Produkttest
Eingevloggt: Die Sony ZV-1
von David Lee
Die Vlogging-Kamera ZV-E10 ist nicht teuer und in der Leistung absolut brauchbar. Mit den Wechselobjektiven kann es trotzdem teuer werden. Denn das perfekte Vlogging-Objektiv hat Sony (noch) nicht im Angebot.
Die ZV-E10 ist nach der ZV-1 Sonys zweite Kamera, die für Vlogger konzipiert wurde. Und zwar ziemlich kompromisslos: Features, die fürs Fotografieren praktisch wären, etwa ein Sucher oder ein Moduswählrad, wurden geopfert. Dafür sind die fürs Vlogging geeigneten oder sogar speziell entwickelten Features der ZV-1 auch hier dabei:
Da ich diese Dinge schon bei der ZV-1 getestet habe, bin ich nicht mehr alles systematisch durchgegangen. Für eine Übersicht zu diesen Features liest du am besten mein Review der ZV-1.
Die ZV-E10 ist etwas grösser als die ZV-1 und hat einen grösseren Sensor im APS-C-Format. Das ist der zweitwichtigste Unterschied. Der wichtigste ist, dass du die Objektive wechseln kannst. Alle Objektive des Sony-Systems (E-Mount) lassen sich anschliessen. Das eröffnet mehr Möglichkeiten, macht aber auch die Kaufentscheidung komplizierter. Und je nach Bedarf auch viel teurer.
Die fürs Vlogging naheliegenden Optionen sind das 16-50mm und das 10-18mm. Ich habe beide Objektive ausprobiert. Beide sind als Kit mit der Kamera erhältlich.
Für das 10-18mm spricht der extreme Weitwinkel. 10 Millimeter im APS-C-Format entsprechen 15 Millimeter im Vollformat – sie liefern also einen sehr grossen Bildausschnitt. Im Vlogging ist das beliebt, weil dadurch viel von der Umgebung zu sehen ist und nicht nur dein Kopf. Zudem wirken die Aufnahmen dynamisch, teilweise fast schon comicartig.
Das 16-50mm bietet etwa denselben Winkel wie das Objektiv, das in der ZV-1 eingebaut ist. 16 Millimeter entsprechen 24 Millimeter im Vollformat – fürs Selfie-Vlogging reicht das gerade noch. Videoaufnahmen haben einen leichten Crop gegenüber Fotoaufnahmen. Der Bildausschnitt ist somit etwas enger als 16 Millimeter wären. Dies sowohl bei HD als auch bei 4K. Einen sehr starken Crop gibt es, wenn du den elektronischen Bildstabilisator aktivierst.
Hier ein Vergleich der verschiedenen oben erwähnten Bildausschnitte.
Beide Objektive haben einen optischen Bildstabilisator eingebaut. Bei Weitwinkel wäre auch ein Sensor-Stabilisator nützlich. Einen solchen hat die Kamera nicht. Allerdings: Bewegungen beim Gehen würde auch der nicht ausgleichen, dafür brauchst du einen Gimbal.
Das 16-50mm hat einen zweifelhaften Ruf bezüglich der Bildqualität, doch das wirkt sich im Alltag nicht gross aus, bei Videos schon gar nicht. Details zu diesem Thema im Test des 16-50mm.
Dieses Objektiv hat gegenüber dem 10-18 einige grosse Vorteile. Zuerst der offensichtliche: Es ist kleiner, leichter und günstiger. Es bietet zudem einen vielseitigeren Zoombereich, vom Weitwinkel bis zum leichten Tele. Im Telebereich sind auch leichte Makroaufnahmen möglich.
Der grösste Vorteil des 16-50mm ist aber, dass es einen Zoom-Motor eingebaut hat. Im Namen ist dies am Kürzel PZ erkenntlich, was so viel wie «Power Zoom» heisst. Zum Fotografieren braucht den Zoom-Motor niemand, aber bei Videos ist er sehr praktisch.
Das Objektiv existiert schon lange. Mit der ZV-E10 gibt es nun endlich eine Kamera, mit der sein Zoom-Motor voll zum Tragen kommt. Denn die ZV-E10 hat beim Auslöser eine Zoom-Wippe, wie eine Kompaktkamera. Das ist in den meisten Fällen wesentlich praktischer, als den Zoomhebel am Objektiv zu betätigen. Zudem erlauben die Kameraeinstellungen getrennte Zoom-Geschwindigkeiten für die beiden Zoom-Hebel, und eine weitere Geschwindigkeit für den Handgriff, der ebenfalls Zoom-Tasten hat. Darüber hinaus lassen sich für den Standby-Betrieb und die Videoaufnahme unterschiedliche Geschwindigkeiten festlegen.
