Mit dem E-Bike ins Büro, Teil 2: Bei der ersten Fahrt werde ich so richtig nass
Ich will herausfinden, wie es ist, mit dem E-Bike ins Büro zu pendeln. Die erste Fahrt mit dem Velo namens Tarzan legt schonungslos meine Anfängerfehler offen.
Über Wochen war es im März sonnig und trocken. Genau dann aber, als ich Ende März mein Test-E-Bike in Empfang nehmen darf, schneeregnet es. Dabei bin ich doch eher der Typ Schönwetter-Radfahrer. Bei schlechtem Wetter fahre ich höchstens Kurzstrecke bis zum Bahnhof, wo ich in den Zug umsteige, um ins Büro zu gelangen.
Aber ich habe entschieden, in den nächsten zwei Monaten das E-Bike-Pendeln auszuprobieren. Ich habe mich von Daniel Meyer, CEO und Inhaber von Ego Movement, in die Grundlagen von E-Bikes einweisen lassen. Ich habe mir ein Bike ausgesucht, es wurde zusammengebaut.
Und jetzt steht es tatsächlich parat. Zum Glück im warmen Showroom in Zürich. Draussen eilen die Menschen mit Regenschirmen durchs Grau.
Tarzan werden Nässe und Kälte nichts ausmachen, versichern mir Daniel und Produktmanager Josh Arn, die mir mein Gefährt erklären, bevor ich losfahren darf. Mattschwarz steht es da, Sattel und Lenkergriffe in Leder-Optik, aber gefertigt aus Kunststoff, der länger hält und «vegan» ist. Eine Kettenschaltung mit zehn Gängen hat es auch, dazu hydraulische Scheibenbremsen vorne und hinten sowie eine Beleuchtung mit Dämmerungssensoren. Die sind aber seit 1. April 2022 in der Schweiz eigentlich überflüssig, denn für E-Bikes gilt seitdem eine Tagfahrlicht-Pflicht.
Herzstück von Tarzan ist jedoch der Mittelmotor, der bis zu 95 Newtonmeter liefert und mich beim Treten in die Pedale unterstützt. Gefertigt wurde er nicht von Bosch, wie bei vielen anderen E-Bikes, sondern von Bafang, einem Unternehmen aus Suzhou in der Nähe von Shanghai. China also. Daniel erklärt mir, sie hätten sich bewusst für Bafang, die weltweite Nummer 2, entschieden, weil deren Motoren leistungsstärker seien, ausserdem angenehm leise und «angenehm in Bezug auf die Kraftentwicklung». Und weil E-Bike-Hersteller bei Bafang in Bezug auf Batterien, Displays und vor allem IoT-Integration flexibel Komponenten integrieren können, statt quasi im System Bosch gefangen zu sein.
An meinem E-Bike messen zwei Sensoren den Widerstand im Tretlager, ein weiterer am Hinterrad liefert Daten zur Drehzahl. Daraus errechnet die Steuerung die Motorunterstützung und zeigt diese auf einem Display am Lenker an. Die Theorie habe ich jetzt verstanden.
Dann bekomme ich zwei Schlüssel überreicht. Einen für das Rahmenschloss und für das zusätzliche Spiralkabelschloss. Einen weiteren für das Entriegeln des Akkus. Das ist nötig, wenn ich ihn im Büro oder über Nacht im Haus laden möchte. Ich kann das E-Bike allerdings auch an der Steckdose in der Garage laden. Dann muss ich den Akku nicht aus dem Rahmen nehmen.
Ich packe Netzteil und Ladekabel in meinen Rucksack und bin parat für die Abfahrt. An ihm baumelt mein alter Velohelm, ein Modell mit reichlich Lüftungsschlitzen. Bei dem Wetter draussen sind das wohl eher Regeneintrittskanäle. Ich darf mir zum Glück im Ego-Movement-Shop noch einen Helm aus dem Sortiment ausleihen, der das verhindert. Mit dem silbernen Ding sehe ich aus, wie ein Raumfahrer aus einem Science-Fiction-Film der 60er-Jahre.
Meine weitere Ausrüstung ist eine Regenjacke, ein Paar meiner Handschuhe, die ich zum Rennen im Winter anziehe. Das war’s. Viel zu wenig, wie ich gleich feststellen werde.
