Pico 4 Ultra ausprobiert: Mit diesem Headset hast du den Durchblick
Pico 4 Ultra liefert mehr Leistung und einen besseren Passthrough-Modus als das Vorgänger-Modell. Über längere Zeit brauchbar ist aber auch dieser nicht. Dafür gibt es ein paar optionale Fussfesseln in Form von Bewegungssensoren.
Die VR-Revolution lässt auch nach der Apple Vision Pro weiter auf sich warten. Was das über 4000-Franken/Euro teure Gerät jedoch geschafft hat, ist den Fokus verstärkt auf Produktivität zu legen. Auch die Pico 4 Ultra positioniert sich als Mixed-Reality-Headset, das zum Arbeiten verwendet werden kann. Das funktioniert nur bedingt.
Einrichtung und Bedienung
Die Pico 4 Ultra ist in wenigen Minuten betriebsbereit. Der VR-Bereich, in dem ich mich bewegen will, kann ich manuell mit den Controllern zeichnen. Ansonsten erstellt Pico einfach einen Kreis. Danach begrüsst mich ein klassisches horizontales Menü mit den wichtigsten Apps und Funktionen. Im Store kann ich neue Apps und Spiele herunterladen. Ich kann den virtuellen Hintergrund verändern. Wie es mittlerweile Standard ist bei den meisten VR-Headsets.
Die Controller besitzen keine Bügel mehr, um die Bewegungen zu tracken. Ohne sehen sie praktisch identisch zu denen der Meta Quest 3 aus. Das betrifft auch das Tastenlayout. Allerdings hat der rechte Pico-Controller noch eine dedizierte Aufnahme-Taste neben dem Home-Button. Dieser wiederum ist auf beiden Seiten vorhanden.
Bei Bedarf kann ich die Pico 4 Ultra mit Handgesten steuern. An die Genauigkeit einer Apple Vision Pro reicht es nicht heran, mit der Quest 3 kann sie aber gut mithalten. Ich benutze die Funktion aber eigentlich nur, wenn die Controller grad nicht zur Hand sind. Praktisch wäre es in Verbindung mit dem Streamen des PC-Desktops. Dann kommen sich Handgesten und Controller aber oft in die Quere. Also müsste ich die Controller jeweils deaktivieren. Und das ist auch nicht ideal.
Auch Videos kann die Pico 4 aufzeichnen. Genau wie bei der Vision Pro sind die Aufnahmen nur mit dem Headset sehenswert und damit praktisch nutzlos. Sobald ich sie teile, sind sie nur 2D. Somit kann ich es mir sparen, wie ein bekloppter mit Headset rumzulaufen und meine Kinder zu Daten für ByteDance zu verarbeiten. Das Unternehmen hinter TikTok produziert auch die Pico-Brille.
Steif, aber komfortabel
VR-Headsets empfinde ich selten bequem für längere Zeit. Das gilt auch für die Pico 4 Ultra. Sie ist eher hart gepolstert, sitzt aber relativ angenehm auf dem Kopf. Das Gewicht verteilt sich gleichmässig. Sie fühlt sich aber nicht ganz so Premium an, wie die Quest 3. Dort wirkt die Verarbeitung und das abgerundete Design etwas besser beim Anfassen.
Da sich die Kopfbefestigung wie ein Bügel hochklappen lässt, kann ich das Headset schnell an- und ablegen ohne meinen Kopf hineinzwängen zu müssen. Am Hinterkopf befindet sich eine Stellschraube, um das Headset festzuziehen. Trotz dieser Möglichkeiten wird die Pico nach spätestes einer Stunde zur Last. Die Quest 3 mit dem optionalen Elite Strap bleibt mein Favorit bezüglich Tragekomfort. Wohl auch, weil sie 70 Gramm leichter ist.
Die Pico 4 Ultra dichtet etwas besser ab, als das Vorgänger-Modell. Ich sehe nur noch durch einen kleinen Spalt bei der Nase die Aussenwelt. Die Quest 3 macht es einen Zacken besser. Fast vollständig dichten nur die PS VR2 oder die Quest Pro ab – letztere allerdings nur mit dem Komplett-Lichtblocker-Zusatz.