Kurz: Videos sind mit einer komfortablen, ebenmässigen Zoom-Funktion möglich. Gleichzeitig kann der Zoom zum Fotografieren sehr schnell bewegt werden. Nur einen kleinen Kritikpunkt habe ich: Für meinen Geschmack sollte es eine noch langsamere Geschwindigkeitsstufe geben.
Hier siehst du die langsamste und die schnellste Zoom-Stufe im Einsatz.
Wie alle APS-C-Kameras von Sony ist auch die ZV-E10 sehr kompakt. An dem kleinen Gehäuse lassen sich nicht allzu viele Bedienelemente anbringen. Sony hat das aber gut gelöst. Auch der Handgriff ist trotz seiner geringen Grösse brauchbar. Wie üblich sind diverse Tasten mit eigenen Funktionen belegbar; das Funktionsmenü lässt sich vollständig frei einrichten.
Bildschirm, Knöpfe und sonstige Bedienelemente sind der ZV-1 wesentlich näher als den übrigen Sony-Alpha-Kameras. Es gibt kein Modusrad, nur eine kleine Modustaste, die zwischen Foto, Video und Zeitlupe/Zeitraffer umschaltet. P, A, S und M müssen über das Funktionsmenü aktiviert werden.
Im 2020 hat Sony Kameras mit einer komplett überarbeiteten Menüstruktur herausgebracht, zum Beispiel die A7S III. Das neue Menü wird aber nach wie vor nicht in allen Geräten verwendet. Die ZV-E10 hat noch den alten, weniger übersichtlichen Aufbau.
Die Kabelanschlüsse für Kopfhörer, Mikrofon, HDMI und USB befinden sich auf der Seite, wo der Bildschirm gedreht wird. Ist ein Kabel eingesteckt, blockiert es den Drehmechanismus. Das ist nicht optimal, aber bei dem kleinen Gehäuse wohl nicht anders machbar.
Die ZV-E10 hat einen grösseren Sensor als die ZV-1 und daher das Potenzial zu besserer Aufnahmequalität bei schwachem Licht. Allerdings hat die ZV-1 deutlich mehr Lichtstärke als die Kit-Objektive der ZV-E10. Mit diesen schnellt die Empfindlichkeit schnell mal auf 6400 ISO hoch und zeigt dann ein entsprechend verrauschtes und matschiges Bild.
Wie bei den günstigeren Kameras von Sony üblich, kann auch die ZV-E10 nur in 4K ein wirklich scharfes Bild erzeugen. Full HD wirkt immer etwas matschig – also deutlich weniger scharf, als Full HD eigentlich sein könnte. Full HD, das am Computer aus 4K heruntergerechnet wird, ist deutlich schärfer als Full HD direkt aus der Kamera. Das siehst du sogar noch im Youtube-Video deutlich, obwohl Youtube die Qualität durch Komprimierung noch weiter verschlechtert – insbesondere wenn es nur in Full HD hochgeladen wird, wie in meinem Beispiel.
Daher solltest du wenn immer möglich in 4K aufnehmen. Das Problem: Es ist nicht immer möglich. Für Bildraten höher als 25 (respektive 30 fps in NTSC) musst du auf Full HD ausweichen. Zudem kannst du in 4K nicht gleichzeitig den Gesichts-/Augenautofokus und die Proxy-Aufnahmen aktiviert haben. Letzteres sind Clips mit niedriger Qualität, die im Schnittprogramm verwendet werden, um den Rechner weniger zu belasten. Am Ende werden diese durch die «richtigen» Clips ersetzt.
Der Grund für diese Einschränkungen dürfte sein, dass die Kamera sonst zu viel gleichzeitig rechnen müsste.
Für schnelle Action ist die ZV-E10 nicht ideal. Einerseits, weil hohe Bildqualität nur mit langsamen Bildraten möglich ist, andererseits, weil sie einen starken Rolling-Shutter-Effekt aufweist.
Das USB-Streaming wurde bei der ZV-1 erst später nachgeliefert, weshalb ich es damals nicht getestet habe. Bei der ZV-E10 habe ich dieses Feature ausgiebig bei für virtuellen Meetings genutzt und finde es sehr cool. Die Kamera wird über USB mit dem Computer verbunden und lässt sich dann als Webcam verwenden – mit einer deutlich besseren Qualität als eine 0815-Webcam. Das Streaming hat bereits beim ersten Versuch funktioniert, ohne Installation von Treibern. Die Kamera wird über USB auch mit Strom versorgt, so dass Sessions von über einer Stunde kein Problem sind. Dies auch, weil die Kamera im Dauerbetrieb nicht überhitzt.
Neben dem Bild kann auch der Ton aufgezeichnet und übertragen werden. Ich habe das nicht gemacht, sondern den Ton über das Headset laufen gelassen. Je nach Anwendung ist das aber eine interessante Option, denn die Kamera hat einen Mikrofonanschluss und ist über den Zubehörschuh auch mit einem digitalen Mikrofon kompatibel.
