Apple iPhone 14 Pro
256 GB, Gold, 6.10", SIM + eSIM, 48 Mpx, 5G
Ich bin 1974 geboren und habe alle möglichen Kommunikationstechnologien erlebt. Mit den neuesten kann ich gerade noch so mithalten. Dafür kann ich Spannendes aus der Vergangenheit berichten.
Hallo! Ich bin der Thomas und schon ziemlich lange auf der Erde. In meiner frühen Kindheit hatten Lego-Männchen noch keine Gesichter und Autos keine Katalysatoren. Elvis Presley lebte noch, und wenn jemand bei uns zu Hause anrief, rätselten wir, wer es sein könnte. Ich habe vom 1960er-Handapparat über den Pager bis zum iPhone 13 mini alles in der Hand gehabt. Komm mit auf eine kleine Reise durch meine persönliche Geschichte der Telekommunikation!
Als ich ein elfjähriger Junge war, gab es genau drei Arten, mit jemandem in Verbindung zu treten: Man schrieb einen Brief, ein Telegramm oder rief bei ihm zu Hause an. Für diese drei Kommunikationswege – Post versenden, telephonieren und telegraphieren, jawohl, mit «ph» – gab es eine Firma, die sich PTT nannte. Ihr Logo war landesweit bekannt. Was nicht zuletzt daran lag, dass es damals viermal so viele Postfilialen gab wie heute.
Wenn man bei einem Schulfreund anrief, wusste man nie, wer ranging. Und ob überhaupt jemand ranging. Vielleicht erwischte man ihn, vielleicht auch seine Mutter, die es sich nicht nehmen liess, alle als gefährlich oder unnötig empfundene Freizeitbetätigungen zu verbieten, noch bevor sie überhaupt vereinbart werden konnten. Manchmal ging auch ein wortkarger Vater an den Apparat. War er gut aufgelegt, scherzte er, während sein Sohn aus irgendeinem Zimmer herbeischlurfte: «Es kann sich nur um Stunden handeln!»
Umgekehrt war es immer spannend, zum rasselnd klingelnden Telephon (ja, mit «ph») zu rennen: Wer das wohl sein mochte? Meist war es natürlich jemand, der die Eltern sprechen wollte, aber mehrmals pro Woche waren meine Grosseltern dran, mit denen ich mich gern und lange unterhielt. Und die mit ihrem phantastischen Standtelefon aus den 1960ern anriefen, dessen Wählscheibe sich im Fuss befand.
1994 zog ich von zu Hause aus und vom drögen Wädenswil ins aufregende Zürich. Nun hatte ich einen eigenen Anschluss – und einen Pager. Das war ein kleines Gerät mit einer eigenen Nummer. Wählte sie jemand, sah ich auf dem Display jene des Anrufers. Ich brauchte dann nur noch einen der eigentümlich müffelnden öffentlichen Apparate aufzusuchen und konnte zurückrufen. Genial! Leider waren meine Freundinnen und Freunde bei weitem nicht so technikbegeistert wie ich und nutzten diese Funktion kaum je. Traurig rief ich meinen Pager eben selbst an.
1995 kamen die Natel-D-Geräte auf den Markt. Im Gegensatz zu den meist nur in Autos verbauten Natel-C-Riesenkästen waren sie schlank und schön. Ich war in meinem Umfeld der Erste, der eines hatte und 79 Rappen pro Gesprächsminute zu zahlen bereit war. Störte mich überhaupt nicht, im Gegenteil, ich erachtete die horrenden Kosten als gerechtfertigten Mitgliederbeitrag für den Klub der Futuristen.
Damals galt es als höchst irritierend, mit einem solchen Apparat tatsächlich ein Gespräch zu führen. Man wurde angestarrt, oft voller Abscheu. Rief mich jemand an, während ich im Tram sass, sagte ich entweder ganz leise: «Ich bin im Tram, ich rufe dich zurück!», oder ich stieg aus und zog erst im Freien die Antenne aus meinem Nokia 2110. Das hat mich geprägt: Ich telefoniere bis heute höchst ungern und somit leise und knapp im öffentlichen Raum. Meine Partnerin bezeichnet diese Sprechweise als «Thomis Tramstimme».
