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Warrior Nun Episode 1 Review: Die neue Buffy?

«Warrior Nun» hat das Potenzial, Buffy das Wasser zu reichen. Die erste Folge aber traut sich noch nicht ganz so recht, das zu sein, was die Serie sein könnte. Nach 50 Minuten stellt sich vor allem eine Frage: Worum geht's eigentlich?

Ava ist eigentlich tot. Die von Schauspielerin Alba Baptista in der Netflix-Serie «Warrior Nun» verkörperte junge Frau liegt auf einer Bahre in einem Kloster in Spanien, wo eine Nonne und ein Priester Englisch mit spanischem Akzent miteinander reden. In einem anderen Raum tragen zwei Frauen in schwarz eine Dritte auf eine andere Bahre. Die dritte lebt gerade noch, ist aber schwer verwundet. Sie könne nicht geheilt werden, da sie mit Divinium-Schrapnell durchsiebt sei.

Ein Cold Open. «Warrior Nun» fängt schon mal gut an. Zwar ist da ein Voice Over, in dem Ava erklärt, dass sie jetzt tot sei aber dem Zuschauer bevormundend erklärt, dass sie jetzt ganz bestimmt tot sei. Wenn da ein Voice Over einer Figur ist, die wir als erste Figur in einer Serie sehen, die ganz bestimmt 100% sicher tot ist, aber dann doch nicht, dann ist das abgelutscht. Denn tot ist sie nicht. Sie hat jetzt Superkräfte und einen Heiligenschein implantiert, der Minuten zuvor einem Typen alle Finger abgebrannt hat. Eine Erklärung, was das alles ist, soll, kann und bedeutet bleibt «Warrior Nun» am Ende der ersten Folge schuldig.

Womit wir schon beim Hauptproblem der ersten Folge «Warrior Nun» wären. Abgelutscht ist nicht zwingend schlecht, zumal sich die Serie zu sich selbst bekennt. «Warrior Nun» versucht, einen auf «Buffy - the Vampire Slayer» zu machen, nimmt sich zusätzlich das Recht, zu fluchen und «Frau länger im Badetuch im Badezimmer»-sexy zu sein.

Der Trailer verspricht viel. Gute Musik, Mysterium, Superkräfte, Dämonen, interne Spannungen, Hintergrundinformationen, kinetische Typografie. Das könnte die neue Buffy sein, oder?

Same same, but different

In sich selbst, also in-universe, ist die erste Folge «Warrior Nun» stark und konsistent. Sie scheitert aber daran, dass sie sich ausgiebig Klischees bedient, die Zuschauer in dieser Form schon x mal gesehen haben. Ein Klischee ist nicht per se schlecht, wenn es gut angewendet ist. Nur dass Jet Wilkinson, Regisseurin der ersten Folge mit dem Titel «Psalms 46:5», die genau so gut anwendet, dass sie funktionieren könnten, dann die Kurve am Ende nicht erwischt. Das geht sogar so weit, dass am Ende der ersten Folge nicht ganz klar ist, worum es eigentlich geht und wer die Hauptfigur ist. Natürlich, Ava hat am meisten Screentime, aber sie tut nichts, das irgendwie relevant für einen Plot scheint.

Wenn die Tanzszene nach der Erklärung der Tetraplegie kommen würde, dann wäre das effektiver
Wenn die Tanzszene nach der Erklärung der Tetraplegie kommen würde, dann wäre das effektiver

Ava war Tetraplegikerin bevor sie ein mysteriöses Heiligenschein-Ding eingepflanzt bekommen hat, das kurz zu Beginn und am Ende der Folge erwähnt wird. Dadurch kann sie wieder gehen. Und tot ist sie auch nicht mehr. Szenen, in der die junge Frau am Strand rennt oder im Club freudig tanzt, würden ohne Worte funktionieren. Das Problem: Dass Ava im Rollstuhl sass kommt nur in einer halbsekündigen Szene schnell vor und wird einige Minuten nach der emotionalen Szene dann von einer Nonne in beige vor grauem Hintergrund erklärt. Cinematographisch ist das eine Bauchlandung.

Die Hauptfigur kann nicht schwimmen, springt ins Wasser und wird dann von einem süssen Typen gerettet? Würde funktionieren, wenn das nicht ein Pool wäre. Pools haben die Angewohnheit, nicht besonders tief zu sein. Der Pool vor der Villa sowieso. Wenn Ava schon am Meer tanzt, wie wäre es, wenn sie im Meer nicht ertrinkt?

