

Samantha Cristoforetti nimmt ihre Barbie mit ins All
2022 soll eine Barbie-Puppe ins All fliegen – mit einer echten europäischen Astronautin. Frauen spielen in der Weltraumfahrt eine wichtige Rolle.
Samantha Cristoforetti ist Astronautin, Nerd und Heldin. Denn wenn die Frau, die als eine der ganz wenigen den Planeten Erde und seine Atmosphäre verlassen hat, eins kann, dann Grenzen zu überwinden. Sie hat studiert. In Italien, Deutschland, Frankreich, Russland, nochmal Italien und ging dann zum italienischen Militär. Dort wurde sie eine der ganz wenigen Frauen, die den Rang des Leutnants innehatten. Und eine der noch weniger Frauen, die Kampfjet-Pilotin waren.
Im Frühjahr bricht die mittlerweile 44-Jährige zu ihrer zweiten Langzeitmission ins Weltall auf. An Bord der ISS wird die Ingenieurin Experimente durchführen. Dies, nachdem sie im Jahr 2014 den Rekord für die längste Raumfahrt eines Europäers mit 199 Tagen im All, aufgestellt hat. Und die längste Raumfahrt einer Frau. Diese Krone musste Samantha aber an Peggy Whitson abtreten, die sie dann an Christina Koch übergeben hat. Bevor sie auch nur einen Fuss auf ein Astronautentrainingsgelände gesetzt hat, hatte sich Samantha gegen 8400 Mitbewerber durchgesetzt.

Quelle: Samantha Cristoforetti/Twitter
Die ISS ist für Samantha ein besonderer Ort. Sie nennt die Raumstation «Home away from home», also «Ein weit von Zuhause entferntes Zuhause». Damit sie sich im All wohlfühlt, hat sie immer etwas im Gepäck, das für sie Komfort und Sicherheit bedeutet. Einmal war es Captain Janeways Uniform aus der Science-Fiction-Serie «Star Trek: Voyager», dann eine Espressomaschine, die von einer SpaceX'schen Dragon-Rakete geliefert wurde.
Auf ihrer zweiten Mission aber wird Samantha besonderes Gepäck haben: eine Barbie.
Eine weibliche Raumfahrtgeschichte
Der Spielzeughersteller Mattel setzt sich mit der Barbie-Puppenlinie für Mädchen ein. Als Samantha im Jahre 2019 in einem Werbeclip für Barbie zu sehen war, ist in den knapp 80 Sekunden Video kaum eine Puppe zu sehen. Mit Samantha als Barbie-Figur will Mattel zur World Space Week Mädchen für eine Karriere in den MINT-Feldern begeistern. MINT steht für die Anfangsbuchstaben der Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technologie. Denn selbst wenn Samantha eine Heldin der Menschheit ist, so ist sie viel mehr Vorbild für die Frauenwelt.
«Mit harter Arbeit und ein bisschen Glück kannst du alles sein», sagt Samantha und stellt so fest, dass Frauen und Mädchen genauso viel im Weltall zu suchen haben, wie die Männer. Denn zumindest bei der NASA war die Raumfahrt lange Männersache. Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs, bei den Kosmonauten der Sowjetunion, waren Frauen schon seit Anbeginn der Raumfahrt an Bord der Sojus-Kapseln.
Der erste Erdling im Weltall war eine Frau. Die sowjetische Hündin Laika war das erste Lebewesen von der Erde, das die Schwerkraft unseres blauen Planeten überwunden hat. Der Moskauer Strassenköter ist an Bord von Sojus 2 gestorben und hat so den Weg für Kosmonauten, Astronauten und Taikonauten geebnet.

