Sonos Ace: Klingt super, hätte aber noch etwas Zeit gebraucht
Der Speaker-Hersteller Sonos bringt seinen lange erwarteten Kopfhörer auf den Markt. Die Hardware überzeugt mich. Die Software hat allerdings noch Verbesserungspotenzial.
«The Wait is over.» Unter diesem Slogan preist Sonos den Ace an. Der erste Kopfhörer des Multiroom-Pioniers ist ein Over-Ear-Modell. Der Ace ist nicht nur für unterwegs gedacht: Ich soll ihn auch in mein heimisches Sonos-System einbinden können. Der Sound soll auf Knopfdruck von meiner Sonos Soundbar auf den Sonos Ace wechseln – inklusive Surround-Effekt.
Vor dem Einrichten unbedingt Updates machen
Sonos hat mit dem Rundum-Update seiner App einen veritablen Shitstorm entfacht. Funktionen fehlen, tun nicht mehr, was sie sollen oder werden auf dem neuen Interface nicht mehr gefunden. Die Community tobte. Kollege Lorenz findet die neue App nicht ganz so schlimm, ist insgesamt aber auch unzufrieden.
Bevor du den Kopfhörer überhaupt auspackst, solltest du erstmal ein Update der Sonos App machen. Ich habe nicht daran gedacht, was zunächst für viel Frust beim Verbinden des Ace sorgte.
Nach dem App-Update solltest du sogleich nach einem Firmware-Update für den Ace suchen. Es gibt nämlich eines. Erst danach wird der Kopfhörer automatisch von der App erkannt. Sollte das nicht funktionieren, hast du unter iOS ein Problem. Wenn du nämlich manuell ein Gerät verbinden willst, erscheint oft die Meldung «Als Systemeigentümer anmelden». Auch wenn du das schon bist. Das scheint ein bekannter, teilweise (aber nur teilweise) behobener Bug zu sein. Es ist zu hoffen, dass Sonos ihn rasch ausmerzt.
Auch nachdem der Sonos Ace verbunden ist, habe ich Probleme. Wenn ich den Kopfhörer ausschalte und die Bluetooth-Verbindung abbricht, muss ich die App komplett schliessen und neu starten, wenn ich den Kopfhörer wieder einschalte. Sonst wird er nicht wieder automatisch erkannt – obwohl er mit dem Handy verbunden ist.
Verzichte auf den Versuch, die Kopfhörer in dein Sonos-System zu integrieren. Anders als beim Multi-Room-System von Sonos funktioniert das mit dem Ace nicht. WLAN-Support gibt es nur für das TV-Audio-Swap-Feature, was auch für Kritik sorgt. Schade, schade.
Du kannst den Ace auch ohne die App per Bluetooth mit deinem Smartphone verbinden und nutzen. Dann entgeht dir aber einiges.
Musik: unaufdringlich und sehr, sehr gut
Der Sonos Ace unterstützt SBC, AAC und AptX Lossless – letzteres natürlich nur mit Android. Ausserdem Bluetooth 5.4. Dafür verzichtet Sonos (noch?) auf Auracast, was schade ist. Dennoch sind die Voraussetzungen für guten Sound bei dieser Vielzahl an Codecs und modernen Standards gegeben. Sonos verbaut einen dynamischen 40mm-Treiber in jedem Hörer. Ein dynamischer Treiber besteht vereinfacht gesagt aus einer Membran an einer Drahtspule. Wenn das Audiosignal durch diese Spule läuft, entsteht ein Magnetfeld, welches die Membran in Bewegung versetzt und so Schallwellen erzeugt.
Luftig, klar und überall
Ich höre mir «Fool’s Errand» von den Fleet Foxes an. Mit dem choralen Gesang und den Drums eignet sich das Stück ideal, um herauszuhören, ob der Ace die Elemente gut voneinander trennt und klar wiedergeben kann. Kann er. Durch den 3D-Sound und das Head Tracking wirkt das Klangbild sehr weiträumig – nicht selten hatte ich das Gefühl, dass die Strassenmusiker direkt neben mir stehen.
Schön dezenter, aber nicht kraftloser Bass
Bei Ghosttown von Yung Lean geht es in eine komplett andere Richtung. Die vielen Autotune-Elemente und die tiefe Stimme der Protagonisten Yung Lean und Travis Scott bringen den präsenten, aber zu keinem Zeitpunkt verfälschten Bass zur Geltung. Die Treiber geben die Tiefen auch hier klar wieder. Nichts wird verzerrt, nichts überbetont. Eine sehr präzise Wiedergabe und irgendwie angenehm intensiv – ich kann mich komplett in die Musik fallen lassen. Das hat auch mit dem Head-Tracking zu tun – wenn du es aktivierst, «folgt» dir die Musik, wenn du den Kopf drehst. Er scheint aus allen Richtungen zu kommen.
