Dyson OnTrac
ANC, 55 h, Kabelgebunden, Kabellos
Ganz schön mutig. Dyson will die Audiobranche aufmischen und schickt dafür einen extravaganten Kopfhörer mit kristallklarer Klangqualität ins Rennen. Der Test zeigt aber auch: In Teilbereichen gibt es noch Luft nach oben, insbesondere in puncto Software.
Ich staunte nicht schlecht, als einer der Dyson-Ingenieure bei der Enthüllung der neuen Kopfhörer in London einen Flugzeugmotor aufheulen liess. Mit einem Augenzwinkern wollte er demonstrieren, dass die ANC-Funktion der neuen Dyson-Kopfhörer einem der lautesten Geräusche standhalten kann. Überprüfen konnte ich das nicht. Die Kopfhörer wurden dem Publikum nicht ausgehändigt.
Jetzt habe ich die Kopfhörer in einer weitaus realistischeren Umgebung, dem stinknormalen Alltag, getestet und bin hin und weg von der erstklassigen Audiowiedergabe aber äusserst genervt von der dazugehörigen MyDyson App.
Im Lieferumfang sind neben dem bunten Kopfhörer ein schlankes Case und ein USB-C-Ladekabel enthalten. Weitere Zubehörteile, wie USB-C-Port- auf Klinke-Kabel, bietet der Hersteller auf der Homepage an.
Beim Auspacken fällt mir auf, dass der Kopfhörer eher schwer in der Hand liegt. Kein Wunder, er bringt ein Gewicht von 454 Gramm auf die Waage. Aufgesetzt fällt mir das Gewicht zu Beginn nicht besonders auf, weil der OnTrac gut ausbalanciert ist und sich meiner Kopfform anpassen lässt. Nachdem ich ihn aber einige Stunden trage, merke ich, wie sich mein Kopf langsam Richtung Boden neigt. Sicherlich kein Segen für meine sowieso schon eher schlechte Bürogummihaltung.
Abgesehen vom Gewicht sitzt der OnTrac aber ziemlich bequem. Trotz Brille kann ich ihn für mehrere Stunden tragen, ohne dass sich ein Druck auf meine Schläfen oder ein Schwindelgefühl breitmacht, was mir bei Over-Ear-Kopfhörern normalerweise schnell passiert. Die Ohrpolster liegen weich auf und umfassen mein ganzes Ohr. Weil sie gut abdichten, beginne ich jedoch bei hohen Temperaturen auch schnell darunter zu schwitzen.
Wie breit die Ohrpolster wirklich sind, merke ich insbesondere dann, wenn ich mir den OnTrac um den Hals hänge und dieser Schlüsselbein und Kieferknochen gleichzeitig berührt.
Mit seiner imposanten Grösse und den poppigen Farben ist der OnTrac definitiv ein auffallendes Accessoire. Wenn du es noch einzigartiger magst, kannst du die Endkappen und Ohrpolster ganz nach deinem Geschmack individualisieren. Dafür hält Dyson eine grosse Farbpalette an Kappen und Polster bereit, die 50 Franken pro Paar kosten. Die beschichteten Aluminium-Endkappen machen einen robusten und hochwertigen Eindruck. Auch die Micro-Wildleder-Ohrpolster. Die fühlen sich sehr weich und geschmeidig an. Das Wechseln beider Teile funktioniert erstaunlich einfach und schnell.
Gesamthaft empfinde ich den Kopfhörer als qualitativ hochwertig. Auch die verbauten Kunststoffteile. Die vier Basismodelle, die für 499 Franken erhältlich sind, sind stylische Kopfhörer, die mit ihrer Individualisierbarkeit den Puls der Zeit treffen. Der OnTrac könnte meiner Ansicht nach ein wenig kleiner sein, da er auf meinem Kopf etwas gross und klobig wirkt. Aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten.
Die manuelle Steuerung erfolgt über einen Steuerknopf, den der Hersteller Joystick nennt, am Kopfhörer. Damit kann ich Musikstücke abspielen, anhalten, vorspulen, überspringen oder die Lautstärke regulieren. Die Bedienung ist intuitiv und funktioniert reibungslos. Die Sprachsteuerung kann ich ebenfalls durch langes Drücken auf den Joystick aktivieren. Mit dieser bin ich aber nicht zufrieden, denn sie wählt im Test stets die falschen Kontakte aus und ruft diese direkt und unaufhaltsam an.