Das Aktivieren des USB-Streamings könnte einfacher sein. Du musst ins Menü und dort einen bestimmten Menüeintrag auswählen, dann erst kannst du das Kabel anschliessen. Schliesst du zuerst das Kabel an, klappt es nicht – dann wird die Speicherkarte auf dem Computer angezeigt und muss erst wieder ausgeworfen werden. Ich wünschte mir, dass ich einstellen kann, was beim Einstecken eines USB-Kabels passieren soll: Massenspeicher oder Streaming. Ebenso wünschte ich mir, dass die Kamera beim USB-Streaming einfach in den Videomodus wechselt, anstatt zu meckern, dass das Streaming im Foto-Modus nicht funktioniert.
Die Produktpräsentation ist ein spezieller Autofokus-Modus, bei dem automatisch etwas fokussiert wird, das du in die Kamera hältst. Das funktioniert einwandfrei. Ein simples, aber sehr nützliches Feature, das du zurzeit nur in der ZV-1 und der ZV-E10 findest.
Auch hier habe ich aber wieder eine Detailkritik. Mein Job bringt es – vor allem im Homeoffice – mit sich, dass ich mich gelegentlich selbst fotografieren muss, wie ich etwas in der Hand halte. Ich hätte also die Produktpräsentation auch gern im Zusammenhang mit Selfies verwendet, aber das geht nicht. Weder der Selbstauslöser noch der Timer funktionieren mit kontinuierlichem Autofokus. Der Fokus wird beim Start des Timers eingestellt und ändert sich dann nicht mehr.
Ich muss also entweder ein Video machen und daraus ein Frame als Foto speichern. Oder vorfokussieren wie bei jeder anderen Kamera auch. Ich habe mich für letzteres entschieden. Das ist der Grund, warum ich hier beide Geräte in einer Hand halte. Die andere Hand benötigte ich zum Vorfokussieren.
Schade, es wäre technisch sicher kein Problem, die Produktpräsentation auch im Foto-Modus zuzulassen. Sony müsste es nur wollen – oder zur Kenntnis nehmen, dass das ein Nutzerbedürfnis ist ;-)
Die ZV-E10 hat keinen Sucher. Ob das ein Nachteil ist oder nicht, hängt davon ab, wie intensiv du die Kamera zum Fotografieren verwenden willst – und von deinen Augen. Kurzsichtige Brillenträger mögen den Sucher meistens nicht. Für mich als weitsichtige Person ist er dagegen extrem praktisch, da der Sucher eine Dioptrienkorrektur hat und ich so auf eine Brille verzichten kann.
Beim Bildschirm handelt es sich um einen Touch-Screen. Das merkst du aber kaum. Du kannst bei der Aufnahme wahlweise den Fokuspunkt, den Tracking-Punkt oder den Auslöser per Berührung tätigen. Das ist alles. Menüs und alles andere lassen sich nicht per Fingertipp bedienen.
Wer mit einem Log-Profil aufnimmt, sieht vor der Bearbeitung am PC meistens nur ein sehr flaues Bild. Die ZV-E10 kann auf dem Monitor eine Vorschau anzeigen, die die Farben live korrigiert. Das ist nicht identisch mit dem Endresultat, aber immerhin hast du damit eine viel realistischere Vorschau.
Die Sony ZV-E10 ist eine solide Video- und Vlogging-Kamera. Schwachpunkte wie der Rolling-Shutter-Effekt oder Einschränkungen bei 4K sind angesichts des tiefen Preises verschmerzbar. Sofern für dich ein Sucher nicht wichtig ist, taugt die Kamera auch zum Fotografieren. Insbesondere mit dem 16-50mm-Objektiv bietet sie ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Trotzdem überzeugt mich die ZV-E10 nicht so sehr wie die ZV-1. Die ZV-1 ist eine in sich stimmige All-In-One-Lösung für simples Vlogging, deren einziger Nachteil der etwas eingeschränkte Weitwinkel ist. Mit der ZV-E10 ist dieser Weitwinkel dank dem 10-18mm-Objektiv zwar möglich, doch damit verbunden sind eine Reihe von Nachteilen: fehlender Zoom-Motor, viel weniger Zoom, höheres Gewicht und geringere Lichtstärke als bei der ZV-1. Natürlich kannst du dir mit weiteren Objektiven ein Paket zusammenstellen, das der ZV-1 überlegen ist. Das ist jedoch nicht nur viel teurer, sondern macht auch die Handhabung komplizierter. Wenn du also eine wirklich einfache, leichte und günstige Vlogging-Kamera suchst, ist die ZV-1 immer noch ungeschlagen.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.