Qualcomm Snapdragon X Plus und Elite – Revolution für die Laptop-Welt?
Hintergrund

Qualcomm Snapdragon X Plus und Elite – Revolution für die Laptop-Welt?

Martin Jud
30.4.2024

Der Snapdragon X Plus soll schneller als ein Apple M3 sein. Dies, obschon er die schwächere Variante des bereits vorgestellten X-Elite-Chips für Laptops ist. Bei genauerem Hinsehen hinkt der Vergleich bei beiden Varianten. Das Potenzial einer Laptop-Revolution haben die Qualcomm-Chips trotzdem.

Qualcomm hat ein weiteres System-on-a-Chip (SoC) für Laptops vorgestellt. Mit dem Snapdragon X Plus erweitert das Unternehmen seine geplante Chip-Revolution für Windows 11 ARM (ehemals Windows on ARM) auf preiswertere Laptops. Der X Plus ist die abgespeckte Version des X Elite. Dennoch soll dieser ab Mitte Jahr nicht nur AMD und Intel das Wasser reichen, sondern auch Apple.

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    Qualcomm Snapdragon X Elite: Konkurrenz für Apple-, Intel- und AMD-Chips

    von Martin Jud

Überblick: vier neue ARM-Laptop-SoCs ab Mitte Jahr

Doch damit nicht genug: Ebenfalls vermeldet das Unternehmen, dass der im letzten Oktober angekündigte Snapdragon X Elite in drei abgestuften Versionen erscheinen wird. Hier ein Überblick zu den insgesamt vier ARM-SoCs, die ab Mitte Jahr in neuen Notebooks erwartet werden:

Anmerkung zu den Tabellenwerten: Als Qualcomm den Snapdragon X Elite (X1E-84-100) im Oktober vorgestellt hat, sprach das Unternehmen von einem CPU Dual Core Boost von 4.3 GHz. In den neuesten von der PR-Abteilung verteilten Dokumenten sind es jedoch nur noch 4.2 GHz. Ausserdem bleibt bei den iGPUs weiterhin unklar, wie viele Shader-Kerne sie aufweisen und wie hoch ihre Taktfrequenzen sind. Ebenso fehlt bei allen Modellen die Angabe zur Thermal Design Power (TDP). Daher ist unklar, ob die schwächsten Versionen allenfalls für lüfterlose Laptops genutzt werden können.

Der frisch angekündigte Snapdragon X Plus wird wie seine Geschwister-Chips im 4-Nanometer-Verfahren bei TSMC gefertigt. Er soll noch immer eine grosse Leistung bringen und insbesondere energieeffizient arbeiten. Besonders im Vergleich zu CPUs mit x86-Architektur dürfte zweiteres stimmen. Er verfügt jedoch über zwei Kerne weniger als die Elite-Chips. Seine zehn Oryon-Kerne takten gemeinsam mit bis zu 3,4 GHz – beim besten Elite sind es 3,8 GHz. Weiter fehlt dem Plus das von Qualcomm «Dual Core Boost» genannte Feature. Mit dem können zwei Kerne der beiden besseren Elite eine höhere Taktfrequenz erreichen (4,2 und 4,0 GHz).

Sämtliche Modelle verfügen auch über einen Image Signal Processor mit Unterstützung für 64 Megapixel Fotos und 2160p-HDR-Videos. Ausserdem werden beim Video-Decodieren H.264, H.265, VP9 und AV1 (maximal 2160p und 120 FPS) unterstützt. Beim Encodieren sind es H.264, H.265 und AV1 (maximal 2160p und 60 FPS). Ebenso sind ein X65 5G-Modem, Wi-Fi 7 und Bluetooth 5.4 dabei. Beim Arbeitsspeicher werden bis 64 Gigabyte unterstützt. Dazu können SSDs mit PCIe 4.0 und bis zu sechs USB-C-Anschlüsse genutzt werden, wovon drei den USB4-Standard haben können.

Besser als CPUs von AMD und Intel?

Vermutlich ganz bewusst zeigt Qualcomm bei seinen aktuellen Snapdragon-Präsentationen nur Multi-Core-Benchmark-Resultate im Vergleich zur Konkurrenz. Das vermute ich, da das Unternehmen im Oktober davon gesprochen hat, dass in Geekbench 6 bei Single-Core 3227 Punkte drin liegen sollen. Allerdings wurde danach klar, dass dieses Resultat nur unter optimalen Bedingungen unter Linux zu erreichen sei. Unter Windows lägen 2940 Punkte drin. Auch das ist, wenn es den stimmt, ein Glanz-Resultat. Zumindest im Vergleich zur Konkurrenz von Intel und AMD, deren Core i9-13900H und Ryzen 9 8945HS um die 2650 Punkte schaffen. Doch um einen Apple M3 zu schlagen, reicht das nicht (im nächsten Kapitel mehr dazu). Daher wirft Qualcomm mit Folien um sich, die beschönigend über Multi-Core-Ergebnisse berichten.

