Sonnenallergie: Jeder Zehnte ist betroffen – Tendenz steigend
Sich von der Sonne küssen lassen? Da winken manche lieber ab. Denn auf UV-Strahlen reagiert ihre lichtempfindliche Haut mit juckendem Ausschlag. Dahinter steckt eine Allergie – die in 90 Prozent der Fälle streng genommen keine ist.
Stell dir vor, du bist Model. Ein Fotoshooting unter Palmen ist angesetzt. Doch dann gibt es statt Fotos von gebräunter Haut am Tropenstrand nur Bilder von juckenden Pusteln, brennenden Quaddeln, roten Flecken, Schwellungen und Blasen. David Koch, einem der international erfolgreichsten deutschen Models, ist genau das passiert. Er leidet unter einer sogenannten polymorphen Lichtdermatose (PLD). Sie macht rund 90 Prozent aller Photo- bzw. Lichtdermatosen aus und zählt damit zu den häufigsten durch Sonnenlicht ausgelösten Hauterkrankungen.
Keine Allergie, sondern eine Überreaktion
Der Volksmund spricht bei Symptomen, wie David Koch sie zeigt, von einer Sonnenallergie. «Mit einer Allergie im klassischen Sinne, bei der der Körper mit einer Antikörperproduktion auf Fremdkörper reagiert, hat die PLD aber nichts zu tun», sagt Prof. Dr. Ichiro Okamoto, Oberarzt an der Universitätsklinik für Dermatologie in Wien. Die Haut reagiert nicht allergisch auf die Sonne – jedenfalls konnte bislang kein Allergen identifiziert werden, das sich im Körper durch Sonneneinwirkung bildet –, sondern «nur» überempfindlich auf den UV-Anteil des Sonnenlichts, insbesondere die UV-A-Strahlung (Wellenlänge 340-400 nm).
Normalerweise kommt es durch Sonnenexposition zu Veränderungen in der Haut: Sie bräunt und verdickt sich, was von der körpereigenen Abwehr toleriert wird. Weshalb dies bei PLD-Betroffenen anders ist und was genau hinter der Überreaktion des Immunsystems steckt, ist noch nicht hinlänglich erforscht. «Möglicherweise spielt oxidativer Stress eine Rolle. Denn durch UV-A-Strahlung bilden sich in der Haut aggressive freie Radikale, die bei Entzündungsreaktionen bedeutsam sind», sagt der Experte. «Man geht davon aus, dass die Abwehrmechanismen der Zellen bei Menschen mit PLD im Gegensatz zu gesunden beeinträchtigt sind, weshalb die Haut die freien Radikale nicht abwehren kann.»
Wenn Strandurlaub keinen Spaß macht
Für die meisten Betroffenen wird die polymorphe Lichtdermatose nicht zur Gefahr für die Karriere wie für David Koch. Denn die Symptome können – wie der Name «polymorph» (vielgestaltig) schon sagt – von Person zu Person sehr unterschiedlich und auch verschieden heftig ausfallen.
«Viele kommen damit zurecht, nur fünf Prozent suchen einen Arzt auf», sagt der Trierer Dermatologe Dr. Dierk Steinmann. Die Freude am Strand-Urlaub oder einer Mittagspause unter freiem Himmel ist bei vielen aber zumindest getrübt. «Die unschönen und vor allem juckenden Hauterscheinungen können die Lebensqualität der Betroffenen stark beeinträchtigen», bestätigt Prof. Dr. Ichiro Okamoto.
Mindestens jede Zehnte ist betroffen
Laut des Immunologiezentrums Zürich leiden in unseren Breiten zehn bis 20 Prozent der Bevölkerung unter einer PLD, Tendenz steigend. In neun von zehn Fällen trifft es Frauen, erstmals zumeist in den ersten drei Lebensjahrzehnten. Und zwar dann, wenn die Haut nach längerer Abstinenz wieder intensiver Sonnenstrahlung ausgesetzt wird.
«Deshalb liegt der Peak für das Auftreten von PLD auch im Frühjahr und Frühsommer», sagt Dr. Steinmann. Außerhalb dieser Saison trifft es gern Reisende, die in sonnenreiche Regionen auf der Südhalbkugel fahren. Die Betroffenen entwickeln einige Stunden bis Tage nach den ersten ausgedehnten Sonnenbädern auf sonnenentwöhnten Körperstellen juckende, fleckige oder bläschenartige gerötete Hautausschläge. Und während sich die PLD bei Erwachsenen oft an Hals, Händen, Armen, Dekolleté und Beinen zeigt, ist bei Kindern häufig das Gesicht in Mitleidenschaft gezogen.
Den passenden Lichtschutz wählen
Die gute Nachricht: Im Gegensatz zum Sonnenbrand bleiben keine dauerhaften Hautschäden. In vielen Fällen führt wiederholte Sonnenexposition außerdem zu einem Gewöhnungseffekt – mit abnehmender Symptomatik. Leider hält dieser Effekt aber nur eine Sonnensaison an. Im nächsten Jahr kommt es meist zum nächsten Schub.
