Recaro Exo Platinum im Test: Mein neuer Liebling, aber …
Ratgeber

Recaro Exo Platinum im Test: Mein neuer Liebling, aber …

Martin Jud
16.8.2022

Recaro ist bekannt für Schalensitze in getunten Autos. Daher erhoffe ich mir einiges vom teuersten Gaming Chair des Herstellers. Ob er seinen hoch angesetzten Preis wert ist, habe ich während drei Monaten Sitzen für dich herausgefunden.

Mit dem Exo Platinum von Recaro hole ich mir ein Stück Erinnerung zurück. Denn es war der deutsche Hersteller für Schalensitze, der mich vor Jahren in schnellen Boliden begleitete. Nicht, dass ich jemals selber einen besass. Aber ich war einige Jahre Web Content Manager für General Motors und kam dort in den Genuss von gratis Probefahrten.

Die Corvette und ich im Jahr 2014 – V8 unter der Haube und Recaro unterm Po.
Die Corvette und ich im Jahr 2014 – V8 unter der Haube und Recaro unterm Po.

Nicht nur der V8-Motor-Sound und das Beschleunigungskribbeln im Bauch sind mir von der Corvette geblieben. Ebenso fühle ich, als ob es gestern gewesen wäre, den Recaro Sitz unter mir. Der hat in sportlichen Autos Tradition. Und ich würde behaupten, dass es ohne diese Schalensitze heute keine Gaming Chairs gäbe. Denn genau das holst du dir abgewandelt in die eigenen vier Wände, wenn du einen kaufst.

Als Testprodukt hat mir Recaro einen Exo Platinum Black & White zur Verfügung gestellt.

Falls du gleich wissen möchtest, wie der Stuhl im Sitztest abschneidet, scrollst du zum Titel «Ergonomie: Wohlig, angenehm und ohne Rückenschmerzen». Es gibt ihn auch in anderen Farben, wir führen ihn auch in Schwarz.

Spezifikationen:

Bezugsmaterial:Stoff (Polyester)
Materialien:Polyester, Polsterschaum, Metall und Kunststoff
Dimensionen
(Höhe, Gewicht):
137-147 cm, ‎26,6 kg
Sitzfläche
(Breite, Tiefe):
40,5¹ × 45 cm
Rückenlehnenhöhe:94 cm
Wippfunktion:Stufenlos einstellbar, nach vorne oder ganz arretierbar
Min Sitzhöhe:45 cm
Max Sitzhöhe:55 cm
Armlehnenauflage
(Breite, Tiefe):
9,5 x 23,5 cm
Armlehnen-
Verstellbarkeit:
5D
Belastbarkeit:150 kg
Besonderes:Feste Lordosenstütze in Rückenlehne (Lendenwirbelstütze), Nackenstütze optional
¹ Die Sitzflächenbreite beträgt, die seitlichen Polster nicht eingerechnet, ganz vorne 40,5 Zentimeter und verringert sich nach hinten gleichmässig. Direkt bei der Rückenlehne ist die Sitzfläche 30,5 Zentimeter breit.

Eine Körpergrössenempfehlung des Herstellers habe ich zum Stuhl nicht gefunden. Daher tätige ich selber eine Schätzung. Der Stuhl dürfte am besten zu dir passen, wenn du 170 bis 185 Zentimeter gross bist. Ausserdem solltest du untenrum nicht zu breit gebaut sein, da die Sitzfläche zwar vorne 40,5 Zentimeter breit ist, aber nach hinten enger wird.

Falls dir dieses Modell zu teuer ist, bietet Recaro günstigere Varianten des Stuhls, die von der Grundfunktionalität her – atmungsaktiver Stoffbezug und Form des Polsterschaums – das gleiche Sitzerlebnis bieten sollen. Den Recaro Exo und den Recaro Exo FX. Weiter gibt es eine optional zu erwerbende Recaro Nackenstütze. Du findest die Produkte hier.