Auch beim Telefonieren ist der Ton sauber, klar und präzise. Ich habe im Test sowohl mit den Kopfhörern telefoniert als auch mit jemandem, der die Kopfhörer trägt. Sonos verbaut pro Hörer vier Mikrofone, die während des Gesprächs die Frequenzen der Störgeräusche herausfiltern. Es fühlt sich an, als komme die Stimme des Gesprächspartners aus dem eigenen Kopf. Das klingt unheimlich – die Qualität ist aber fantastisch. Auch in die andere Richtung ist man mit dem Kopfhörer als Headset klar zu verstehen.
Natürlich verbaut Sonos auch eine Geräuschunterdrückung. Du kannst am Kopfhörer zwischen den Modi «ANC On» und «Aware» wechseln. Willst du das Ganze komplett abschalten, brauchst du die App. Mich beeindruckt, wie schnell der Ace plötzliche, einmalige Geräusche wegfiltert. Sie sind normalerweise der Schwachpunkt von ANC-Kopfhörern. Regelmässige Geräusche auf der gleichen Frequenz sind meistens kein Problem. Zum Beispiel Stimmen im Zug.
Noch besser gefallen hat mir der Aware-Mode – im Gegensatz zu vielen anderen Modellen verstärkt der Ace die Geräusche über die Mikrofone nicht und auch ein Rauschen ist nicht zu hören. Er ist sogar mit dem starken Transparenz-Modus der AirPods Max auf Augenhöhe.
Die App
Neben den bereits erwähnten ANC-Modi bietet die App eine Multipoint-Funktion, um zwei Geräte gleichzeitig mit dem Ace zu verbinden. Zudem gibt’s eine zuverlässige Autodetection, die erkennt, ob du den Kopfhörer trägst und die Musik pausiert oder eben weiterlaufen lässt. Natürlich gibt es auch einen Equalizer für Bässe, Höhen, Balance und Lautstärke.
Was nicht geht: deine Streaming-Accounts mit der App verbinden und sie dort steuern. Wenn du Musik hörst, kannst du den Track weiterschalten, pausieren und so weiter – aber du musst die Streaming-App erst separat starten. Das ist ein weiteres Ärgernis im Zusammenhang mit der App – es ist zu hoffen, dass sich dies bald ändert. Dieses Problem hatte ich in der Vergangenheit mit anderen Sonos-Geräten nicht.
Eines der Features, die Sonos besonders anpreist, ist der «TV Audio Swap». Die Idee dahinter: Schaust du einen Film, kannst du den Sound auf Knopfdruck von der Soundbar auf den Ace umschalten. Zum Beispiel, wenn du die Nachbarn nicht stören willst. Dabei soll der Surround-Effekt erhalten bleiben.
Unglücklicherweise ist das bisher nur mit der Sonos Arc möglich – die anderen Soundbars des Herstellers müssen noch darben. Freundlicherweise liefert mir Sonos leihweise gleich die richtige Soundbar im Test-Set dazu. Allerdings habe ich auch hier wieder mit der App zu kämpfen – sie besteht darauf, dass der Account, mit dem ich mich angemeldet habe, nicht der «Eigentümer» des Systems ist. Anders als beim Ace, der nach dem Update erkannt wird, bleibt das Problem bei der Arc bestehen. Mit der Android-Version funktioniert es zwar – aber die Swap-Funktion ist bisher nur für iOS verfügbar. Nach einigem Kampf funktioniert die Systemeinbindung mit dem iPad, danach wird die Bar dann auch vom iPhone erkannt.
TV-Audio: Kern-Feature kommt später, Gruss Sonos
Jetzt funktioniert das Swappen. Egal, ob ich einen Film am TV schaue oder auf der PS5 zocke – der Sound wechselt nahtlos. Eine Verzögerung kann ich nicht feststellen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass sich der Akku etwas schneller leert, wenn die Bar den Sound an die Kopfhörer überträgt.
Ein weiteres Heimkino-Feature wäre TrueCinema. Mit Hilfe einer neuen Software wird damit die Akustik der Kopfhörer an den Raum angepasst. Der Raumklang soll mit dem Kopfhörer gleich klingen wie mit der Soundbar. Leider kommt die Funktion erst später in diesem Jahr. Dass ein Keyfeature eines Produkts zum Launch noch nicht verfügbar ist, finde ich mehr als fragwürdig.
Stabiles, bequemes Äusseres, top Bedienung
Genau wie bei der Musik liefert Sonos auch bei der Hardware tolle Arbeit. Der Ace fühlt sich sehr wertig an. Obwohl er aus verschiedenen Kunststoffen und nicht etwa aus Alu gefertigt ist, vernehme ich kein «Plastikgequietsche». Die Ohrpolster bestehen aus Kunstleder und haften magnetisch am Kopfhörer. Sie sind also leicht zu entfernen und – wenn sie denn mal abgenutzt sind – auch zu ersetzen, ohne dass du gleich wieder 499 Franken für ein neues Paar Kopfhörer ausgeben musst. Die Innenseite der Polster und der Hörer sind farblich unterschiedlich gehalten – einmal schwarz (links) einmal weiss-transparent (rechts), sodass du gleich weisst, welches Teil wohin kommt.
