Produkttest

Panasonic Lumix G110: Wieder mal nicht die perfekte Kamera

David Lee
17.8.2020

Die G110 ist eine kleine und leichte Systemkamera, mit der du sowohl fotografieren als auch vloggen kannst. Der perfekte Alleskönner? Nein, selbstverständlich auch dieses Mal wieder nicht.

Mit der Lumix G110 will Panasonic die gleiche Zielgruppe ansprechen wie Sony mit der ZV-1: Vlogger. Aber nicht nur. Anders als die Sony ZV-1 soll die G110 fürl klassische Fotografen genauso geeignet sein. Wie gut gelingt dieser Spagat?

Übrigens heisst die Kamera nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz G110, überall sonst auf der Welt G100. Alles, was du über die Panasonic Lumix G100 liest, gilt auch für die G110 – es ist das gleiche Modell. Warum Panasonic das so handhabt, habe ich bis heute nicht ganz begriffen und verbuche es unter «ist so, weil ist so.»

Panasonic DC-G110 (12 - 32 mm, 20 Mpx, Micro Four Thirds)
Kamera

Panasonic DC-G110

12 - 32 mm, 20 Mpx, Micro Four Thirds

Video-Features

Dass Videos bei dieser Kamera keine Nebensache sind, sticht sofort ins Auge: Die grosse, rote Aufnahmetaste auf der Oberseite erleichtert das schnelle Starten und Stoppen eines Videos. Mit ihr lässt sich auch in den Fotomodi (P, A, S, M und Automatik) eine Videoaufnahme starten. Im Videomodus macht der Fotoauslöser keine Fotos, sondern startet ebenfalls eine Videoaufnahme.

Ein weiteres Vlogging-Feature: Ob die Kamera gerade aufnimmt, ist durch einen roten Rahmen ums Bild gut ersichtlich. Eine rote LED auf der Frontseite wie bei der Sony ZV-1 gibt es nicht, aber der Bildschirm kann zur Seite hin um 180 Grad gedreht werden, so dass du dich mitsamt dem Kontrollrahmen vor der Kamera siehst.

Zudem bietet die Videofunktion die Möglichkeit, Blende, Verschlusszeit und ISO komplett über den Touchscreen einzustellen. So kann ich auch Einstellungen vornehmen, wenn ich bereits vor der Kamera stehe.

Für Vlogger gibt es die Kamera im Kit mit dem Stativgriff DMW-SHGR1. Dieser ist vor allem eines: auffällig leicht. Dadurch fühlt er sich ein bisschen billig an, doch er steht stabil. Die Kamera lässt sich dank dem Kugelkopf frei ausrichten. Ein Vorteil gegenüber dem Stativgriff von Sony.

Panasonic DC-G110 (12 - 32 mm, 20 Mpx, Micro Four Thirds)
Kamera

Panasonic DC-G110

12 - 32 mm, 20 Mpx, Micro Four Thirds

Im Vergleich zum Sony-Griff hat dieser hier auch einen Nachteil: Er bietet keine Zoom-Steuerung. Solche Fernsteuerungstasten würden keinen Sinn ergeben, denn das Objektiv hat gar keinen Zoom-Motor.

Das mit der Kamera mitgelieferte Kit-Objektiv ist übrigens genau wie der Griff extrem leicht. Da auch die Kamera selbst nicht schwer ist, lässt sich alles zusammen problemlos auch längere Zeit mit ausgestrecktem Arm benutzen. Die 12-32 mm Brennweite entsprechen dem Blickwinkel von 24-64 mm im Vollformat.

Der Bildschirm zeigt sehr deutlich an, welches Gesicht und welches Auge die Kamera momentan trackt. Bei mir funktionierte der Gesichtsautofokus recht gut. Allerdings scheint mir in diesem Punkt die Sony ZV-1 schneller und zuverlässiger.

4K-Vlogging unbrauchbar

4K beherrscht die Panasonic G110 nur mit dem berüchtigten 4K-Crop. Das heisst, du siehst nur einen Ausschnitt von dem, was du bei Fotos oder Full-HD-Videos sehen würdest. Obwohl das kleine und leichte Kit-Objektiv genug Weitwinkel fürs Vlogging bieten würde, wird damit in 4K der Bildausschnitt zu eng. Das Problem verschärft sich, wenn du den Bildstabilisator einschaltest. Der schneidet noch mehr vom Bild ab, besonders in der Stufe «hoch». Übrigens hat die Kamera keinen Sensor-Bildstabilisator, was bei den kleinen Abmessungen wohl unmöglich wäre. Das Bild wird durch eine Kombination aus Software- und Objektiv-Stabilisierung mehr oder weniger ruhig gehalten.

Du kannst theoretisch ein anderes Objektiv anschliessen, um den gewünschten Blickwinkel zu erreichen. Doch in diesem Kamerasystem (Micro Four Thirds) ist die Auswahl an entsprechenden Objektiven unbefriedigend. Entweder sind sie gross, schwer und teuer, oder es handelt sich um Fischaugenobjektive, die nur manuell fokussiert werden können.

Der Grund, warum Hersteller überhaupt zu Cropping greifen, ist, dass es weniger Rechenleistung braucht. Umso erstaunlicher, dass die Aufnahme in 4K auf 10 Minuten limitiert ist. Full HD mit 60p ist auf 20 Minuten am Stück beschränkt. Die Kamera erhitzt sich generell recht schnell.