Schon um diesen zu vermeiden oder zumindest einzudämmen, sollte eine PLD diagnostiziert werden. Denn mit der Diagnose gibt es vom Hautarzt auch passende Vorbeuge- und Verhaltenstipps zum geeigneten Sonnenschutz, wenn du Sonne nicht meiden kannst oder willst. «Für den normalen Lichtschutz gegen Sonnenbrand reichen UV-B-Filter. PLD-Betroffene sollten jedoch physikalische Lichtschutzmittel verwenden, die auch hochwirksame UV-A-Filter enthalten mit mindestens Faktor 30», rät Dr. Steinmann.
Empfehlenswert sind vor allem auch Produkte, die die zum BeispielAlpha Glucosyl-Rutin enthalten. «Um z.B. einer Mallorca-Akne (siehe unten) vorzubeugen, sollten zudem unparfümierte Mittel und für Erwachsene Gele bevorzugt werden. Lichtschutzmittel müssen auch rechtzeitig aufgetragen werden. Sie brauchen 30 Minuten bis sie ihre Wirksamkeit entfalten. Und wer schwimmt oder schnorchelt, braucht natürlich wasserfeste Produkte.»
Auf die Sonne vorbereiten
Ebenfalls wichtig ist eine langsame Steigerung der Sonnenexposition, indem du etwa in den ersten Ferientagen am Meer (nach)mittags im Schatten Siesta hältst oder in den sonnenintensivsten Stunden leichte Kleidung und einen breitkrempigen Hut trägst. «Für manche, sehr schwere Fälle kann auch eine Lichttherapie sinnvoll sein», sagt Experte Steinmann. «Dabei wird die Haut zum Beispiel vier Wochen vor einem Strandurlaub auf intensive Sonneneinstrahlung vorbereitet, indem der Körper in steigender Dosierung mit UV-A- oder UV-B-Licht bestrahlt wird, je nachdem welche Strahlenkomponente die Hauterkrankung hervorruft, was man durch einen Test herausfinden kann. Um eine Überdosierung zu vermeiden, sollte die Therapie von einem Hautarzt durchgeführt werden.»
Auch von innen lässt sich zumindest ein kleiner Sonnenschutz aufbauen: durch die regelmäßige Einnahme von Beta-Carotin-Kapseln, etwa vier bis fünf Wochen vor Urlaubsbeginn. «Der Pflanzenfarbstoff lagert sich in die Haut ein, Teile der UV-Strahlung werden so bereits in den oberen Hautschichten abgefangen. Zusatzeffekt: Es fängt zudem die sogenannten freien Radikale in der Haut ab, die sich bei jedem Sonnenbad bilden.»
Wen es bei aller Vorsicht dennoch erwischt, kann sich vom Arzt eine juckreizstillende und entzündungshemmende Salbe oder auch Antihistaminika verschreiben lassen. Auch kühlende Umschläge und leichte Kortikosteroide können akute Symptome lindern.
Symptome rasch abklären lassen
Stellst du nach einem Sonnenbad zum allerersten Mal einen Hautausschlag fest, rät Dr. Okamoto, den «Sonnenkontakt sofort zu vermeiden und umgehend eine Hautärztin oder einen -arzt aufzusuchen, damit anhand der charakteristischen Hautveränderung im akuten Stadium die richtige Diagnose gestellt wird.» Denn sind die Symptome bereits etwas oder ganz abgeklungen, wird auch die Ursachenforschung und damit die Abgrenzung zu anderen ernsteren, lichtbedingten Reaktionen schwieriger, wie etwa zu einer photoallergischen Reaktion oder einer solaren Urtikaria (Nesselsucht).
Um diese auszuschließen, führt der Dermatologe oder die Dermatologin ein Anamnesegespräch, erkundigt sich etwa nach Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme und verwendetem Lichtschutz sowie danach, wann welche Symptome aufgetreten sind.
Sonderform der PLD: Mallorca-Akne
Eine noch relativ harmlose Variante der PLD ist die Mallorca-Akne (Acne aestivalis). Der Name ist Programm: «Einige Tage nach dem Sonnenbad kommt es zu juckenden Knötchen, die Aknepusteln ähneln», sagt Dr. Okamoto. Schuld daran sind die Emulgatoren in fetthaltigen Sonnenschutzmitteln. Im Zusammenspiel mit UV-A-Licht bilden sie Substanzen, die zur Entzündung der Haarfollikel führen. Dekolleté, Arme, Schultern, Nacken und Rücken sind besonders betroffen. Gefährdet sind vor allem Frauen zwischen 20 und 40 Jahren.