Beim Prozessor-Test von Geekbench 6 soll der Snapdragon X Plus unter Windows 11 ARM bei Multi-Core 13 350 Punkte und die Elite-Version 15 610 Punkte erreichen. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass es gerade bei Notebooks stark auf die Effizienz der Kühlung ankommt und es sich hier um vom Hersteller durchgeführte Tests auf hauseigenen Referenz-Design-Laptops handelt:

Bei der Multi-Core-Performance in Geekbench 6 sollen sowohl Snapdragon X Elite als auch Plus der Konkurrenz von Intel und AMD den Rang ablaufen. Allerdings hinkt der Vergleich.
Bei der Multi-Core-Performance in Geekbench 6 sollen sowohl Snapdragon X Elite als auch Plus der Konkurrenz von Intel und AMD den Rang ablaufen. Allerdings hinkt der Vergleich.
Quelle: Qualcomm

Ausserdem sind bei den Snapdragon-Chips zehn oder zwölf Kerne am Werk, wohingegen die auf der Grafik gezeigte schwächere CPU AMD Ryzen 9 7940HS lediglich acht Kerne hat. Da Geekbench selbst wenn ein Kern einer x86-CPU zwei Threads unterstützt, immer nur einen pro Kern nutzt, ist das Resultat kein Wunder ... aber dennoch eines, das sich sehen lässt.

Beim ebenfalls gezeigten Intel Core Ultra 7 155H mit angeblich 37 Prozent weniger Leistung gegenüber Snapdragon X Plus liegen total 16 Kerne vor. Allerdings wendet Intel bei dieser CPU ein sogenanntes Big-Little-Konzept an. Das bedeutet, dass einige Kerne viel leisten können und andere den Fokus auf energieeffiziente Arbeit legen. Die aufgeführte Intel-CPU hat sechs Performance-Kerne, acht Effizienz-Kerne und zwei Low-Power-Effizienz-Kerne.

Trotz dieser Tatsachen ist das Resultat der Qualcomm-SoCs eine Revolution gegenüber allen bisherigen Versuchen mit Windows on ARM beziehungsweise Windows 11 ARM – Microsofts Surface-Geräte mit ARM-Architektur-CPU eingeschlossen. Die neuen Snapdragon-X-Chips haben keine Little-Big-Architektur – Qualcomm sagt, dass sämtliche Kerne sowohl bestens auf Performance als auch Effizienz ausgelegt sind. Dass eine Revolution gegenüber x86 bei der Energieeffizienz ansteht, dürfte unbestritten sein. ARM-Chips sorgen für eine längere Akkulaufzeit.

Besser als Apple M3?

Der M3 von Apple erreicht in Geekbench 6 beim Single-Core-Resultat gegen 3100 Punkte. Das ergibt auf einer Folie kein schönes Bild gegenüber den etwas mehr als 2900 Punkten des Snapdragon X Elite unter Windows. Daher zeigt Qualcomm bei der Vorstellung des neuen Plus-SoC lieber folgenden Multi-Core-Vergleich:

Werden hier gerade Äpfel mit Birnen verglichen?
Werden hier gerade Äpfel mit Birnen verglichen?
Quelle: Qualcomm

Dass die beiden Snapdragons zehn respektive 28 Prozent schneller bei Multi-Core als ein Apple M3 sein sollen, mag stimmen. Allerdings ist dieser Vergleich keiner auf Augenhöhe, da der M3 über lediglich acht Kerne verfügt. Darüber hinaus kommt bei Apple auch ein Big-Little-Konzept zur Anwendung.

Was Qualcomm zeigt, ist reine Augenwischerei. Ein Vergleich zu einem Apple M3 Pro mit zwölf Kernen würde an dieser Stelle mehr Sinn ergeben. Der schafft allerdings bei Multi-Core ebenfalls über 15 000 Punkte. Dadurch dürfte der Snapdragon-Chip je nach Kühlkonzept künftiger Laptops bei Multi-Core etwas besser, gleichauf oder schlechter abschneiden als ein Apple-Chip.

Qualcomm scheut GPU-Vergleich mit Apple und rührt die KI-Werbetrommel

Bei der integrierten Grafik soll die Adreno GPU des Snapdragon X Plus die gleiche Leistung (3,8 TFLOPs) abrufen können wie die beiden schwächeren Elite-Versionen. Die iGPU unterstützt bis zu vier Displays – ein internes mit 4K und 120 Hertz sowie drei externe mit 4K und 60 Hertz.