Unter diesen Voraussetzungen scheint es mir nicht praktikabel, Vlogging in 4K zu produzieren. Eine 4K-Aufnahme würde ich allenfalls nutzen, um das 4K nachträglich weiter zu beschneiden und in ein Full-HD-Video zu integrieren. Auf diese Weise erhältst du einen Tele-Ausschnitt, ohne dass du ein Teleobjektiv dabei haben musst.

Mikrofone

Die Panasonic Lumix G110 hat drei Mikrofone eingebaut und kann den Ton von allen Seiten her aufnehmen. Im Unterschied zu anderen Kameras lässt sich angeben, woher der Ton kommt, der vorwiegend zu hören sein soll. Geräusche, die aus anderen Richtungen kommen, werden leiser aufgezeichnet und stören weniger. Das funktioniert grundsätzlich gut.

Es gibt die drei Einstellungen Front, Back und Surround. Im folgenden Video befindet sich die Kamera zwischen mir und dem Gitarrenverstärker. Daher ist der Sound viel lauter, wenn das Mikrofon nach hinten ausgerichtet ist. Dafür ist bei der Ausrichtung nach vorne der Anschlag der Saiten hörbar. In der Surround-Einstellung hörst du beides.

Zusätzlich gibt es die Einstellungen «Auto» und «Tracking». So wie ich es verstehe, richtet das Mikrofon bei Tracking selbstständig da hin, wo es ein Gesicht erkennt. Mit «Auto» sollte das Gerät selbst erkennen, woher der relevante Ton kommt. Ehrlich gesagt, kann ich nicht sagen, ob das wirklich so funktioniert. Mir fehlen genügend realistische Szenarien, um es sinnvoll zu testen. Ich finde das Audio-Tracking aber eine spannende Innovation. Und ich finde auch, dass die Tonqualität der eingebauten Mikrofone generell sehr gut ist.

Für den Anschluss eines externen Mikrofons hat die Kamera sowohl einen Zubehörschuh als auch einen Mikrofon-Eingang. Mit externen Mikrofonen funktioniert jedoch die Audio-Ausrichtung und Störgeräuschfilterung nicht.

Fotografieren

Der Sucher wird beim Fotografieren viel eher gebraucht als bei Videos. Dass eine auf winzige Abmessungen getrimmte Kamera überhaupt einen Sucher hat, ist ein weiterer Hinweis, dass es eben keine reine Vlogging-Kamera ist. Und es handelt sich nicht um eine Billigvariante: Mit seinen 3,68 Mio. Bildpunkten macht der Sucher einen guten Eindruck.

Mit dem Sucher, den kompakten Abmessungen und dem geringen Gewicht ist die Kamera bestens geeignet für unterwegs, zum Beispiel auf Wanderungen.

Leider kann ich die RAW-Files trotz langem Warten auf ein Update noch immer nicht in Lightroom ansehen und bearbeiten. Mit den JPEGs der Kamera bin ich zufrieden. Bis 3200 ISO liefert der Sensor gute Qualität. Einstellen kannst du bis 25 600 ISO, aber das taugt nur noch für die Betrachtung am Handy.

Links 3200 ISO, rechts 16 000 ISO. Wie meistens werden die Mängel erst in der Vergrösserung gut sichtbar.

Das Kit-Objektiv ist schon fünf Jahre alt, dennoch ein paar Worte dazu. In der Bildmitte werden die Fotos auf allen Zoomstufen scharf – im Gegensatz zu meiner Sony RX100 III, die im Telebereich deutlich nachlässt. In den Bildecken dagegen liefert das Objektiv wenig Schärfe, vor allem im Weitwinkel ist mir das aufgefallen. Das ist aber normal. Insgesamt überrascht mich die Bildqualität dieses Federgewichts positiv.

Fazit: Eine gute Reisekamera

Mit der Lumix G110 will es Panasonic allen recht machen, die eine kleine Kamera suchen: Videografen, Instagramern, Vloggern und Fotografen. Fast wäre es gelungen. Aber eben nur fast.

Die Panasonic Lumix G110 bietet interessante Features für alle, die gern Videos aufnehmen. Die Bedienung ist dafür gut geeignet und die Tonaufnahme innovativ. Leider sind die Limitierungen in 4K so stark, dass Vlogger auf Full HD ausweichen müssen.

Durch die kleinen und leichten Abmessungen erweist sich die G110 als praktisch für unterwegs, wo du nicht viel Gewicht mitschleppen willst – Trekking, Reisen oder ein Stadtbummel. Mit dem sehr guten Sucher behältst du auch bei Sonnenschein die volle Kontrolle über die Bildgestaltung. Dafür, dass am Objektiv so gut wie nichts dran ist, liefert es eine erstaunliche Qualität. Zudem kann es natürlich auch durch ein anderes Objektiv ausgetauscht werden, etwa das ebenfalls kleine 20mm-Objektiv mit Lichtstärke f/1,7.

Ich habe den Verdacht, dass die Lumix G110 vor allem als Vlogging-Kamera angepriesen wird, weil Vlogging gerade mehr im Trend ist als Reisen. Für mich ist das in erster Linie eine Reisekamera.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 

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