Die Ohrmuscheln fallen schmal aus, weil der Lithium-Ionen-Akku im Kopfbügel verbaut wurde. Dieser soll laut Herstellerangaben nach einer vollen Ladung bis zu 55 Stunden im ANC-Betrieb laufen. Im Test lasse ich den Kopfhörer nonstop laufen und erreiche 45 Stunden Betriebszeit, dann ist der Akku leer. Das ist zwar weniger lang als versprochen aber dennoch eine beachtliche Dauer. Mit dieser Laufzeit musst du den Kopfhörer bei normalem Gebrauch einmal in der Woche laden. Das geht mit der Schnellladefunktion. Nach 10-minütiger Aufladung kannst du bereits wieder 2,5 Stunden hören und nach drei Stunden ist der Kopfhörer wieder voll.
Das Ziel dieser Kopfhörer sei laut Dyson, die Musik so authentisch wie möglich zu übermitteln. Und ich muss zugeben, das macht der OnTrac im ANC-Modus tatsächlich verdammt gut, auch wenn er nur Stereo verwendet. Ob Schlagzeugsolo, Wassertrommelkonzert oder Chorgesang – mit dem Kopfhörer tauche ich in jedes Musikgenre ein und möchte nicht mehr zurück. Das schafft er, indem er die Audiosignale mit 40-mm-Neodym-Lautsprechertreibern mit 16 Ohm und erweiterter Audiosignalverarbeitung wiedergibt.
Um den Raumklang zu testen, höre ich mir «Heathered Pearls» von Salvaged Copper (feat. Terrence Dixon) an. Der tiefreichende Bass wird dabei sehr deutlich, aber auf keinster Weise penetrant wiedergegeben, sodass die langgezogenen Flächen deutlich erkennbar sind und ein hypnotisierendes Klangbild entsteht. Sogar die Vinyl-Cracks, die hin und wieder auftauchen, höre ich haarscharf. Auch ohne 360-Grad-Audio erzeugt der OnTrac bei mir ein authentisches Raumgefühl.
Bei «Hello» von Jelani Blackman überzeugt mich der Kopfhörer mit der klaren Wiedergabe der tiefen Stimme des UK-Rappers, deren Volumen voll ausgefüllt ertönt. Dabei wird weder bei den tiefen Bässen noch bei der Flötenbegleitung ein Abstrich gemacht.
Bei den Soundtracks zum Kinofilm Dune von Hans Zimmer fällt mir auf, dass der OnTrac besonders in den tiefen Registern der Tonleiter und der Deutlichkeit der Perkussionsinstrumente punktet. Dadurch geraten die hohen Gesänge und Streicher aber etwas in den Hintergrund. Schade.
In puncto Musik überzeugt mich der OnTrac sehr. Die Klangfarbe wird im ganzen Spektrum klar und deutlich wiedergegeben, ohne dass sich einzelne Elemente gegenseitig aufheben oder ineinander untergehen. Für die Podcast- und Filmwiedergabe ist das wiederum die Kehrseite der Medaille. Hier muss ich dem Kopfhörer einen Abzug geben, weil er mich in Gesprächen zwischen zwei Protagonisten jegliche Nebengeräusche hören lässt. Ausserdem sind die Stimmen teilweise etwas bissig und scharf in den Höhen.
Die ANC-Funktion kannst du in der App oder manuell am Kopfhörer steuern. Dabei schaltet der OnTrac zwischen dem «Isolationsmodus» und dem «Transparenzmodus» mit einem, für meinen Geschmack viel zu lauten, Signalton hin und her. Vom «Transparenzmodus» bin ich begeistert. Der gibt die Umgebungsgeräusche so wieder, als hätte ich keine Kopfhörer an. Noise Cancelling ganz ausschalten kann ich nur über die App. Wenn diese aus ist, klingt die Musik etwas kraftlos und flach.
Wenn ich die ANC-Funktion einschalte, höre ich zu Beginn ein leises Rauschen und spüre einen leichten Druck auf meinen Ohren. So als würde ich den Berg hochfahren. Nicht besonders tragisch, und nach einer Weile gewöhne ich mich daran. Laut Herstellerangaben sollen dafür acht Mikrofone zuständig sein, die die Umgebungsgeräusche 384’000-mal pro Sekunde erfassen und die unerwünschte Geräuschkulisse damit um bis zu 40 dB reduzieren können.
Ich überprüfe das mit der Live-Wiedergabe in der App und erreiche eine maximale Reduktion von 20 dB. Eine eindeutige Geräuschreduzierung nehme ich aber trotzdem wahr. Zur Einordnung: Im Direktvergleich mit dem Sony WH-1000XM5 schneidet der OnTrac minimal besser ab und zeigt sich insbesondere beim Herausfiltern der tieferen Frequenzen stark.