Materialcheck: Kein Bürorennstuhl

Der Exo Platinum wird in einem riesigen, sperrigen Paket geliefert. Das liegt daran, dass er praktisch fertig zusammengebaut kommt. Was abgesehen vom Auspacken noch zu tun bleibt: Rollen am Aluminiumfusskreuz anbringen, Gasdruckfeder hineinstecken, Armlehnen in gewünschter Entfernung zum Sitz anschrauben und den Sitz auf das Kreuz setzen.

Ein Bürostuhlrennen kann ich mit dem Recaro nicht empfehlen, denn er verfügt über Hartdbodenrollen. Das kommt mir entgegen, weil ich ihn auf Laminat einsetze und mit den Rollen nicht bei der kleinsten Bewegung ins anliegende Schlafzimmer verschwinde.

In ein grosses Büro passt ein grosser Stuhl. Oder zwei. Wobei kleine Stühle das Büro an sich grösser wirken lassen. Recaro oder Giroflex? Herman Miller?
In ein grosses Büro passt ein grosser Stuhl. Oder zwei. Wobei kleine Stühle das Büro an sich grösser wirken lassen. Recaro oder Giroflex? Herman Miller?

Auch wenn einiges an Kunststoff zum Produkt gehört, wirkt dieser wertig und stabil. Die matt-weisse Farbgebung der Verschalung erinnert mich an eine Stormtrooper-Rüstung. Ohne diesen Gedanken wirkt der Stuhl zwar in seiner Grösse mächtig, aber dank der Farbgebung doch eher dezent. Ausserdem hat Recaro es nicht dabei belassen, den Stuhl vorderseitig mit Stoff zu beziehen. Auch ein Teil der Rückseite ist damit eingefasst, was ihn etwas schlanker wirken lässt.

Beim genaueren Betrachten der Rückseite finde ich auch ein «Geheimfach», das wenige Liter Platz bietet. Beim Öffnen solltest du jedoch vorsichtig sein: Es ging beim ersten Mal so schwer auf, dass ich mir beinahe die Fingernägel abgebrochen hätte.

Ein «Geheimfach» ...
Ein «Geheimfach» ...
Was ich da wohl reintun könnte?
Was ich da wohl reintun könnte?

Gaming Chairs haben aufgrund ihres Designs keine ergonomischen Vorteile – es gibt genügend «normale» Bürostühle, die dafür sorgen, dass du bequem und ohne Schmerzen arbeiten oder spielen kannst. Empfehlen kann ich zum Beispiel Produkte von Giroflex. Aber: Du fühlst dich mit einem Schalensitz durch die grosse Rückenlehne gegenüber deiner Umgebung abgeschirmter. Bei der Ergonomie kommt es – wie bei jedem Stuhl – primär darauf an, wie wohlig er sich für Po und Rücken anfühlt, wie gut die Luftzirkulation an warmen Tagen ist und insbesondere, wie gut er die Lordose stützt. Die Lordose ist die natürliche Krümmung der Wirbelsäule nach vorne.

Recaro will bei seinen Stühlen die besten Elemente aus dem Automobil- mit dem Gamingbereich verbunden haben. Dazu gehört eine integrierte, feste Lordosenstütze. Das finde ich gut, denn damit werden Kissen, die sowieso immer verrutschen, überflüssig – wenn sie denn korrekt funktioniert. Die verwendeten Polster und Stoffe sollen eine gute Atmungsaktivität bieten und meinen Körper sowohl stützen als auch entlasten.

Die Lordosenstütze ist schwer abzulichten, aber sie ist da.
Die Lordosenstütze ist schwer abzulichten, aber sie ist da.

Die Armlehnen bestehen grösstenteils aus Metall und sind in fünf Dimensionen verstellbar. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gaming Chairs wird zum Verstellen des Rückenlehnenwinkels nicht an einem Hebel gezogen, sondern an einem Handrad gedreht. Davon hat es auf jeder Seite eines. Zwar dauert es damit etwas länger, dafür ist es präziser.