Unwesentlich schärfer und schneller
Die Auflösung der Displays beträgt wie beim Vorgänger je 2160 × 2160 Pixel. Die gerenderte Auflösung beträgt 1920 x 1920 Pixel und ist 62 Prozent höher als bei der Pico 4. Das ist auf 1550 x 1560 Pixel limitiert. Für den Direktvergleich habe ich zuerst «Moss» installiert. Das Spiel, mit der knuffigen kleinen Abenteuer-Maus sieht auf der Pico 4 Ultra ein kleines bisschen schärfer aus als auf der Pico 4. Ohne Direktvergleich würde ich das allerdings unmöglich erkennen. Mit der Quest 3 sieht das Spiel etwa gleich gut aus. Das Sichtfeld ist dort etwas grösser. Das Headset verfügt über 110 Grad horizontales Sichtfeld gegenüber 105 Grad der beiden Pico-Brillen. Das fällt bei einem Spiel wie «Moss», das aus Diorama-ähnlichen Szenen besteht, eher auf als die etwas höhere Auflösung.
Beim Kontrast müssen sich alle drei von der PS VR2 geschlagen geben. Die lässt sich seit kurzem mit dem passenden Adapter auch am PC nutzen. Der spannendere Vergleich ist für mich dann auch mit Games, die ich vom PC auf das Headset streame.
VR-Headset-Vergleich
Pico 4 Ultra | Pico 4 | Meta Quest 3 | Playstation VR2 | |
---|---|---|---|---|
Linsen | Pancake | Pancake | Pancake | Fresnel |
Display | LCD | LCD | LCD | OLED |
Auflösung | 2160x2160 p | 2160x2160 p | 2046x2208 p | 2000x2040 p |
Bildwiederholrate | 90 Hz | 90 Hz | 120 Hz | 120 Hz |
Sichtfeld | 105 ° | 105 ° | 110 ° | 110 ° |
Gewicht | 580 g | 586 g | 515 g | 560 g |
Die PS VR2 ist das einzige Headset mit OLED-Display statt LCD und das siehst du sofort. Nur dort ist das schwarz wirklich schwarz. Das fällt besonders bei dunklen Szenen auf, wie es sie bei «Half-Life Alyx» zu hauf gibt. Das Pico 4 Ultra macht seine Sache aber auch ordentlich. Valves VR-Spiel überzeugt auch damit. Spiele sehen generell knackig aus und die Farben sind trotz LCD kontrastreich, wenn auch nicht auf OLED-Niveau. Für das scharfe Bild hilft sicherlich auch die leicht höhere Auflösung als bei der Konkurrenz.
Für die Performance habe ich «The Walking Dead: Saints & Sinners» auf den beiden Pico-Headsets installiert. Die Zombies schockieren mich dabei primär durch ihr pixeliges Aussehen. Auch wenn es ein VR-Game ist, das auf einer mobilen Brille läuft, sieht das Spiel nicht sehr beeindruckend aus. Auf der Pico 4 Ultra ist das Spiel etwas schärfer und das Bild flimmert weniger. Bei der Ladezeit und auch der sonstigen Performance konnte ich keine entscheidenden Unterschiede feststellen.
Zu beachten ist, dass die Spiele-Auswahl auf der Pico 4 Ultra deutlich kleiner ist, als bei einer Quest. Die hat nicht nur einige exklusive Titel wie «Asgard’s Wrath», der wohl nie auf der Pico landen wird. Auch Klassiker wie «Beat Saber» oder «Super Hot» suchst du vergeblich.
Virtueller Desktop und Streaming
Wenn ich VR-Games in voller Pracht geniessen will oder meinen Windows-Desktop spiegeln möchte, starte ich die Pico-Connect-App. Sobald sie auf dem Headset und dem PC, respektive Mac installiert ist, muss ich nur noch auf «verbinden» drücken und schon geht es los. Das Ganze funktioniert Wireless oder per USB-C-Kabel. Damit kann ich mir einen riesigen Desktop anzeigen lassen. Dort navigiere ich entweder mit den Controllern, die als Maus fungieren. Ich kann damit scrollen, Fenster verschieben oder Apps öffnen. Ich kann auch weiterhin Maus und Tastatur verwenden. Dafür schalte ich in den Transparenz- respektive Passthrough-Modus, so dass ich mein physisches Pult mit meinen Geräten durch die Brille hindurch sehe.
Da ich nicht komplett blind tippen kann, bin auch auf Passthrough angewiesen. Die Qualität meines Büros wie auch die Anzeige meines virtuellen Desktops ist eindeutig besser als beim Vorgänger. Text ist auf dem virtuellen Desktop aber nach wie vor zu flimmerig und körnig. Im Gegensatz zu den anderen Geräten lässt er sich aber einwandfrei lesen. Wenn auch nicht so gut, wie auf der Quest 3. Angenehm zu Arbeiten ist es damit aber nicht. Das wohlgemerkt auf der höchstmöglichen Detailstufe der Connect-App. Neben «Ultra HD+» habe ich mit 150 Mbps die maximale Bitrate und mit 90 Hz die maximale Bildwiederholrate eingestellt. Dafür empfiehlt Pico eine RTX 4090 oder RX 7900 XTX, denn die Grafikkarte hat dabei einiges zu berechnen. Um einen Teil dieses Textes zu schreiben hat es gereicht, ein Vergnügen war es nicht.
