Kritik
«Du gewinnst hier nicht die Million» – und auch nicht den Innovationspreis
von Luca Fontana
Es war kein Scherz, als Showpraktikant Elton in die Wildnis aufbrach, um die deutsche TV-Legende Stefan Raab aus seinem Ruhestand zu holen. Nun meldet sich Raab mit einer neuen Show zurück: «Du gewinnst hier nicht die Million». Doch wer will das sehen?
Update, 19. September, 15:38 Uhr: Falls du wissen willst, wie Raabs erste Sendung war, hier meine Kritik:
Er ist wieder da. Stefan Raab. Mit einer neuen Show, «Du gewinnst hier nicht die Million bei Stefan Raab», feiert er den Rücktritt vom Rücktritt. Deren Konzept? Unklar.
Wir wissen aber, dass Raab das Geschehen der Woche «sezieren» und Kandidatinnen und Kandidaten davon abhalten will, eine Million Preisgeld zu gewinnen. In einem ersten Video spricht Raab quirlig und lebendig wie eh und je «von der ersten Entertainment-Quiz-Competition-Hybrid-Show der Welt», zeigt dabei sowohl seinen Moderationsplatz als auch eine Art Kulissen-Einkaufsladen sowie die Spiele-Area.
Aber sieh selbst:
Fragst du mich, klingt das ein bisschen nach einer Mischung aus «TV Total» und «Schlag den Raab». Typisch für ihn; schon für «TV Total» übernahm er Elemente aus seinen vorherigen Shows «Vivasion» und «Ma’kuck’n». Los geht’s bereits am kommenden Mittwoch um 20:10 Uhr. Nicht auf ProSieben, der früheren Heimat des Moderators, sondern auf RTL+, dem Streamingdienst des deutschen Privatsenders.
Genau da liegt wohl der Punkt. RTL, das sagte Raab selbst, habe ihm ein Angebot gemacht, das er nicht ablehnen konnte. Überhaupt: bis zum Jahr 2026 will RTL mehr als 10 Millionen Menschen als Streaming-Abonnenten gewinnen – und Raab soll dabei helfen.
Ich geb’s ja zu: Als Elton vergangenen März den Ruhestand seines einstigen Chefs rüde unterbrach, wurde auch ich neugierig. Raab, gemütlich fischend, irgendwo an einem See in den Alpen, wird von Elton aufgefordert, zurück ins Showbiz zu kommen.
«Du warst jetzt fast zehn Jahre weg. Es wird Zeit, dass du wieder was machst!», schimpft der ewige Showpraktikant. Raab hat aber «keinen Bock». Es sei denn, Elton schaffe es irgendwie, neun Millionen neue Follower für Raabs bis dahin komplett inaktiven Instagram-Account zu finden – in nur drei Tagen.
Die Mission schlägt fehl. Raab lässt sich trotzdem zu einem Comeback überreden. Schliesslich gibt es noch eine offene Rechnung mit Ex-Boxweltmeisterin Regina Halmich zu begleichen. Den Rückkampf – den zweiten, übrigens – setzt er auf den 14. September an. So richtig daran glauben will das anfangs niemand. Manche bezweifeln sogar, dass der Mann im Fatsuit tatsächlich Stefan Raab ist. Seit seinem letzten Auftritt im Oktober 2018 in der Lanxess Arena in Köln hat ihn ja kein Mensch mehr in der Öffentlichkeit gesehen.
Dann wird es wieder still um Raab. Monatelang.
Jetzt wissen wir: Die Videos – unter anderem bei Influencerin Pamela Reif im Fitness-Bootcamp – waren kein Witz, sondern Teil des vielleicht besten PR-Stunts der deutschen TV-Geschichte. Um den Rückkampf ging es ja nie. Sondern darum, Raabs neue Show anzukündigen. Raab-typisch mit viel Tamtam und gigantischem Feuerwerk. Ein Quotenerfolg übrigens, schreibt Blick.
Raab ist und bleibt ein Medienprofi.
«Bin gespannt, ob Raab da eine Sogwirkung hat», schreibt mir Redaktionskollege Lorenz Keller gleich am nächsten Morgen, «mich würde es ja auch wundernehmen. Aber natürlich abonniere ich den Streamingdienst nicht extra nur dafür.»
Ich seh's wie Lorenz. Raab war schlichtweg zu lange weg von der Show-Bühne, um noch besagte Sogwirkung zu haben. Neun Jahre, genau gesagt. Die meisten dürften genauso denken wie Lorenz und ich: «Interessant, mal gucken, ob's der Raab noch kann, aber extra ein RTL+-Abo werde ich jetzt nicht dafür lösen.»
Dabei wirkte der Mann, der die deutsche TV-Landschaft über 15 Jahre lang nachhaltig geprägt und geformt hat, bereits 2015 abgelutscht und ausgebrannt. Selbst zu Interviews mit grossen Hollywood-Stars bereitete er sich kaum mehr vor. Der Abtritt war überfällig.
Die nächste Generation übernahm ohnehin schon zu Raabs Schaffenszeit das Rampenlicht. Joko und Klaas vor allem. Mit Formaten wie «Das Duell um die Welt», «Circus HalliGalli» oder «Wer stiehlt mir die Show?» bieten sie eine ähnliche Mischung aus Humor und absurden Herausforderungen, in denen nicht die Kandidaten, sondern die Moderatoren zu Protagonisten werden – genauso, wie’s Raab jahrelang vorgemacht hat.
Wie viel sich RTL das Engagement Raabs kosten lässt, ist nicht bekannt. Dass sich der finanzielle Aufwand aber in einen signifikanten Abo-Anstieg übersetzt, bezweifle ich. Es sei denn, die neue Show würde tatsächlich fantastisch gute Kritiken bekommen.
Aus Sicht von RTL+ dürfte Raabs Engagement trotzdem ein kalkuliertes Risiko sein. Raab ist ein bekannter Name, der Nostalgie und Neugier weckt. Seine «Bei Anruf Bohlen»-Videos, die nach seinem Rücktritt auf Youtube geladen wurden, haben im Schnitt über eine Million Aufrufe. Das will was heissen.
Andererseits ist Raab seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr auf dem Bildschirm präsent. Das Fernsehpublikum hat sich seitdem verändert. Raab zum Beispiel ist dafür bekannt, sich selbst kulthaft zu inszenieren. Fast schon wie ein Sekten-Anführer. «So wunderschön», haucht eine Frau schmachtend im Video bei Michael «Bully» Herbig in der Schönheits-Klinik, «ich habe Stefan Raab gesehen».
Ob seine Art von Humor und Unterhaltung noch zieht?
Für Raab selbst ist die Rückkehr wohl eher eine persönliche Entscheidung. Eine Herausforderung, ob er noch einmal eine erfolgreiche Show produzieren kann. Finanziell dürfte Raab ohnehin längst ausgesorgt haben. Entsprechend anarchisch zeigte er sich in der Pressekonferenz nach dem Boxkampf: «Eine ganze Generation wuchs ohne gute Unterhaltung auf», erklärt der Entertainer und Musiker im Herzen. Als er die Showbühne verliess, waren manche noch fünf Jahre alt. Jetzt sind sie fünfzehn. «Darum sehe ich es auch als Verpflichtung gegenüber unserem Land, wieder etwas zu machen.»
Wenn’s um PR geht, macht Raab niemand etwas vor.
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»