Der Ontrac unterstützt kein Multipoint. Deshalb kannst du nicht zwischen zwei Geräten hin und her schalten, ohne die Bluetooth-Verbindung an einem Gerät abzuschalten. Die ANC-Funktion kann aber immer über die MyDyson App gesteuert werden. Auch wenn die Bluetooth-Verbindung zu einem anderen Gerät besteht. Für die Audioübertragung ist der OnTrac mit Codec LHDC kompatibel. Unterstützt dein Smartphone diesen Bluetooth-Codec nicht, dann musst du dich mit der SBC und AAC Standard-Ausstattung zufriedengeben.
Dank Dual-Beamforming-Mikrofone hört mich mein Gesprächspartner beim Telefonanruf am anderen Ende der Leitung klar und deutlich. Wenn ich draussen spaziere, werden die Aussengeräusche herausgefiltert und für mein Gegenüber unkenntlich gemacht. Lediglich, wenn ein Auto vorbeifährt, gibt es leichte Unterbrüche und Störsignale, bemerkt mein Gesprächspartner. Ich mache den Versuch auch noch andersherum und rufe meinen Freund an, der die Kopfhörer anhat. Tatsächlich: Auch, wenn er das Telefon in einen anderen Raum legt, reicht die Bluetooth-Verbindung und ich höre seine Stimme glasklar, nur etwas leise. Eher leise, aber genauso deutlich fallen die Sprachnachrichten aus, die ich mit dem OnTrac aufnehme.
Ein erster oberflächlicher Blick auf die App erfreut mich. Sie ist übersichtlich, schlicht gehalten und enthält die «Listening History», ein Feature, das direkt meine Aufmerksamkeit erregt. Doch bei genauer Betrachtung fällt mir auf, dass die App noch nicht ganz ausgereift ist. So wird der OnTrac Kopfhörer beispielsweise Dyson Zone genannt, wenn ich ihn verbinde.
Auf der Hauptseite finde ich die «Listening History», die die Lärmbelastung auf meine Ohren und die Umgebungsgeräusche in Echtzeit in einer Grafik darstellt. Grundsätzlich gefällt mir die Idee gut. Mit dem Feature kann ich nachverfolgen, wann und wie oft ich Musik in einer schädlichen Lautstärke höre. Daraufhin könnte ich mein Hörverhalten ändern, um mein Gehör zu schonen. Schön und gut. Nur gibt es in der App im Rückblick keine Tages- oder Wochenübersicht mit der Gesamtzeit der zu laut gehörten Musik. Sondern nur Abbildungen der einzelnen Minuten- oder Stundenabschnitte. Mit denen kann ich herzlich wenig anfangen.
Der dominanteste aller Reiter in der App will mich direkt «zum Shop» lotsen. Allgemein springen mir immer wieder «Headphone essentials» ins Auge. Im Bereich Tutorial zum Beispiel kommen die Anleitungen zum Gerät erst unter einer Auflistung aller Endkappen und Ohrpolster zum Vorschein. Böse Zungen würden sagen, dass mir die App vor allem eine grosse Bandbreite an Dyson-Produkten aufzeigen soll.
Eine Option für Kundensupport in der App ist die Live-Chat-Funktion. Da werde ich zuerst freundlich vom Dyson Digital Assistant begrüsst und zu meinen Anliegen befragt. Nachdem ich das Prozedere durch habe und mich durch alle Optionen geklickt habe, werde ich zu einem Experten weitergeleitet. Dieser beantwortet meine Fragen nach einer Weile. Aber dann passiert das, was mich maximal genervt hat. Sobald ich den Chat kurzzeitig verlasse, verschwindet der ins Nirvana und ist nicht mehr aufrufbar. So muss ich den ganzen Prozess nochmals von vorne starten. Oh Mann.
Die App verfügt über die drei Equalizer-Modi «Optimiert», «Bass-Boost» und «Neutral». Dabei hat auch der «Neutral»-Modus schon minimale Voreinstellungen. Für audiophile Tüftler könnte es schwierig werden, denn der OnTrac bietet keinen manuellen EQ an. Dafür bietet die App die Funktion an, den Lautstärkepegel auf maximal 80 dB zu beschränken, um Hörschäden vorzubeugen. Ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt, denn Änderungen und Verbesserungen sollen in der App mit den automatischen Software-Updates nach und nach eingespielt werden.
Inzwischen wurden einige Mängel in der App behoben. Jetzt heisst der OnTrac auch in der App so. Ausserdem kündigt Dyson an, bald weitere Features wie einen anpassbaren EQ, erweiterte ANC-Modi, eine automatische Ausschaltzeit und Apple-Watch-Kompatibilität in der App freizuschalten. Ich bin gespannt.
Pro
Contra
Die Wände kurz vor der Wohnungsübergabe streichen? Kimchi selber machen? Einen kaputten Raclette-Ofen löten? Geht nicht – gibts nicht. Also manchmal schon. Aber ich probiere es auf jeden Fall aus.