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Tauchen ohne Tarierjacket und Blei – Avelo will das ermöglichen
Gerätetauchen ohne Tarierweste oder Wing – unmöglich, stimmt’s? Nein. Avelo, ein Start-up aus Hawaii, setzt auf einen Hydrotank mit Pumpe, der wie ein U-Boot Wasserballast aufnehmen und ablassen kann. Und gewinnt damit den «Dive Innovationspreis» auf der internationalen Messe «Boot».
Aviad Cahana ist ein von mehreren internationalen Tauchorganisationen zertifizierter Tauchlehrer und gleichzeitig Ingenieur. Von Tauchanfängerinnen und -anfängern hatte er immer wieder die Frage gehört: «Warum ist die Ausrüstung so schwer?»
Kommt dir das bekannt vor? Mir schon. Der Weg zum Wasser mit der Ausrüstung kostet Kraft. Wer vom Boot aus taucht und über eine Leiter oder über den Rand des Zodiacs wieder hinaufklettern muss, weiss ebenfalls, wie anstrengend das in voller Montur sein kann.
Für Aviad Cahana waren die Klagen seiner Schülerinnen und Schüler die Initialzündung. Er gründete Avelo Labs und tüftelte fortan an einem System, das mit weniger Gewicht auskommt und gleichzeitig das Tarieren unter Wasser erleichtert. Für das Avelo-System wurden er und sein Team auf der «Boot» 2025 mit dem «Dive Innovationspreis» ausgezeichnet.
Einfacheres Tarieren und weniger Gewicht
Die traditionelle Tauchausrüstung beinhaltet (vereinfacht gesagt) mindestens eine Tauchflasche, ein Tarierjacket oder einen Wing mit Backplate. Da diese Elemente viel Volumen haben, ist im Gegenzug ein Gewichtssystem (Bleigurt oder Gewichte in den Taschen) nötig, um die Wasserverdrängung auszugleichen und absinken zu können.
Um die Tiefe unter Wasser zu kontrollieren, wird das Jacket beim Absinken kontinuierlich mit Luft gefüllt. Da der Druck mit jedem Meter Tiefe steigt, wird die Luft immer stärker zusammengepresst. Um den jeweils nötigen Auftrieb aufrecht zu erhalten, muss die Luft im Jacket beim Abstieg gut dosiert nachgefüllt und beim Aufstieg kontrolliert abgelassen werden.
Tarieren beschreibt die Fertigkeit, den perfekten Ausgleich zwischen Schwerkraft und Auftrieb zu erreichen, so dass du stabil auf der gewünschten Höhe im Wasser schwebst.

Quelle: Jennifer Idol/Avelo
Beherrscht du das Tarieren nicht, kann es passieren, dass du unkontrolliert aufsteigst und dein Risiko für Dekompressionserkrankungen dadurch erhöhst. Gerade Anfängerinnen und Anfänger gehen deshalb oft mit zu viel Blei ins Wasser, um einfacher abzutauchen und beim Aufstieg nicht zu schnell an die Oberfläche zu schiessen.
Wer in der Nähe des See- oder Meeresbodens nicht richtig tariert, wirbelt möglicherweise zu viel Schlick oder Sand auf. Das beeinträchtigt die Sicht und erschwert die Orientierung. Oder du berührst aus Versehen Korallen, Laich oder andere Lebewesen und störst deren Lebensraum.
So funktioniert das System in der Theorie
Für Aviad waren das gute Gründe, ein System zu entwickeln, das bei der Regulierung des Auftriebs auf nicht-komprimierbares Wasser statt auf komprimierbare Atemgase setzt. Als Vorbild dienten U-Boote, die Wasser in Ballasttanks pumpen, wodurch sich die Dichte erhöht und die Boote absinken. Zum Aufsteigen wird Wasser aus den Tanks gelassen, um die Dichte zu verringern.
Das Avelo-System besteht aus einem leichten Hydrotank und einem Jetpack, also einer Pumpe und Batterie. Das System soll nach Herstellerangaben im Vergleich zu traditionellen Tauchausrüstungen etwa neun bis 14 Kilo einsparen. Die Avelo-Flasche allein ist rund 5,5 Kilo leichter als traditionelle Tauchflaschen aus Stahl.
Theoretisch geht es so: Taucherinnen und Taucher drücken beim Abtauchen einen Knopf, der eine Pumpe aktiviert, die Wasser in den Hydrotank pumpt. Dadurch gelingt das Abtauchen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Auftriebskontrollgeräten bleibt der Auftrieb des Hydrotanks konstant und wird nicht durch Änderungen des Umgebungsdrucks beeinflusst. So soll das Tarieren in jeder Tiefe gelingen und muss nicht fortlaufend durch Ein- und Auslassen von Atemgasen reguliert werden. Beim Aufstieg läuft der Prozess in umgekehrter Richtung ab.
Testen konnte ich das Avelo System noch nicht. Bisher gibt es nach Angaben des Unternehmens weltweit 31 Avelo Dive Centers. Als Ausbildungsorganisation bietet Avelo den weiterführenden Kurs «Recreational Avelo Diver (RAD)» an, um bereits zertifizierten Taucherinnen und Tauchern den Umgang mit dem neuen System zu vermitteln. Inzwischen gibt es rund 900 Taucherinnen und Taucher, die mit dem neuen System geschult sind.
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Quelle: Jennifer Idol/Avelo
Stressfreieres Tauchen für alle Levels
Das System richtet sich sowohl an diejenigen, die gerade mit dem Tauchen beginnen, aber schon die ersten Freiwasser-Zertifizierungen haben, als auch an Profis. Eine weitere Zielgruppe sind spezialisierte Taucherinnen und Taucher, die beispielsweise bei der Unterwasserfotografie oder beim Filmen auf neutralen Auftrieb angewiesen sind.
Durch die Partnerschaften mit Scubapro und Shearwater soll sich der Zugang zu den Systemen und die Verfügbarkeit künftig noch erhöhen.
Da das Tauchen ohne Jacket, Wing und Gewichte insgesamt stromlinienförmiger ist und die manuelle Feinsteuerung des Auftriebs entfällt, soll das Taucherlebnis stressfreier sein und weniger Atemgas beanspruchen.
Durch die Partnerschaft mit dem Tauchcomputer-Hersteller Shearwater soll der neu entwickelte Avelo-Modus auch Feedback zu biometrischen Daten von Tauchenden und ihrer Effizienz unter Wasser geben können. Shearwater bietet den Avelo-Modus auf dem Teric Tauchcomputer an. Damit kannst du die verbleibende Atemgasmenge in Echtzeit sehen sowie die wichtigsten Statistiken zu Tiefe, Aufstiegsgeschwindigkeit und Nullzeiten nach dem Tauchgang analysieren.
Entwickler Aviad Cahana hofft, den Tauchsport mit dem neuen System und künftigen Weiterentwicklungen für mehr Menschen zugänglich zu machen. Durch leichtere, intuitiv zu bedienende Systeme sollen die Einstiegshürden für Outdoor-Enthusiasten gesenkt werden und es ihnen ermöglichen, schneller als bisher Fortschritte zu machen und sicherer und einfacher zu tauchen.
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Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.