Die Leistung der integrierten Grafik im Vergleich zu iGPUs von Intel und AMD. Eine Folie mit Vergleich zu Apples iGPU wird nicht gezeigt.
Die Leistung der integrierten Grafik im Vergleich zu iGPUs von Intel und AMD. Eine Folie mit Vergleich zu Apples iGPU wird nicht gezeigt.
Quelle: Qualcomm

Der gezeigte iGPU-Vergleich wurde mittels 3DMark Wild Life ermittelt. Dabei handelt es sich um einen plattformübergreifenden Benchmark für Windows, Android und iOS. Das Resultat ist gegenüber der Intel- und AMD-Konkurrenz nicht schlecht, doch bewegt sich die Leistung gegenüber dedizierten Grafikkarten trotzdem auf niedrigem Niveau.

Die NPU, also der KI-Chip, ist bei sämtlichen Snapdragon-X-Versionen identisch und soll 45 TOPS bieten. Diese Leistung soll laut einer Präsentationsfolie mehr als doppelt so stark sein wie bei anderen aktuellen Laptop-SoCs. Und wie bei diesen werden die neuen Qualcomm-Laptops dann höchstwahrscheinlich unter dem Label KI-Laptop beworben. Als ob eine gute NPU im Jahr 2024 wichtiger wäre als eine starke CPU.

Qualcomm rührt mächtig die KI-Werbetrommel, obschon die meiste KI heute noch in der Cloud läuft und native Applikationen nur langsam Einzug halten.
Qualcomm rührt mächtig die KI-Werbetrommel, obschon die meiste KI heute noch in der Cloud läuft und native Applikationen nur langsam Einzug halten.
Quelle: Qualcomm

Snapdragon-Laptops haben das Potenzial für eine Revolution – auch beim Gaming

Wie bei sämtlichen Herstellern scheut sich das Marketing von Qualcomm nicht davor, ihre künftigen Produkte mit intransparenten Versprechen schmackhaft zu machen. Schade, setzt das Unternehmen nicht auf Transparenz, denn was die kommenden Snapdragons zu bieten haben, muss sich nicht verstecken. Keiner erwartet, dass Qualcomm gleich auf Anhieb die gesamte Konkurrenz überholt.

Meiner Einschätzung nach könnte Qualcomm mit den neuen Chips ab Mitte Jahr theoretisch auf Augenhöhe zur Konkurrenz mitspielen. Allerdings gibt es Stolpersteine, die überwunden werden müssen. Damit spreche ich Windows on ARM an, das seit jeher ein grosses Problem hat: Das Angebot an nativ für die Prozessoren erstellten Apps ist weitaus geringer als bei Windows für x86-Prozessoren – und als bei Apple. Beispielsweise laufen Adobe Photoshop, Lightroom und Fresco bereits nativ, wodurch sie keine Geschwindigkeit einbüssen. Die PDF-Bearbeitungssoftware Adobe Acrobat, die Videoschnittsoftware Premiere Pro und weitere Produkte gibt’s allerdings nach wie vor nur als «x86-Version». Die nicht an die neue Prozessor-Architektur angepasste Software läuft zwar dennoch auf Windows 11 ARM / Windows on ARM, allerdings nur emuliert. Das bedeutet unterm Strich weniger Geschwindigkeit und mehr Verlustleistung.

Da die neuen Snapdragons stark performen, werden sie vermutlich trotzdem viele nicht nativ umgesetzte Software flüssig darstellen können. Abgesehen davon zeigen erste Tests mit emulierten Windows-Games, dass sie auch Potenzial für den Handheldmarkt haben könnten. So soll «Control» bei mittleren Einstellungen und 1080p-Auflösung relativ flüssig emuliert werden und lediglich bei Feuergefechten von 30 bis 40 Bildern in der Sekunde (FPS) auf 26 fallen. Ebenso zeigt Youtuber JuanBagnell ein Video des ersten Kampfs von «Baldur’s Gate 3», bei dem 25 bis 30 FPS erreicht werden. Da diese Szene nicht in der offenen Welt stattfindet, dürften im Game sonst etwas weniger FPS drin liegen. Kaum vorzustellen, was die Games leisten würden, lägen sie nativ programmiert für die ARM-Version von Windows vor.

Alles in allem könnten die neuen Snapdragons tatsächlich für eine Revolution im Laptop-Markt sorgen. Allerdings eher für eine schleichende, die sich durch das steigende Angebot an nativ umgesetzter Software vollziehen dürfte.

Titelbild: Qualcomm

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Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.


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