An der Latenz habe ich nichts auszusetzen. Ist die zu hoch, führt das schnell zu Übelkeit. Die Latenz konnte laut Pico gegenüber dem Vorgänger dank des neuen AV1-Videocodec um 2 Millisekunden reduziert werden. Je höher die Auflösung und die Bitrate eines Streams, desto mehr sind Verzögerungen in der Übertragung spürbar. Bei meinem PC-Setup, das noch mit Wifi 5 unterwegs ist, ist mir keine spürbare Verzögerung aufgefallen. Die Pico 4 Ultra unterstützt sogar Wifi 7, welches die Latenz noch mehr reduzieren dürfte.
Was ich auch mit der Hilfe des Pico-Supports nicht geschafft habe, ist mir mehrere virtuelle Desktops anzuzeigen. Ich kann lediglich weitere Pico-VR-Apps an meinen Desktop heften. Lieber wäre mir, ich hätte mehr Fläche für Windows-Apps.
Ich nutze Pico-Connects daher primär zum Zocken von PC-VR-Games. Habe ich den Desktop bereits vor mir, kann ich Steam VR über den entsprechenden Button oberhalb des Fensters starten und sofort loszuzocken.
Mehr Bewegungsmöglichkeit dank Fussfesseln
Pico hat mir zum Testsample noch zwei Motion Tracker beigelegt. Zum Start sind sie als Teil einer Promo-Aktion beim Kauf enthalten. Die sonst 89 Franken/Euro teuren Geräte schnalle ich mir wie Fussfesseln um. Verbunden werden sie durch kurzes Drücken der Pairing-Buttons und der dazugehörigen App. Danach stehen sie mir in rund 20 Spielen und Apps zur Verfügung.
Ich habe die Bein-Tracker in «Sports Adventure», einer Art Fitness-App sowie VR Chat ausprobiert. In ersterer kann ich unter anderem Rennen und beschleunigen, in dem ich an Ort und Stelle trabe. Das hat mich stark an «Ring Fit Adventure» für die Switch erinnert, nur dass es dort deutlich mehr Spass macht. In VR Chat wiederum kann ich durch die Tracker die Beine meines virtuellen Avatars bewegen. Bringt nicht viel, ist aber ganz witzig und hilft der Immersion in die virtuelle Chat-Welt. Für solche und ähnliche Spielereien sind die Motion Tracker amüsant, mehr aber auch nicht. Mir reicht es für VR eine Brille tragen zu müssen, da brauche ich nicht noch mehr Accessoires.
Fazit: Solide VR-Brille, aber kein zwingendes Upgrade
Wenn du auf der Suche nach einer neuen oder deiner ersten VR-Brille bist, dann ist die Pico 4 Ultra auf jeden Fall einen Blick wert. Das Display ist heller als beim Vorgänger und besitzt eine höhere Auflösung als die Quest 3. Der verbaute Chip stemmt alles, was du ihm entgegenwirfst und der Passthrough-Modus liefert ein deutlich detaillierteres Bild. Letzterer ist zum Arbeiten mit virtuellen Desktops praktisch, allerdings ist die Qualität nach wie vor zu gering, als dass es angenehm ist für längere Zeit.
Zum Zocken von PC-VR-Games eignet sich die Brille deutlich besser. Die Wireless-Verbindung ist stabil und in kürzester Zeit eingerichtet. Damit stehen dir auch deutlich mehr Spiele zur Verfügung. Die Auswahl im Pico-Store ist weiterhin unbefriedigend.
Die Pico 4 Ultra sitzt relativ bequem auf dem Kopf, ohne dass ich mir wie bei der Quest 3 erst eine bessere Halterung dazukaufen muss. Metas Brille bleibt damit und dem geringeren Gewicht aber weiterhin das bequemste Headset.
Die Bewegungssensoren für die Füsse sind ein netter (kostenpflichtiger) Zusatz. Allerdings ist die Zahl kompatibler Spiele zu gering, als dass sich der Kauf lohnt. Die Pico 4 Ultra hingegen ist eine valable Alternative zur Quest 3. Zu beachten ist jedoch, dass die in der Version mit weniger Speicher deutlich günstiger ist. Falls dir Meta zu wider ist und du lieber beim Mutterkonzern von TikTok einkaufst, dann kannst du zugreifen.
Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.