Kaum sitze ich auf dem E-Bike, habe für Fotograf Tom noch eine Runde gedreht und mich in den Stadtzürcher Verkehr gewagt, regnet es so richtig. Als Erstes wird die Jeans an meinen Oberschenkeln nass. Ich habe ein paar kurze Regenhosen, die ich mir per Gürtel um den Bauch und mit Gummibändern um die Oberschenkel binde. Aber die liegen jetzt daheim im Schrank. Ich habe noch nicht einmal Oerlikon erreicht, das sind auch meine Füsse schon feucht. Merke: Sneaker mit luftigem Stoffgewebe auf der Oberseite sind kein geeignetes Schuhwerk für längere Fahrradfahrten mit Nässe von oben, von vorne und von unten in Form von Wasser aus Pfützen. Das spritze ich mir beim Durchfahren wahlweise selbst auf die Füsse, oder an mir vorbeirauschende Autos und Lastwagen bewässern mich. Und obwohl mein Kopf unter dem Helm trocken bleibt, sorgt der Fahrtwind doch für kalte Ohren.
Es heisst ja, schlechtes Wetter gibt es nicht, nur schlechte Kleidung. Ja, stimmt. Ich nehme folgende Produkte auf meine Merkliste im Shop.
Ich bin nass, aber abgelenkt. Ich habe mir vorher die Route nach Hause bei Google Maps genau angeschaut und auch versucht einzuprägen. Trotzdem muss ich ein paar Mal das iPhone aus der Tasche holen, weil ich unsicher bin, wie es weitergeht. Für Autofahrer ist alles sehr klar beschriftet, Velofahrer dagegen müssen sich ihren Weg selbst suchen. Oder ich muss meinen Blick erst dafür schulen. Demnächst bekomme ich von Ego Movement noch einen Halter für mein iPhone montiert. Das sollte die Sache mit der Navigation erleichtern.
Durchgängige Velowege scheinen in Zürich auch nicht das Ding zu sein, wie ich feststelle. Das Potenzial für Verbesserungen ist noch gross.
Mal darf ich auf einem breiten Fussgängerstreifen mitfahren, mal ist ein schmaler Streifen auf der Fahrbahn für mich markiert. Es ist eine permanente Suche nach dem nächsten Anschlussstück, unterbrochen von zu vielen Stopps an zu vielen Ampeln. Und nein, eine «Scenic Route» ist der Weg über Zürich-Unterstrass, Wallisellen, Oerlikon und Dübendorf Richtung Greifensee wahrlich nicht. Da muss ich mich definitiv um Alternativen kümmern.
Nur meine Unterhosen sind angemessene Kleidung
Unterwegs treffe ich auf wenige andere E-Bike-Pendel-Kollegen. Was an Wetter und Route liegen dürfte. Nur einer scheint auf ähnlicher Mission zu sein wie ich. Ich kann an einer Ampel zu seinem 45er-Modell, zu erkennen am gelben Kontrollschild, aufschliessen. Er ist deutlich besser ausgerüstet für das Schmuddelwetter. Der Mann steckt in einer Art wasserdichtem Ganzkörperanzug, wie die Typen, die bei Formel-1-Rennen in der Box die Reifen wechseln. Das einzige Kleidungsstück, das ich inzwischen als angemessen für meine Herausforderung empfinde, sind meine Unterhosen, Variante «Performance».
Nach 14 Kilometern und 48 Minuten Fahrzeit habe ich meine Premiere mit dem E-Bike geschafft. Ich habe ein erstes Gespür für den Motor bekommen, der vor allem Passagen mit Anstiegen zur Freude macht. Wenn es bergab geht, werde ich dank des recht hohen Eigengewichts des E-Bikes ziemlich schnell. Auf ebener Strecke dagegen ist das Gewicht des Bikes spürbar. Wenn ich eine Geschwindigkeit von mehr als 25 Kilometer pro Stunde fahren möchte, fühlt es sich teils an als muss ich gegen den Widerstand des Motors antreten. Daniel hat mir aber versichert, dass dem nicht so sei.
In Teil 3 werde ich über die Wahl der schöneren Route und die Navigation auf dem E-Bike berichten. Ausserdem hoffentlich über bessere Erfahrungen mit dem Wetter angemessener Kleidung. Wenn du konkrete Fragen hast, die ich dir beantworten soll oder Hinweise für die Community zum Pendeln per E-Bike – ab damit in die Kommentare. Wenn du keinen Teil meiner E-Bike-Erfahrungen und -Tipps verpassen willst, kannst du mir als Autor folgen.
Journalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln.