
Yoga mit Kindern ist angesagt wie nie. Warum eigentlich? Und wie funktioniert das mit den kleinen Yogis? Yoga-Lehrerin Paula Romero spricht über die Benefits, über die Grenzen und verrät, warum Kinderyoga anstrengender ist als Yoga mit Erwachsenen.
Der Yogagtrend ist längst auch bei den Kleinen angekommen. Auf der Matte recken sie sich in den herabschauenden Hund, falten ihre Arme zum Adler und atmen dabei tief ein und aus. Ganz wie die grossen Yogis – und trotzdem unterscheidet sich Kinderyoga erheblich vom Yoga mit Erwachsenen. Paula Romero, Kinder- und Erwachsenenyoga-Lehrerin aus Zürich, gibt Auskunft.
Paula, warum sollen Kinder Yoga machen?
Paula Romero: Schon Kinder brauchen heute den Ausgleich zum Alltag. Der ist von hohen Anforderungen und Belastungen geprägt. Ich denke da an die Schnelllebigkeit der heutigen Gesellschaft, an die Digitalisierung, den Leistungsdruck, Überstimulation, Mobbing … Yoga wirkt hier auf vielen Ebenen und ist genau das Richtige für den Ausgleich. Es bietet Werkzeuge und Fähigkeiten, um die physische, emotionale und mentale Gesundheit zu fördern und zu erhalten.
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Quelle: Bild: ZVG
Eine Turnstunde kann das nicht?
Auch. Aber Yoga deckt viel mehr Ebenen ab. Körperlich fordert Kinderyoga die motorischen Fähigkeiten, den Muskelaufbau, die Stabilität, Balance und Flexibilität. Es unterstützt den Aufbau des Skeletts, da Kinderknochen noch im Wachstum sind. Und es beugt Haltungsschäden vor. Aber im Gegensatz zu einer klassischen Turnstunde hat Kinderyoga eben auch auf psychischer Ebene viele Vorteile.
Zum Beispiel?
Es verbessert die Konzentrationsfähigkeit, reduziert Stress und stärkt die Resistenz. Durch Asanas – die Yogafiguren –, durch Atmung, Konzentration und Meditation erfahren die Kinder, wie sie auf ihren Körper und ihr Gemüt Einfluss nehmen können. Die Yoga-Philosophie vermittelt wichtige Werte wie Achtsamkeit, Geduld, Ruhe, aber ebenso Selbstwahrnehmung, Selbstbewusstsein und Akzeptanz für andere. Dieses breite Spektrum ist ein grosser Unterschied zu einer Turnstunde.
Kinderyoga ersetzt keine Physiotherapie. Und auch keine Psychotherapie.
Wo stösst Kinderyoga an seine Grenzen?
Es ist keine Medizin für alles und jeden. Auch wenn es jedem Kind gut tut, ersetzt es keine physische Behandlung wie eine Physiotherapie. Und auch keine Psychotherapie. Verhaltensauffällige Kinder werden oft ins Yoga geschickt, in der Hoffnung, dass sie ruhiger werden. Aber Yogalehrer sind keine Therapeuten. Wir stellen keine Diagnosen und behandeln keine Störungen oder Syndrome. Es gibt Kinderyoga für Kinder mit speziellen Bedürfnissen. Die finden dann allerdings in einem für sie angepassten Rahmen statt und nur mit entsprechend ausgebildeten Lehrkräften.
Können Kinder denn schon die gleichen Asanas praktizieren wie Erwachsene?
Im Prinzip ja, zumindest die meisten. Massgeblich sind der Entwicklungsstand, die Yoga-Erfahrung und das jeweilige Setting. Mit kleinen Kindern kannst du zum Beispiel kaum Dinge machen, bei denen sie sich nach hinten neigen müssen, etwa Backbends oder Auf- und Abrollen. Alles hinter ihnen kommt ihnen noch zu abstrakt vor und beängstigt sie. Auch Balance-Haltungen sind bis zu einem gewissen Alter sehr herausfordernd. Nichtsdestotrotz können sie mit entsprechender Anpassung ausgeführt werden. Du kannst zum Beispiel die Wand als Hilfsmittel miteinbeziehen. Kinder mögen Wiederholungen, deshalb empfiehlt es sich, die Asanas Schritt für Schritt aufzubauen und sie immer wieder auszuführen.