Die Hautveränderungen klingen spontan und ohne Narbenbildung wieder ab, bis dahin verschaffen Coolpacks oder kühlende Gels Linderung. Bei Bedarf kann eine milde Akne-Therapie oder auch eine kortisonhaltige Creme eingesetzt werden. In schweren Fällen kann die Einnahme von Antihistaminika sinnvoll sein. «Zur Vorbeugung verzichtet man am besten auf ölige Sonnenschutzmittel. Ideal sind fett- und emulgatorfreie Lichtschutzmittel in Gelform.»
Photoallergisch? Allergene identifizieren!
Außer der PLD gibt es weitere Formen von lichtbedingten Hauterkrankungen, die weit seltener sind – aber für die die Bezeichnung «Sonnenallergie» wesentlich besser passt: photoallergische Reaktionen zum Beispiel. Auch hier ist aber nicht die Sonne selbst der Allergieauslöser, sondern eine Substanz, die von außen oder innen an oder in die Haut gelangt und dort aufgrund der Sonneneinwirkung ihre Struktur verändert.
Das können z.B. Inhaltsstoffe von Pflegeprodukten oder Medikamenten wie Antibiotika oder Antidepressiva sein. Die zunächst harmlose Substanz wird aufgrund der UV-Bestrahlung zu einem Allergen, das vom Immunsystem bekämpft wird.
«Eine photoallergische Reaktion tritt ein bis drei Tage nach dem Sonnenkontakt auf und meldet sich mit Bläschen und Juckreiz, möglicherweise auch mit Ödemen, Hautrötungen, Schuppung, und Knötchen, erklärt Dr. Okamoto. Mittels Photo-Patchtest, bei dem die möglichen Auslöser auf den Rücken aufgetragen und anschließend mit UV-Licht bestrahlt werden, kann die fragliche Substanz identifiziert und in Folge gemieden werden. «Da das Absetzen von Medikamenten aber nicht immer möglich oder sogar gefährlich ist, ist gerade in diesen Fällen ein adäquater Sonnenschutz besonders wichtig.»
Phototoxische Reaktionen
Weitaus häufiger sind phototoxische Reaktionen. Sie entstehen ohne Beteiligung des Immunsystems. Chemische oder natürliche Verbindungen aus Parfüms, Medikamenten, Kosmetik oder Pflegeprodukten reagieren dabei unter dem Einfluss der UV-A-Strahlen mit den Hautzellen. Es entstehen freie Radikale, die Hautschäden verursachen.
«Vor allem Pflanzen-Säfte oder ätherische Öle von Zitrusfrüchten, Johanniskraut und Bergamotte können diese Reaktion auslösen. Sie ähnelt einem sehr starken Sonnenbrand, häufig bilden sich auch Ödeme und Blasen», sagt Dr. Okamoto. Wie stark die phototoxische Reaktion ausfällt, hängt von der Stärke und Länge der Sonneneinstrahlung und der Dosis des auslösenden Stoffes ab. Die Beschwerden klingen trotz Vermeidung der Sonne nur langsam ab.
«Nebst dem Verzicht auf Sonneneinstrahlung können kortisonhaltige Salben und kühlende Wickel die veränderten Hautbereiche beruhigen.» Zur Vorbeugung sollte auf parfümierte und phototoxisch wirkende Produkte (Beipackzettel lesen) verzichtet werden. «Am besten verwendet man auch einen duftstofffreien Lichtschutz.»
Lichturtikaria: Selten, aber gefährlich
Während sich die oben genannten Hautreaktionen Zeit lassen, bis sie in Erscheinung treten, geht es bei der Lichturtikaria (solare Urtikaria, umgangssprachlich Nesselsucht genannt) sehr schnell: «Innerhalb von Minuten nach dem Sonnenkontakt treten Quaddeln und Hautrötungen auf, die oft von heftigem Juckreiz begleitet werden. In den Zellen kommt es zu einer Ausschüttung von Histamin, das die typischen Symptome auslöst», sagt Dr. Okamoto.
Die Quaddeln bilden sich meist nach wenigen Stunden wieder zurück, wenn die Sonne gemieden wird. In der Zwischenzeit verschafft kühlen Linderung. Doch in seltenen Fällen kann es, wenn große Hautbereiche von der Nesselsucht betroffen sind, auch zu einem Blutdruckabfall kommen, der Patient kollabiert.
Ein Nachteil, der ein Vorteil ist
In der Regel ist eine «Sonnenallergie» nicht gefährlich. Manche Experten sehen für die Betroffenen sogar einen Vorteil, weil diese ausgiebige Sonnenbäder meiden und für guten Sonnenschutz sorgen. Dadurch senken sie potenziell das Risiko einer Hautkrebserkrankung.
Titelfoto: Joseph Barriento via unsplashGäbe es meinen Job nicht, würde ich ihn erfinden wollen. Schreiben ist die Möglichkeit, ein paar Leben parallel zu führen. Heute stehe ich mit einer Wissenschaftlerin im Labor, morgen gehe ich mit einem Forscher auf Südpolexpedition. Täglich entdecke ich die Welt, erfahre Neues und treffe spannende Menschen. Aber nur kein Neid: Das Gleiche gilt fürs Lesen!
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