Wahrheit oder Wahnsinn: Haben Babys wirklich immer blaue Augen?
Hintergrund

Wahrheit oder Wahnsinn: Haben Babys wirklich immer blaue Augen?

Katja Fischer
14.9.2024

Auf werdende und frischgebackene Eltern prasseln unzählige Baby-Weisheiten ein. Welche sind wahr? Welche nichts als Humbug? Ich stelle die Mythen auf den Prüfstand. In dieser Folge: die blauen Augen von Neugeborenen.

An die Weisheiten deiner Eltern erinnerst du dich ein Leben lang. Meine Mutter hat zum Beispiel gesagt: «Alle Babys haben bei ihrer Geburt blaue Augen. Ihre wirkliche Augenfarbe entwickelt sich erst später.» Das ist mir geblieben. Das habe ich geglaubt. Und das wurde mir auch x-fach bestätigt: Alle Neugeborenen, die ich bis jetzt live und in Farbe gesehen habe, hatten blaue – meistens dunkelblaue – Augen.

Ich mache grosse Augen, als ich für diesen Beitrag recherchiere und feststelle: Meine Mutter und damit auch ich lagen falsch. Zumindest stellenweise. Wir waren so blauäugig!

Zu unserer Verteidigung: Die blauen Babyaugen sind ein weit verbreiteter Mythos, der sich hartnäckig hält. Und tatsächlich kannst du hierzulande auch leicht den Eindruck bekommen, als hätten alle Säuglinge erst blaue oder zumindest blau schimmernde Augen.

Der Geburtsort ist entscheidend

Das liegt allerdings daran, dass hier die Zahl von Menschen mit dunkler Hautfarbe tiefer ist. In Europa und Nordamerika wird die Mehrheit der Babys tatsächlich mit blauen Augen geboren. In Afrika, Asien und Südamerika haben dagegen die meisten Säuglinge schon bei ihrer Geburt braune Augen.

Der dafür verantwortliche «Farbstoff» heisst Melanin. Dieses Pigment macht die Iris unseres Auges braun – sofern es vorhanden ist. Kinder in nördlichen, sonnenarmen Gefilden haben bei ihrer Geburt erst sehr wenige Melaninpigmente in den Augen. Du siehst zunächst nur den Grundton – das Blau. Nach der Geburt startet die eigentliche Produktion und die wirkliche Augenfarbe setzt sich dann im Laufe des ersten Lebensjahres durch. Es braucht etwas Zeit, bis sich das Melanin vollständig einlagern kann.

In südlichen Gebieten hingegen werden die Babyaugen schon im Mutterbauch vor starkem Sonnenlicht geschützt. Das Melanin absorbiert es, die Augen sind darum von der Geburt an dunkler.

Ja, solche Augenfarben-Fakten können durchaus erstaunen.
Ja, solche Augenfarben-Fakten können durchaus erstaunen.
Quelle: Shutterstock/LENKAandSASHKA

Heisst das als Schlussfolgerung, dass Babys mit blauen Augen schlechter vor UV-Strahlen geschützt sind? Jein: Laut «Augenärzte Bern» ist es falsch zu behaupten, dass blaue Augen einen biologischen Nachteil hätten. Das Gegenteil sei der Fall. «Durch weniger Melanin kommt mehr Sonnenlicht durch, was in den nördlichen Breitengraden von Vorteil ist, da Sonnenlicht zur Vitamin-D-Produktion benötigt wird.»

Was die Eltern mit der Augenfarbe zu tun haben

Ob blau, grün oder braun: Welche Augenfarbe die Kinder schlussendlich haben, hängt also von der Melaninkonzentration in der Iris ab. Blaue Augen haben sehr wenig Melanin, grüne Augen etwas mehr und dunkle Augen viel Melanin. Verantwortlich für die Augenfarbe – beziehungsweise die Melaninproduktion – sind die Gene.

Wie kann es aber sein, dass Eltern mit braunen Augen Kinder mit blauen Augenfarben bekommen? Das hängt mit der Gen-Kombination zusammen. Dabei unterscheidet man zwei Typen: Der Phänotyp ist für die äusserlichen Merkmale zuständig, die sichtbar sind. Der Genotyp besteht aus der Erbinformation, die in zweifacher Form vorliegt – einer Information von der Mutter, einer vom Vater.

Wenn beide Teile die Info «Blau» weitergeben, hat das Kind den Genotyp Blau/Blau und als Phänotyp blaue Augen. Wenn die Mutter die Info «Blau» und der Vater «Braun» vererbt, hat das Kind den Genotyp Blau/Braun und braune Augen, weil Braun gegenüber Blau dominant ist (siehe die Infobox «Die seltenste Augenfarbe der Welt»). Hat das Kind später selbst Nachwuchs, kann es aber die Info «Braun» oder «Blau», die es in sich trägt, weitergeben. So kann es auch vorkommen, dass Eltern mit braunen Augen Kinder mit einer blauen Augenfarbe haben.

Die vielfältigen Launen der Natur

In sehr seltenen Fällen – einer von 250’ 000 Menschen ist betroffen – gibt es gar zwei verschiedenfarbige Augen. Das Phänomen heisst Heterochromie und ist auf eine Störung der Pigmentierung der Iris zurückzuführen: Ein Auge erhält schlicht weniger Melanin. Das ist aber harmlos. Eine Laune der Natur eben.

Zweifarbiger Blick: Im braunen Auge ist die Melaninkonzentration grösser.
Zweifarbiger Blick: Im braunen Auge ist die Melaninkonzentration grösser.
Quelle: New Africa

Apropos Laune der Natur (oder ist es eher Ironie des Schicksals?): Während ich an diesem Beitrag schreibe, versucht mich meine Mutter zu erreichen. Mami, ich rufe zurück! Und dann habe ich dir einiges zu erzählen von den angeblich immer blauen Augen der Babys …

In der Serie «Wahrheit oder Wahnsinn?» gehe ich spannenden Baby-Weisheiten und skurrilen Schwangerschafts-Theorien auf den Grund. Bereits erschienen:

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Titelbild: Shutterstock/FamVeld

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Anna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.


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