Verflixt und zugenäht! Ich will nicht basteln – schon gar nicht ohne mein Kind
In diesem Beitrag fluche ich wie ein Rohrspatz. Und mache mich zum Affen. Grund: Ich muss ein komisches Tier nähen – für meine Tochter, aber ohne sie. Warum das Höchststrafe ist und wie sehr mich das überfordert.
Es ist bereits 20 Uhr, als das Reizwort «Basteln» fällt. «Wir würden jetzt zum Bastel-Teil übergehen», sagt die Kindergärtnerin in euphorischem Ton. «Würde», pha! Als gäbe es irgendeine andere Option. Während ich über den deplatzierten Konjunktiv nachdenke, hält sie ein undefinierbares, fransiges Stofftier in die Höhe. In etwa so soll das Werk am Ende aussehen. «Stoff, Nadel, Faden und eine selbsterklärende Anleitung findet ihr auf den Tischchen.»
Wir befinden uns an einem Elternabend. In den ersten eineinhalb Stunden haben wir uns ausgiebig vorgestellt und sind mit allerlei Infos zum Turnsack-Inhalt oder Kindergeburtstags-Ritual informiert worden. Und nun sollen wir auch noch nähen. Ein Stofftier! Zwei Wochen zuvor, am ersten Kindergartentag, war es noch eine einfache Namensbeschriftung auf einem Stück Filzstoff – haben wir nicht mindestens drei Levels übersprungen?
30 Erwachsene auf Kinderstühlchen
Nicht hinterfragen, beeilen, denke ich mir. Rund 30 Mamis und Papis zwängen sich jetzt nämlich gleichzeitig auf die viel zu kleinen und viel zu wenigen Kinderstühlchen an den Basteltischen. Es wird geschnitten, genäht und gestopft. Ich mache munter mit. Vorerst.
Nach einer Viertelstunde stehe ich kurz vor dem Wahnsinn und plane meine Flucht. Ich decke mich mit den notwendigen Utensilien ein und verabschiede mich. Zum Glück haben wir vorgängig die offizielle Erlaubnis erhalten, das Stofftier zu Hause fertig zu nähen. Aber innerhalb einer Woche, bitteschön.
Und jetzt rate mal…
Exakt eine Woche später kommt die Tochter mit einem aufgemalten Symbol auf der Hand aus dem Kindergarten. Es soll sie daran erinnern, mich daran zu erinnern, dass die Frist für die Bastelarbeit abgelaufen ist. Verflixt und zugenäht!
Noch am selben Abend setze ich mich an den Esstisch, fluche über mich («Selbst für diese angeblich selbsterklärende Anleitung bist du zu doof»), rede mir gut zu («Du hast schon Schwierigeres geschafft») und erinnere mich an die Worte meiner eigenen Mutter («Ich habe zwei linke Näh-Hände»). Mami, I feel you! Selbst wenn ich jetzt meine besten Nadel-Skills auspacke, sind sie immer noch unterirdisch schlecht.
Immerhin sitze ich jetzt aber auf einem Erwachsenenstuhl. Und habe ein Erwachsenen-Getränk neben mir stehen. Prost!
Wann basteln Sinn macht – und wann nicht
Ich. hasse. Basteln. Das ist kein Geheimnis. Aber auch einfach mein Problem. Manchmal muss ich halt in den sauren Apfel beissen.
Trotzdem erschliesst sich mir hier der Sinn einfach nicht. Warum soll ich inmitten von Erwachsenen, die ich nicht mal kenne, zusammengepfercht auf Mini-Stühlen nähen? Weil’s so Spass macht? Tut es nicht. Weil’s für meine Tochter ist? Dann soll sie aber neben mir sitzen. Wenn ich schon bastle, will ich selbst entscheiden, was, wann und wo. Und vor allem mit wem. Nämlich zusammen mit meinen Kindern.
Das mache ich ab und zu auch tatsächlich. Weil meine Mädchen ironischerweise sehr gerne basteln (von wem haben sie das nur?). Wir malen Bilder. Schnitzen Kürbisse. Backen Weihnachtsguetsli (läuft bei mir auch unter Basteln, okay?).
Und: Wir schnitzen Räbeliechtli. Das können oder viel eher müssen wir auch schon bald wieder – im Kindergarten. Einen Tag vor dem Räbeliechtli-Umzug versammeln sich die Eltern nämlich erneut auf den Stühlchen und helfen ihren unbeholfenenen Kindern, ihre Räbe auszuhöhlen und zu verzieren. Da macht das Chindsgi-Basteln aber auch für mich Sinn. Weil meine Tochter und ich Zeit zusammen verbringen und gemeinsam etwas erarbeiten.
Dafür würde ich sogar einen halben Tag freinehmen. Wenn der Räbenschnitz-Morgen heuer nicht ausgerechnet auf den Betreuungstag meines Mannes fallen würde. Sorry, not sorry.
Fazit: ein weinendes Kind und ein wackeliger Kopf
Dafür bleibt die Stofftier-Büez nun an mir hängen. Und dafür benötige ich neben einer halben Stunde Arbeit im Kindergarten am Ende nochmals zwei Stunden zu Hause. Vielleicht ist das meiner Unfähigkeit verschuldet, trotzdem behaupte ich, jedes andere Elternteil mit durchschnittlichen Näh-Skills musste ebenfalls mindestens eine Stunde dafür aufwenden.
Am Ende weiss ich nicht einmal, was das Ding darstellen soll. Es sieht aus wie ein dicker Elefant mit Spitznase in floralem Design und zerzauster Pferdemähne. Eifach öppis. Meine Tochter klärt mich aber auf: «Das ist das ‹Ich bin Ich›, dänk!» Ich google eine Kinderbuch-Figur – und stelle tatsächlich Ähnlichkeiten mit meinem Elefanten-Pferd fest.
Ähnlichkeiten hin oder her: Die Kindergärtnerin (die ich abgesehen von ihren Bastel-Ambitionen übrigens sehr verehre) dürfte sich das Endprodukt meiner Tochter mitleidig anschauen. «Armes Kind!», denkt sie sich wohl insgeheim. Und irgendwie hat sie ja Recht.
Tage später kommt meine Tochter nämlich weinend nach Hause. Der Kopf ihres «Ich bin Ichs» wackelt. «Mami, das hättest du besser annähen müssen!», schimpft sie mit mir. «Ich weiss, mein Kind, ich weiss», denke ich mir. Aber behaupte stattdessen, dass dies genau so sein muss. «Ein Tier muss doch nicken können.» Klar, oder?
Titelfoto: Katja FischerAnna- und Elsa-Mami, Apéro-Expertin, Gruppenfitness-Enthusiastin, Möchtegern-Ballerina und Gossip-Liebhaberin. Oft Hochleistungs-Multitaskerin und Alleshaben-Wollerin, manchmal Schoggi-Chefin und Sofa-Heldin.