Rihanna kleidet ihren Jungen in Rosa – und ist damit altmodischer als gedacht
Das Netz flippt aus, weil Rihannas Sohn Rosa trägt. Höchste Zeit für einen Blick in die Vergangenheit: Wie Mädchen- und Jungsfarben entstanden sind, wieso Rosa einst Männersache war und was Juventus Turin mit dem Farbenspiel zu tun hat.
Riot Rose heisst der jüngste Familienzuwachs von Sängerin Rihanna und Rapper A$AP Rocky. Und der Zweitname ist hier Programm: Auf dem ersten veröffentlichten Bild zu viert trägt der Bub, der Anfang August das Licht der Welt erblickte, rosa Latzhöschen und rosa Mütze mit Schleife.
So weit, so unspektakulär. Dürfte man in Zeiten von Mädchen-Shirts mit Dinos und Jungs-Pullis mit Glitzer-Einhorn jedenfalls meinen. Trotzdem spielt die Instagram-Community unter dem Post des Star-Fotografen Diggzy gerade verrückt. Hunderte Fans beteiligen sich an einer Diskussion über das farbliche Genderklischee.
Ein kleiner Auszug: «Es ist also ein Junge, richtig?», schreibt eine Userin etwa. Und erntet ihrerseits zahlreiche Kommentare von «Was ist dein Problem?» bis zu «Ich bin auch total verwirrt.» Mutmassungen werden angestellt: «Wahrscheinlich haben sie ein Mädchen erwartet und Unmengen an pinkfarbenen Kleider gekauft.» Oder: «Vielleicht wollte sie ein Mädchen.»
Rosa für Männlichkeit, Blau für weibliche Anmut
Die Vorstellung ist klar: Pink für Mädchen, Blau für Jungs. So will es die modische Farbenregel seit jeher. Weil es unsere Kinder nun mal so wollen – das ganz natürliche Farbenspiel, oder?
Nun, ganz so einfach ist das nicht. Früher war die Farbordnung nämlich genau anders rum: Bis vor hundert Jahren – als weder Barbies noch Paw Patrol existierten – war die Farbe Rosa in vielen Kulturen Jungs vorbehalten. Und Himmelblau gehörte den Mädchen. Denn Blau ist die Farbe Marias, der Mutter Gottes.
Rot hingegen galt als Zeichen der Männlichkeit und der Stärke. Rosa – das «kleine Rot» – wurde deshalb für Buben genutzt. «Der zarte Rotton ähnelte den blutigen Flecken, die sich auf den Hemden heimkehrender Kriegssoldaten wiederfanden und wurde im Bekleidungssegment vieler Kaufhäuser zur männlichen Konvention», schreibt Geo.de dazu.
Das deutsche Wissensmagazin untermauert die damalige Farbenlehre mit zwei prominenten Beispielen: Der 1897 gegründete Fussballverein Juventus Turin etwa lief mit rosafarbenen Trikots auf. Und das «Ladies' Home Journal», ein einst führendes US-Frauenmagazin, schrieb im Jahr 1918: «Die allgemein akzeptierte Regel ist Rosa für Jungen und Blau für die Mädchen. Der Grund dafür ist, dass Rosa als eine entschlossenere und kräftigere Farbe besser zu Jungen passt, während Blau, weil es delikater und anmutiger ist, bei Mädchen hübscher aussieht.»
Die «Süddeutsche Zeitung» nennt in diesem Zusammenhang die schwangere belgische Prinzessin Astrid, die 1927 ihre Wiege in der «Jungsfarbe Rosa» dekorierte – weil sie überzeugt war, einen Sohn zu bekommen. Und im selben Jahr druckte das «Time Magazine» eine Tabelle mit den Empfehlungen grosser Kaufhäuser für geschlechtsangemessene Farben: Rosa für Jungen und Blau für Mädchen.
Der Tausch der Geschlechterfarben
Ein angeborenes Rosa- beziehungsweise Blau-Gen existiert so also nicht. Wenn Eltern sagen, sie könnten noch so viele blaue und grüne Kleidungsstücke kaufen, ihre Tochter wolle trotzdem nur Pink und Rosa, hat das weniger mit der Natur als vielmehr mit äusseren Einflüssen und der Gruppenzugehörigkeit zu tun. Weil es die Schulkolleginnen und die Serien- und Filmheldinnen eben auch so tragen. Aber auch, weil ihnen die rosafarbenen Paillettenstoffe im Kleiderladen geradezu entgegenfliegen und «Nimm mich!» schreien. Die Werbung will uns weismachen, dass bestimmte Farben zu bestimmten Geschlechtern gehören.
Warum sich die Farbordnung im Laufe der Jahre ins Gegenteil wandelte, ist indes nicht klar. Es existieren unterschiedliche Ansätze und Theorien: Vielleicht hat es mit der Jeanshose zu tun, die in den 40er-Jahren aus den USA nach Europa kam und zunächst vor allem Arbeitshose für Handwerker – damals fast ausschliesslich Männer – war. Vielleicht haben die Uniformen der Matrosen dazu beigetragen, dass Blau immer mehr als Jungsfarbe interpretiert wurde. Oder die Blaumänner, die die Arbeiter in den neuen Fabriken trugen. Blau stand für Kraft, Stärke und Leistung.
Und Rosa – zart, sanft und anmutig – wiederum wurde spätestens mit der Barbie-Erfindung in den 50er-Jahren die Mädchenfarbe schlechthin. Mit dem Boom der Gender-Reveal-Partys wird diese neue Farbenordnung seit einigen Jahren noch zusätzlich kräftig zementiert.
Rihannas Geheimnis
Fest steht: Die Gesellschaft hat sich gewandelt, genau wie die Farbwahrnehmung. Galt etwas früher für schön, ist es heute nicht mehr so. Und im Prinzip ist es Zufall, was wir als richtig oder falsch interpretieren. Es hätte auch anders kommen können: Je nachdem, was sich in unseren Köpfen festsetzt – oder je nachdem, was sich die Fashion- und Marketingwelt für unsere Köpfe ausdenkt.
Vor diesem geschichtlichen Hintergrund ist Rihanna durchaus altmodisch. Oder hochmodern – je nachdem, wie du es drehst und wendest. Ob sie mit der Outfit-Wahl für ihren neugeborenen Sohn feste Gendernormen brechen oder einfach nur auf seinen Zweitnamen anspielen will, bleibt sowieso ihr Geheimnis. Zumindest die krude Theorie, wonach sie die Öffentlichkeit an der Nase herumgeführt und in Wahrheit ein Mädchen geboren hat, hat sie gleich selbst dementiert: «The Mayers Boyz», schrieb der Superstar höchstpersönlich unter den Post. Und damit ist eigentlich alles gesagt.
Titelfoto: Shutterstock/Lev KropotovAnna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.