Willst du den Winkel zum Boden verändern, kannst du die integrierte Wippfunktion nutzen, womit der Stuhl zum Schaukel-Gaming-Chair mutiert. Die Funktion kann ich an einem Doppelbedienelement stufenlos in der Härte einstellen – an einem Handrad rechts unter dem Sitz, das im Hebel für die Stuhlhöhe integriert ist. Das finde ich clever gelöst, da ich mir von den bisherigen Teststühlen gewohnt bin, dies auf den Knien unter der Sitzschale zu erledigen. Ausserdem kann ich den Stuhl zweifach arretieren. Einmal so, dass er nur noch nach hinten schwingt, und einmal komplett. Der entsprechende Bedienhebel links unter dem Sitz verfügt also über drei Stufen.

Ergonomie: Wohlig, angenehm und ohne Rückenschmerzen

Wie hart ein Stuhl ist, hängt einerseits vom Polsterschaum und andererseits vom Überzugmaterial ab. Dabei sind stoffbezogene Stühle tendenziell etwas weicher. Der Recaro-Stuhl ist keine Ausnahme. So sitze ich etwas weniger hart als auf meinem bisher favorisierten Gaming Chair – dem Razer Iskur –, und auch mehr an meinen Po angepasst, da der Polsterschaum mehr nachgibt.

Recaro versteht wirklich, was sie tun. Fortan empfinde ich die Polsterung als neuen State of the Art bei Gaming Chairs. Und was für den Po gilt, gilt auch für meinen Rücken. Die integrierte feste Lordosenstütze ist für meine 181 Zentimeter Körpergrösse auf der richtigen Höhe in der Rückenlehne eingelassen. Ausserdem sorgt der Polsterschaum dafür, dass meine Lordose gut und in angenehmer Härte gestützt wird.

Während drei Monaten finde ich nur eine Sache, die mit dem Recaro abgesehen vom Verstellen der Lordosenstütze nicht funktioniert: Einige wenige Stühle der Konkurrenz können die Rückenlehne bis zu 180 Grad nach hinten kippen. Die sind dann quasi auch für ein Nickerchen gut.

  • Produkttest

    Immer gut für ein Nickerchen: T1 Race Gaming Chair 2018

    von Martin Jud

Das geht bei Recaro nicht, der Stuhl macht bei geschätzten 100 Grad Halt. Ansonsten liefert er mir nicht nur in aufrechter Position beim konzentrierten Texten dieser Zeilen, sondern auch abends beim Zocken beste Dienste. Seit drei Monaten macht er mich und meinen Rücken glücklich. Und da die Temperaturen die vergangenen Wochen oft über 25 Grad Celsius lagen, kann ich auch guten Gewissens sagen, dass der Stoffüberzug wie vom Hersteller beschrieben atmungsaktiv ist. So schwitze ich an Rücken und Po kaum.

Was die Funktionen angeht, bin ich mit der Bedienung und den Features sehr zufrieden. Ich bin schwer angetan vom Stuhl – nicht zuletzt, weil Recaro etwas weiteres besser macht, als viele Konkurrenten: Die Armlehnen wackeln kaum und bieten guten Halt.

Fazit: Sehr guter Gaming Chair, aber teuer

Recaro ist sowas wie ein Platzhirsch für Automobilschalensitze. Ob der Hersteller das künftig auch bei Gaming Chairs sein kann, ist fraglich. Zwar habe ich kaum was am getesteten Exo Platinum auszusetzen – die feste Lordosenstütze befindet sich für meine Grösse glücklicherweise auf korrekter Höhe. Im Gegenteil: Er lässt sich vielfältig und auf mich angepasst einstellen, ist gut verarbeitet und verfügt über die beste Gaming-Chair-Polsterung, die mir je untergekommen ist. Und die stabilsten Armlehnen. Das ist alles richtig fett – doch das ist auch sein Preis. Er kostet mehr als das Doppelte meines bisherigen Favoriten, der Razer Iskur.

Daher kann ich den Stuhl nur bedingt empfehlen. Ja, er ist bequem und sieht gut aus. Der Preis ist dennoch zu hoch. Hier zahlst du neben dem Stuhl auch den Namen.

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Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.


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