Bequem ist auch der Bügel: Sonos packt dort Memoryfoam rein, sodass sich die Polsterung fliessend deinem Kopf anpasst. Auch sind die Ohrpolster ziemlich breit – so finden auch grössere Ohren genug Platz. Keine Stelle bekommt zu viel Pressdruck ab. Die Aussenseiten sind matt und beschichtet, was dafür sorgt, dass du nicht pausenlos Fingerabdrücke putzen musst. Sehr nice. Das dezente Sonos-Branding auf der rechten Ohrmuschel ist Ton-in-Ton gehalten – also nur bei genauem Hinsehen zu erkennen. Dafür sind die Aussenmikrofone leicht glänzend abgesetzt.
Eines meiner Highlights: Sonos verzichtet auf Touch-Gesten. Stattdessen gibt's auf der linken Seite einen Button für Power und Pairing. Rechts befindet sich ein Regler, den du nach oben und unten bewegen (für die Lautstärke) sowie drücken kannst (für Play/Pause). Eine Feder im Inneren sorgt dafür, dass der Regler immer wieder in seine Ausgangsposition zurückkehrt. Einen eigenen Knopf gibt's ausserdem für den TV Audio Swap.
Sonos liefert ein USB-C-Kabel fürs gleichzeitige kabelgebundene Musikhören und Laden sowie ein 3,5-Millimeter-Klinkenkabel für Bluetooth-Muffel mit. Zudem noch ein Quickstart-Guide und ein Etui für den Transport. Letzteres löst in mir ambivalente Gefühle aus. Es besteht aus recyceltem Stoff, was löblich ist. Auch die kleine Schachtel darin, in der man die Kabel unterbringen kann und die magnetisch im Innern des Etuis haftet, ist eine nette Idee.
Aber: Das ganze Ding fühlt sich schon schäbig an – ein wenig wie Karton. Der Reissverschluss der Box erinnert mich an jenen einer 7-Euro-Primark-Regenjacke (inklusive geschätzter Lebensdauer).
Apropos Regenjacke: Verhindere bloss, dass das Ding nass wird. Das Case wird Wasser nicht standhalten. Der Ace selbst hat auch keine ausgewiesene IPX-Zertifizierung. Sei also vorsichtig im Outdoor-Gebrauch.
Die Akku-Leistung kann sich derweil sehen lassen – bis 30 Stunden gibt der Hersteller an. Das hat sich im Alltagsgebrauch (ohne Noise Cancelling) bewahrheitet, 20 bis 25 Stunden sind es, wenn du ANC aktivierst. Positiv fällt mir auch die Schnellladefunktion auf. Sie ist zwar keine Neuheit, aber Sonos treibt es hier auf die Spitze: Drei Minuten am Strom ergeben drei Stunden Sound. Also morgens anschliessen, schnell ein Käffchen holen – und du kommst durch jeglichen Pendelverkehr.
Wichtig ist dabei, dass du das mitgelieferte Kabel und ein starkes Netzteil verwendest – 40 Watt Minimum. Wenn du den Ace via USB nur an einen schwachbrüstigen USB-Port deines Laptops anschliesst, lädt er sich nicht so schnell.
Fazit
Ein unglaublich guter Kopfhörer – aber…
Das Wichtigste zuerst: Die Hardware des Sonos Ace ist fantastisch. Ich bin hin und weg vom Sound, der Qualität beim Telefonieren, dem Noise Cancelling, der Verarbeitung und der Bedienung. Der Preis ist happig, aber nachvollziehbar. Kleinere Makel, wie etwa die fehlende IPX-Zertifizierung, kann ich verschmerzen. Die Zusatzfeatures wie der TV Audio Swap machen Spass, wenn sie funktionieren.
Was ich nicht verstehe ist, warum Sonos sich nicht etwas mehr Zeit gelassen hat. Etwa, bis TrueCinema funktioniert und der TV Audio Swap für Android fertiggestellt ist. Oder warum der Hersteller nicht gleich alle seine Soundbar-Modelle unterstützt. Und warum man den Kopfhörer nicht als «Raum» über WLAN ins System einbinden kann – das wäre ein Alleinstellungsmerkmal, auf das viele Sonos-Fans gehofft haben. Auch die App ging mir zeitweise mächtig auf den Zeiger.
So setzt sich der Kopfhörer nicht wirklich von anderen guten Over-Ear-Kopfhörer ab. Die aktuellen Premium-Modelle von Bose, Sennheiser oder Sony können gut mithalten – je nachdem, welche Soundsignatur dir zusagt.
Pro
- Guter Sound
- Verarbeitung top
- ANC / Aware-Mode sind super
Contra
- Zum Start fehlen Features
- App ist buggy
- IPX-Zertifizierung fehlt
Seit ich herausgefunden habe, wie man bei der ISDN-Card beide Telefonkanäle für eine grössere Bandbreite aktivieren kann, bastle ich an digitalen Netzwerken herum. Seit ich sprechen kann, an analogen. Wahl-Winterthurer mit rotblauem Herzen.