Den Anschluss zu Hause behielt ich. Er hiess jetzt, da es Natels gab, Festnetz. Und war deutlich günstiger. Telefonkabinen gab es weiterhin. Wir benutzten sie vor allem bei schlechtem Wetter, um dort windgeschützt Joints zu drehen. Zu meiner Empörung wurde die Kanton-Zürich-Vorwahl 01 durch 044 ersetzt.
Wenn jemand auf Galaxus eine Produktrezension schreibt und dabei das Wort «Natel» benutzt, weiss ich: Der oder die ist gleich alt wie ich.
Bald hatten viele Menschen ein Natel, die irgendwann Handys genannt wurden. Man schämte sich immer noch ein wenig, in normaler Lautstärke und Länge mit anderen zu sprechen. In der Confiserie Sprüngli gab es damals Schildchen auf den Tischen, die den Gebrauch der Geräte freundlich untersagten.
Mit Handys zu telefonieren war aber ohnehin nicht mehr so reizvoll, weil man damit auch schreiben konnte. Das war zwar enorm umständlich: Für ein «e» musste man zweimal die 3 drücken und für ein «i» dreimal die 4. Aber wir wurden alle schnell sehr geschickt darin. Auch in der originellen Verknappung von Texten. Es standen nur 160 Zeichen zur Verfügung.
Anfangs waren die SMS, wie E-Mail, einfach nur grossartig. Ganze Welten eröffneten sich für den Humor und die Liebe. Nichts war aufregender, als von einer neuen Bekanntschaft «1 new message» zu erhalten. Und nichts niederschmetternder, als selber eine zu schreiben und dann nie wieder was zu hören.
Im Zuge dessen offenbarte sich eine grausige Schwäche dieser Technik: Probleme, die in Freundschaften und Beziehungen entstanden, wurden nicht mehr persönlich besprochen, sondern bald nur noch schriftlich. Was sie nicht löste, sondern massiv verschlimmerte.
Das ist die Lehre, die ich damals schnell zog, aber idiotischerweise jahrelang nicht umzusetzen gewillt war: Messenger und E-Mail sind super zum Abmachen sowie für Scherze und Schlüpfrigkeiten. Aber absolut untauglich, um einen Konflikt zu beseitigen. Die schriftliche Form schafft zu viel Distanz. Beide Seiten verfallen in eine widerwärtige Rechthaberei und üben verbale Vergeltungsschläge. Spätestens nach drei Nachrichten klingt man wie ein Kreml-Sprecher.
Lass es mich dir in aller Deutlichkeit sagen: Wenn du mit jemandem einen Konflikt hast, verzichte auf SMS, Messenger und E-Mail. Lass einfach die Finger davon, buchstäblich. Es funktioniert nicht. Es macht alles nur viel, viel schlimmer.
Mitte der 2010er-Jahre war die Technik auf einem Stand, den ich mir dreissig Jahre zuvor niemals erträumt hätte. Ich konnte mit meiner Familie Fotos meines kleinen Sohnes teilen, der uns ohnehin viel näher zusammengebracht hatte, durch unsere iPhones aber noch viel mehr. Ich hatte einen Teil meiner beträchtlichen Musiksammlung immer mit dabei sowie die wichtigsten geschäftlichen Dokumente. Ich konnte – ach, was rede ich, ihr kennt die Möglichkeiten eines Smartphones ja alle.
Vor zehn Jahren hatten jedoch diverse Anstandsregeln Bestand. Niemand legte sein Gerät beim Essen auf den Tisch. Kaum jemand besprach beim Telefonieren in der Öffentlichkeit intime Angelegenheiten. Niemand nahm einfach mitten in einem Gespräch einen Anruf entgegen oder beantwortete eine Nachricht. Es gab eine Grenze zwischen dem Moment, den man mit anderen teilte, und den Smartphones. Diese Grenze wurde auch explizit eingefordert, indem man andere dafür tadelte, wenn sie sich mit ihrem Handy beschäftigten statt mit dem Gegenüber.