Was sind Unterschiede zum Erwachsenen-Yoga?
Die Asanas werden weniger lang gehalten und eher dynamisch ausgeführt. Meistens sind wir mit einem spielerischen Thema unterwegs: Wir reisen irgendwohin, besuchen den Zoo, feiern ein Fest oder befinden uns in einer bestimmten Jahreszeit. Je kleiner die Kinder, desto verspielter der Unterricht. Die Stunden werden auch anders aufgebaut.
Wie genau?
Mit Erwachsenen gibt es klassischerweise einen Energieaufbau und -abbau, bei Kindern ist es ein ständiges Auf und Ab. Sie brauchen den Aktivitätenwechsel, um aufmerksam zu bleiben. Der wohl grösste Unterschied ist aber, dass das Miteinander und der Gruppenaustausch im Vordergrund steht.

Quelle: Bild: ZVG
Im Erwachsenenyoga ist die Gruppe weniger wichtig?
Ja. Erwachsene sind während der Yoga-Praxis mehr mit sich selbst beschäftigt. Ich als Lehrperson gebe die Übungen vor und unterstütze. Im Kinderyoga tue ich das zwar auch, aber die Kinder gestalten den Unterricht mit ihren Ideen mit. Der Unterricht ist interaktiver und lebt erst vom Austausch.
Was ist für dich anstrengender: Yoga mit Erwachsenen oder Yoga mit Kindern?
Defintiv Kinderyoga. (lacht) Gerade weil die Stunden interaktiv sind und die Kinder sie mitkreieren. Das bedeutet, dass kaum eine Lektion so abläuft, wie ich sie geplant habe. Und das erfordert Spontanität und Flexibilität, aber auch Geduld, Humor und die Fähigkeit, sich auf die Kinder und ihre Sicht auf die Welt einzulassen. Ich vergleiche es gerne mit dem Verkehr: Kinderyoga fühlt sich an, als würde ich mich im Verkehr bewegen. Ich weiss zwar, dass ich mein Fahrzeug beherrsche und ich habe meine Route im Kopf. Aber ich weiss nie, was die anderen Verkehrsteilnehmenden machen, in welchem Tempo sie unterwegs sind, wo Baustellen auftauchen und wo Umfahrungen.
Es fühlt sich an, als würde ich mich im Verkehr bewegen. Ich beherrsche zwar mein Fahrzeug, aber weiss nie, was die anderen Verkehrsteilnehmenden machen.
Worauf sollten Eltern bei der Auswahl eines Kinderyoga-Kurses achten?
Der Raum sollte genug Platz haben, damit sich die Kinder auch abseits der Matte bewegen können. Die Gruppengrösse dagegen sollte überschaubar und die Altersspanne nicht allzu gross sein, sonst sind die Bedürfnisse zu unterschiedlich. Toll sind möglichst konstante Gruppen, damit sich die Kids aneinander gewöhnen und aufbauend gearbeitet werden kann.
Wie wichtig ist es, dass die Lehrperson eine Ausbildung in Kinderyoga hat?
Darauf würde ich selbstverständlich achten. Am allerwichtigsten ist aber, dass das Kind Spass hat und mit Freude vom Kurs erzählt. Wie auch beim Yoga mit Erwachsenen ist die Sympathie zwischen dem Kind und der Lehrperson wichtig. Das Kind wird nicht lange einen Kurs besuchen wollen, wenn es die Lehrperson nicht toll findet.
Warum bist du Kinderyoga-Lehrerin geworden?
Weil ich den Schatz des Yoga mit meinen Kindern teilen und erleben möchte. Weil ich den Austausch und die Arbeit mit den Kindern sehr liebe und sehr bereichernd finde. Und weil ich immer wieder denke, wie toll es gewesen wäre, wenn mir jemand diese Dinge als Kind gezeigt hätte. Kinder sind die Erwachsenen von morgen. Was wir im Kindesalter erleben, prägt uns ein Leben lang und ist auch später wieder einfacher abrufbar.
Paula Romero ist ausgebildete Yogalehrerin für Erwachsene und Kinder sowie Mit-Initiantin von «Ananda Kinder Yoga» in Zürich. In den vergangenen Jahren hat sie mehrere Ausbildungen in Kinder-, Teenager- und Familienyoga absolviert.
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Anna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.