Obwohl der grösste Teil der Serie visuell recht fad ist, sind die Vignetten hochstilisiert und schön
Obwohl der grösste Teil der Serie visuell recht fad ist, sind die Vignetten hochstilisiert und schön

Noch schlimmer: Während den Club-Szenen zeigt Jet Wilkinson, dass es dann eben doch geht. Da ist viel Schwarz, neonfarbene Highlights, Kontraste und Sound. So sollte sich die ganze Serie anfühlen. Hochstilisiert und mutig. Nicht platt mit ein paar Vignetten, die im Gedächtnis bleiben.

So verpasst «Warrior Nun» Chance nach Chance während einer gut 30minütigen Durststrecke, in der Zuschauer die Hauptfigur kennenlernen sollen – als naive junge Frau mit Lebensfreude und mysteriösen Superkräften, die während der Durststrecke verloren gehen. Denn klischeekonform beginnt die Serie mit einer Action-Szene. Das ist okay und funktioniert. Es zeigt das Geschick der Crew, das Commitment zur Action und auch, wo das Budget wie verwendet wurde. Aber dann vergisst «Warrior Nun» den Part mit den «Warriors» und auch die «Nuns» kommen selten vor. Ausser dann, wenn irgendwer bedeutungsschwanger «It is a mystery» in eine Kamera sagen muss. Würde auch funktionieren, wenn da irgendetwas abgesehen von rotem Rauch während 20 Sekunden auf dem Bildschirm zu sehen wäre, das den Zuschauern etwas geben würde, an dem sie sich festklammern können. So ist das einfach irgendein generisches Geheimnis, bei dem es um nichts geht. Oder um alles. Von «Dämonen, die alle Existenz bedrohen» bis hin zu «Dein Schuhbändel ist offen, aber ich sag's dir nicht» liegt alles drin.

Es geht doch: «Warrior Nun» kann visuell anspruchsvoll und spannend sein
Es geht doch: «Warrior Nun» kann visuell anspruchsvoll und spannend sein

Der Serie fehlt es vor allem an Mut, dem Zuschauer etwas zuzumuten und das zu geben, das sie brauchen, um in den Bann der Serie gezogen zu werden. Der Mut wird gebraucht, um ein weiteres Klischee recht lahm zu bedienen. Der eine grosse Witz scheint zu sein: «Haha, da ist eine Nonne und sie sagt .» Hatten wir auch schon. Der Film «Dogma» aus den 1990ern hat diesen Witz so ziemlich beendet, wo Gottheiten aus allen Pantheons der Weltreligionen mit Fluchwörtern um sich schmeissen. «Dogma» zeichnet dann auch dank seines Commitments zum Ikonoklasmus ein viel respektvolleres und irreverenteres Bild der Religion.

«Warrior Nun» wirkt daher so, als ob die Serie versucht, ja niemandem auf den Schlips zu treten, schmeisst dann ein bisschen Blut und zwei, dreimal das Wort «fuck» in die Runde und das soll dann frech und so sein.

Das funktioniert nicht. Oder nicht ganz. Denn was «Warrior Nun» dann doch hinkriegt ist, noch ganz knapp über der Grenze zu sein, an der es sich nicht lohnt, die zweite Folge anzuschauen. Wehe, du bist nur leicht gelangweilt, dann geht die Gratwanderung der Ava nicht auf und Netflix verliert Zuschauer.

Denn die Serie über Dämonen und Kriegernonnen dreht sich in der ersten Folge vor allem um eine junge Frau, die durch Andalusien geht, Clubs besucht und am Pool zmörgelet. Was hier helfen könnte: Ein gutes Intro. Ein Beispiel wäre hier, der Vergleich bietet sich an, «Buffy: The Vampire Slayer». Im Intro ist alles, was wichtig ist. Dämonen, die Hauptfigur, High School, rockiger Soundtrack. Die Stimmung sitzt. Die Spannung steigt.

«Warrior Nun» hat kein Intro. Cold Opens sind zwar nett, aber ein schönes Intro kann extrem viel ausmachen, selbst wenn es nur ein Schriftzug mit mysteriösem Geheule wie bei «Lost» ist.