Diese Grenze existiert nicht mehr. Wer in Tram oder Zug unterwegs ist, wird von allen Seiten schamlos beschallt. Vor allem junge Menschen schauen Videos in voller Lautstärke und verschwenden offensichtlich keinen Gedanken daran, ob das irgendjemanden um sie herum stören könnte. Ist man mit einem Freund unterwegs und klingelt sein stets griffbereites Telefon, muss man dankbar sein, noch ein knappes «Sorry» zu hören, bevor er sich ausführlich dem Anruf widmet. Stört man sich daran, gilt man als mühsam, oder wie das heute heisst: als Boomer.
(Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass sogenannte Baby-Boomer jeweils zwanzig Jahre nach dem Ende eines Krieges geboren werden, ich also zehn Jahre und somit deutlich zu spät dran bin, um so bezeichnet zu werden, aber als ich das kürzlich meinem Sohn darlegte, meinte er nur trocken, das sei eine «Boomer-Erklärung».)
Wie dem auch sei: Die Maschinen haben gewonnen. Sie sind tief in unser Leben und Bewusstsein vorgedrungen. Natürlich auch in meinem. Wenn ich ein Buch lesen will, ist das keine Entscheidung für das Buch. Sondern eine gegen das iPhone.
Viele Freundschaften beschränken sich heutzutage traurigerweise darauf, hin und wieder eine Nachricht auszutauschen. Manchmal steht darin, dass man ein Treffen vereinbaren wolle. Was dann über mehrere Tage hinweg versucht und schliesslich abgebrochen wird. Bis zum nächsten Mal, wenn einer Geburtstag hat. Einfach so mal angerufen und geplaudert wird nur höchst selten. Und falls, muss ein Termin dafür ausgemacht werden. Hätte mir 1995 jemand gesagt, dass ich mal mit Freunden via Textnachricht einen Termin zum Telefonieren suchen werde, oft vergeblich, hätte ich ihn als dystopischen Spinner bezeichnet.
Ich lasse mich aber nicht beirren und rufe weiter Leute an. Jüngere gehen allerdings aus Prinzip nicht ran und lachen einen dafür aus, überhaupt die Telefonfunktion des Smartphones zu benutzen (die «Boomerfunktion»). Selbst Apple spricht auf seiner Website nur von allen anderen Features, von Videos, Fotos und Games.
Gewisse Dinge kapiere ich bereits nicht mehr, zumindest nicht so schnell wie andere. Meine Partnerin, zwölf Jahre jünger als ich, zeigt mir immer wieder mal neue Apps. Canva, zum Beispiel. Wäre eigentlich prima für meine Instagram-Beiträge, aber ich komme nicht damit zurecht. Mit Instagram offengestanden auch nicht. Bis ich endlich den Unterschied zwischen «Story», «Beitrag» und «Reel» begriffen hatte, vergingen Tage, an denen meine Partnerin viel lachte.
Man erkennt mich übrigens daran, dass ich In-Ear-Kopfhörer MIT KABEL benutze. Ich weigere mich, auf Bluetooth umzustellen, weil diese Technologie pro Sekunde 2,4 Milliarden elektrische Impulse abgibt. Sowas will ich nicht in meinen Ohren haben. Auch nicht in meinem Auto. Auch dort ist das iPhone darum mit Kabel verbunden. Beim Fahren höre ich gern Acid. Das ist eine Techno-Richtung aus der Zeit, als das Festnetz noch «Telephon» hiess und man mit seinen Freund:innen tatsächlich noch sprach. Auch, wenn man Zoff hatte mit ihnen. Verzeiht mir, wenn ich diese Zeit als die bessere empfinde. Nicht zuletzt wegen des «ph».
Titelfoto: Die letzte Telefonkabine wird 2019 in Baden entfernt. Quelle: KeystoneDer Schriftsteller Thomas Meyer wurde 1974 in Zürich geboren. Er arbeitete als Werbetexter, bis 2012 sein erster Roman «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» erschien. Er ist Vater eines Sohnes und hat dadurch immer eine prima Ausrede, um Lego zu kaufen. Mehr von ihm: www.thomasmeyer.ch.