Quelle: Wikimedia Commons
Die erste Frau im All war Valentina Tereshkova. Sie ist an Bord von Vostok 6 im Jahre 1963 48-mal um die Erde geflogen. Sie war damals 26 Jahre alt und ist damit immer noch die jüngste Frau im All. Auch ist sie bis im Jahr 2021 die einzige Frau in der Menschheitsgeschichte, die einen Soloflug im All unternommen hat.
Jahre nachdem Neil Armstrong anno 1969 als erster Mensch einen Fuss auf dem Mond gesetzt hatte und die Sowjets das Space Race des Kalten Krieges offiziell verloren haben, hat sich die Kosmonautin Svetlana Savitskaya 1982 als erste Frau der Menschheitsgeschichte auf einen Spaziergang im All begeben.
Ein Jahr später flog Sally Ride ins All, nachdem sie sich von Reportern Fragen hat anhören müssen wie «Wird die Mission Ihre Reproduktionsorgane beschädigen?» «Heulen Sie, wenn etwas schiefgeht?» und «Wann werden Sie schwanger?». Sally Ride. Astronautin. Eine Frau, die trotzdem nie den Humor und die Abenteuerlust verloren hat. Der Flug ins All hat sie wie eine «Achterbahn in Disneyland» beschrieben und die Schwerelosigkeit mit den Worten «Schwerelosigkeit macht Spass» allen zugänglich gemacht hat.
Christa McAuliffe war anno 1986 an Bord des Space Shuttles Challenger als dieses kurz nach dem Start explodierte. Sie wäre die erste Lehrerin im Weltall gewesen.
Die Nasa wäre ohne Frauen nicht weit gekommen
Einer, der sich von den Anfängen der Weltraumfahrt bis in die Gegenwart bestens auskennt, ist Guido Schwarz, Vorsitzender des Vereins Swiss Space Museums. Er sagt, dass Frauen in der Weltraumfahrt schon immer eine wichtige Rolle gespielt haben.
Heute spiele die Frage des Geschlechts keine Rolle mehr, sagt Schwarz. «Im Astronauten-Business haben Frauen inzwischen dieselben Chancen wie Männer. Es geht einfach um die Kompetenzen.»
Damit bläst er ins selbe Horn wie das Sally Ride ihr Leben lang hat tun müssen. In Fernsehreports aus den 1980ern muss Sally immer wieder feststellen, dass sie eine Wissenschaftlerin mit dem Rang eines Mission Specialists ist. Zufällig auch noch eine Frau, aber in erster Linie Astronautin.
Als ob Frauen bei der NASA etwas Besonderes wären, wären sie denn nicht von den Männern der Raumfahrtbehörde und den Autoren der Geschichtsbücher zur Fussnote gemacht worden. Lediglich auf dem Boden waren Frauen schon ganz am Anfang wichtig, sagt Schwarz. So waren es afroamerikanische Mathematikerinnen wie Katherine Johnson, Dorothy Vaughan und Mary Jackson, die in den 1960er-Jahren massgeblich zum Erfolg der Mercury-, Gemini- und Apollo-Missionen beitrugen. Sie berechneten Flugkurven oder programmierten die Computer. Ihnen wurde von Hollywood gedankt. Im Film «Hidden Figures», fast 60 Jahre nach ihrer Pionierarbeit.
Schwarz nennt Margaret Hamilton. Sie hat den Computercode für Apollo-Missionen geschrieben. Ohne sie wäre Neil Armstrong nie abgehoben und schon gar nicht auf dem Mond gelandet.

Quelle: Nasa
Barbie war zuerst im All. In der Fantasie zumindest.
Im Kalten Krieg galt eine Regel: Wenn die andere Seite etwas hatte, dann musste die eigene Seite das auch haben. Und nachdem Valentina Tereshkova die Erde umrundet hatte, mussten die USA nachziehen. Doch selbst eine Frau ins All schiessen kam offenbar nicht infrage. Das geschieht erst in der Fiktion, genauer in der AppleTV+-Serie «For all Mankind», in der die Sowjets eine Frau als ersten Menschen auf dem Mond hatten.
Doch ein Spielzeughersteller sah das damals schon: Mattel. Denn zwei Jahre nach Valentinas Flug, im Jahre 1965, haben Mädchen dieser Welt die Space Barbie in den Regalen der Läden gesehen.
Die Weltraumstiefel haben echte Reissverschlüsse, Barbie trägt einen schicken Bob, der perfekt unter ihren Weltraumhelm passt. In ihrer Hand: die amerikanische Flagge. Natürlich.
Die Puppe ist mittlerweile ein Sammlerstück und geht für weit über 100 Dollar auf den Flohmärkten dieser Welt über den Tisch. Im Jahre 2009 wurde die Puppe sogar im Rahmen der «My Favorite Career»-Serie neu aufgelegt. Dazu war Barbie im Jahre 1994 Space-Shuttle-Astronautin und jüngst hat Space Discovery Barbie – wie sich die Zeiten doch ändern – einen roten Stern auf der Brust des Astronautenanzugs.
Und 2019 dann die Puppe, die Samantha Cristoforetti nachempfunden ist. Als jüngste Barbie im Weltall und erste Puppe aus dem Hause Mattel, die unseren Planeten verlässt.
Laika, Valentina, Svetlana, Katherine, Dorothy, Mary, Sally und Christa haben Frauen den Weg geebnet. Frauen wie Samantha Cristoforetti, die nicht nur Mädchen Tag für Tag beweist, wie gut die Menschheit sein kann und was wir Erdlinge erreichen können. Mit harter Arbeit und etwas Glück.
P.S.: Falls du jetzt wegen der faszinierenden Geschichte Samanthas genau die Samantha-Barbie bestellen willst im Shop – nun, da brauchst du noch ein paar Tage Geduld. Unsere Einkäuferin hat bei Mattel bestellt und die Barbies sind quasi im Anflug ...
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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.