Ein Wort zur Sprache und der Immersion

Dann ist da das sprachliche Kuddelmuddel, das nicht aufgeht und jedes Mal die Immersion bricht. «Warrior Nun» spielt in Spanien. Dort, wo Menschen spanisch reden. Da die Serie aber in Englisch gedreht wurde, reden die Figuren Englisch miteinander. So weit so gut. Damit haben sich Zuschauer im Laufe der Jahrzehnte abgefunden. Wir sind es uns gewohnt, unsere eigene Sprache zu hören, obschon auch die Figuren im Film oder der Serie unsere Sprache sprechen. Ein Beispiel: Technisch gesehen sprechen Dom Toretto (Vin Diesel) und Brian O'Conner (Paul Walker) in den Fast-and-Furious-Filmen Englisch, selbst wenn sie auf Deutsch synchronisiert sind. In «Warrior Nun» aber wechseln die Charaktere dann und wann wieder ins Spanische.

«You must miss her», fragt der Priester den Bub.

«Sì, very much», sagt der Kleine.

Reden die zwei Spanier jetzt extra Englisch, weil da eine Kamera im Raum ist?

Gute Arbeit, Netflix. Spanien. Kaum vorstellbar, dass wir im spanischen Spanien sind, wo Spanier spanisch sprechen. Lässig. Immersiver wäre es, wenn die Charaktere akzentfreies Englisch sprechen würden, sprich Standardsprache und implizit dann halt Spanisch. ¡Ay, caramba!

Oder «Warrior Nun» hätte sich einer brillianten Technik aus dem Film «Hunt for Red October» bedienen können, in dem die Besatzung des titelgebenden U-Boots den ganzen Film hindurch russisch spricht.

In der Szene zoomt die Kamera des Regisseurs John McTiernan auf den Mund des Russen, der aus einem Buch vorliest. Sobald er das Wort «Armageddon» erreicht, wechselt er nahtlos ins Englische. Der Fall ist klar. Das ist jetzt Russisch, aber ohne Untertitel.

So eine Szene ist nicht der Ort, an dem wichtige Charakterarbeit geleistet wird
So eine Szene ist nicht der Ort, an dem wichtige Charakterarbeit geleistet wird

Diese Filmtechnik kostet beinahe nichts, wirkt aber zehnmal effektiver als spanische Akzente. Vor allem auch darum, da einige Figuren diesen Akzent haben, andere nicht. Ava, gespielt von einer portugiesischen Schauspielerin aus Portugal, spricht akzentfreies amerikanisches Englisch. Da wollten die Macher wohl nicht, dass die Zuschauer die ganze Zeit Akzent hören. Aber bei Nebenfiguren ist das dann wieder okay?

Schlimmer wird es dann einige Szenen später, wo ein Macho-Typ, der zu Ava in Akzent-Englisch «No spitting» sagt, das Doppel-T verschluckt und sie dann «No spinning» versteht. Reden die jetzt dieselbe Sprache oder nicht? Sind beides Spanier, oder?

Nach den fast 50 Minuten der ersten Folge, wovon gefühlte 45 Ava im Ferienalltag zeigen, bleibt ein etwas fahler Nachgeschmack. Der einzige Grund, weshalb es sich lohnt, die zweite Folge anzusehen ist der Buffy-Bonus. Junge Frau, Dämonen, Superkräfte… ein modernes Publikum weiss, wozu das führen kann. Nur dass die Serie selbst das auch nicht auflöst. Der grössere Plot der Serie kommt massiv zu kurz für Stimmungsaufnahmen, die flach ausfallen.

Das mysteriöse Objekt, das Superkräfte verleiht, hat kaum einen Einfluss auf die erste Folge
Das mysteriöse Objekt, das Superkräfte verleiht, hat kaum einen Einfluss auf die erste Folge

Um Buffy das Wasser reichen zu können, muss «Warrior Nun» mehr leisten, mehr wagen und weit mehr werden als der Hintergrundlärm, der die Gesamtheit der ersten Folge beschreibt.

Trotzdem, da bleibt der Reiz. Was wenn Ava die neue Buffy wird? Was wenn die Kriegernonnen das neue Team Slayer werden? Netflix weiss schon, was sie tun. Der Konzern versteht sich darauf, das Publikum an sich zu fesseln. «Warrior Nun» ist in-universe vielleicht nicht spannend genug, um sich selbst zu tragen, aber im Kontext der Popkultur, in den Köpfen der Menschen vor dem Bildschirm, kann die Serie höchst spannend sein.

Die zweite Folge beginnt.

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