Let’s talk about Brustgesundheit
Hintergrund

Let’s talk about Brustgesundheit

Anja Mikula
27.7.2024

Die Entdeckung eines Knotens in meiner Brust brachte Panik und Sorgen. Warum wir damit aufhören sollten, uns für die Gesundheit unserer Brüste zu schämen – hier sind meine persönlichen Erfahrungen und wichtige Selbstuntersuchungstechniken.

Ich werde wach, weil ich auf dem Bauch liege und mich etwas schmerzt. Es ist meine rechte Brust, die sich anfühlt, als wäre sie gestern Abend in einen Bar Fight geraten. «Auf den Dingern kann man echt nicht schlafen», murmle ich und bin schon mit einer Hand dabei, die rechte Brust nach dem Schmerz abzusuchen.

Da ist etwas. Es fühlt sich hart und länglich an. Ziemlich gross. Ich kann es spüren, wenn ich nur ganz leicht über meine Haut fahre. In etwa so fühlen sich Brüste mit Silikon an, fällt es mir ein. Nur der leichteste Druck und mir schiessen die Tränen in die Augen.

Ein Gefühl der Panik macht sich in mir breit. Sofort im Hinterkopf: Die Grossmutter, die dem Krebs früh erlag und die ich darum nie kennenlernte. Gern würde ich jetzt ein Türchen zum Innern meines Körpers aufsperren und einfach mal beherzt: «Was ist da los?» in den rechten Busen rufen. Doch für die Antwort bin ich selbst zuständig.

Das Drama in der Brust ist mir nicht neu: Mit gewissem Alter (30 – 50) und gern auch nach dem Abstillen tut sich was in der Brust. Und das ist nicht immer schön. Eben noch den Nachwuchs mit Nahrung am Leben erhalten, und plötzlich Grund zur Sorge.

Die Diagnose und ihre Auswirkungen

Nach einem ersten Ultraschall bei meiner Gynäkologin sitze ich ein paar Tage später im Wartezimmer des Brustzentrums. Der schmerzende Knoten in meiner rechten Brust ist richtig gross: 2.5cm schon. Heute wird er punktiert, was sich als extrem schmerzhaft entpuppt. Zum einen, weil dabei Druck auf die Brust ausgeübt wird. Zum anderen emotional. Denn das Warten auf das Ergebnis wird mich um den Schlaf bringen.

Schmerzhaft ist auch der Blick durchs Wartezimmer. Bis auf zwei männliche Patienten (ja, auch Männer können Brustkrebs bekommen. Jedes Jahr erkranken in der Schweiz rund 50 neu daran.) sitzen neben mir ausnahmslos ältere Frauen, viele haben ihren Partner dabei und halten Händchen. Es ist still hier und ich fühle mich allein. Wie wahrscheinlich alle, die schon mal etwas in ihrer Brust ertastet haben.

Ein paar Tage später wird sich herausstellen, dass der Knoten in meiner rechten Brust nur ein Fibroadenom ist. Das ist eine gutartige, knotige Vermehrung von Binde- und Drüsengewebe der Brust. Meist macht es keine Scherereien, aber in meinem Fall schmerzt es eben bei Druck. BHs kann ich knicken.

Die Kunst der Selbstuntersuchung

Ich bin seit den Geburten meiner Töchter zur Profi-Abtasterin meiner Brüste geworden. Die Versuche waren schnell von «Erfolg» gekrönt, denn in meiner «wilden Brust», wie eine Ärztin während eines Ultraschalls mein Exemplar scherzend nannte, gibt es eine muntere Sammlung an Zysten (Brustzysten sind flüssigkeitsgefüllte Hohlräume, die sich im Drüsenläppchen der Brust bilden) und gutartigen Knoten, wie nun auch das neuste Fibroadenom. Man spricht hier auch von einer «knotigen Brust». Das Gegenteil ist die «nicht knotige Brust».

Das Abtasten hatte ich mir vor Jahren in einem Youtube-Video angeschaut und selbst beigebracht. Eigentlich traurig, wenn ich darüber nachdenke. Fühlt sich wieder einsam an, diese selbstständige Suche nach Antworten zum eigenen Körper.

Zu Beginn konnte ich mit der Selbstuntersuchung nichts anfangen. Was bitte sollte ich hier ertasten? Am meisten irritierte mich, dass das äusserlich so glatte Gewebe innen ziemlich knubbelig war. Alles fühlte sich drüsig und komisch an. Ich kannte meine eigenen Brüste nicht gut genug. Dass es nicht nur mir so geht, bestätigte schon eine kurze Googlesuche:

Die Selbstuntersuchung ersetzt keine Kontrolle, klar. Aber sie erhöht das Gespür für den eigenen Körper. Sie sollte monatlich erfolgen und kann von jeder Frau durchgeführt werden, auch nach der Menopause. Und ich bin sehr dafür, dass wir unseren Töchtern schon früh zeigen, wie das Abtasten funktioniert. Und ihnen sagen, dass es uns stark macht, den eigenen Körper gut zu kennen.

Eine recht gute Anleitung zur Selbstuntersuchung gibts beispielsweise von Hirslanden:

Und wem Videos mehr helfen, dem sei dieses hier empfohlen.

Kenne deinen Körper

Übrigens können unsere Partnerinnen und Partner uns auch bei der Untersuchung unterstützen, zum Beispiel, indem sie die Brust von aussen auf Veränderungen betrachten und auch ein Gefühl dafür bekommen, wie das Gewebe sich genau anfühlt. Es geschieht nämlich immer wieder, dass unseren Liebsten ein Knoten auffällt, bevor er von uns selbst bemerkt wird.

Und jetzt wirds kompliziert: Denn gutartige Knoten werden so beschrieben, dass sie beweglich sind, sich fest anfühlen und «in der Regel» nicht schmerzen. Ferner wird der gutartige Knoten als meist rundlich und glatt beschrieben – vergleichbar mit einer Murmel.

Grund zur Sorge sind eher Knoten, die sich nicht bewegen lassen und wenn zusätzlich die Lymphknoten unter den Achseln geschwollen sind. In meinem monatlichen Checkup sind die darum auch immer auf dem Prüfstand.

Die gute Nachricht: Die meisten ertasteten Knötchen sind kein Krebs. Aber jede Frau weiss – sobald wir etwas in unserer Brust ertasten, ist es mit der Ruhe dahin. Es ist scary und wir wissen ohne ärztliche Hilfe nicht, um was es sich handelt. Darum ist es auch richtig, jeden neu ertasteten Knoten ärztlich abklären zu lassen. Bei mir erfolgte das immer mittels Ultraschalls und manchmal durch eine Biopsie.

Wissen macht selbstbewusst!

Das Einzige, was mich vom Durchdrehen beim Ertasten eines Knotens abhält, ist mein Strebertum: Mittlerweile kann ich auch ohne abzutasten eine Zeichnung mit den Positionen der meisten Zysten in meinen Brüsten anfertigen. So fiel mir auch sofort die neuste nur wenige Monate nach dem Fibroadenom auf.

Zwei meiner Freundinnen haben mein Titten-Theater besonders stark abbekommen. Beide machten grosse Augen, als ich von meinem monatlichen Abtasten berichtete und gaben kleinlaut zu Protokoll, dass sie ihre Brüste weder kartografiert haben, so wie ich meine, noch seien sie in der Lage, irgendetwas darin zu ertasten.

Kurzerhand forderte ich beide auf, sich die Hände zu waschen, zog mein T-Shirt hoch und bat sie, die Knoten genau zu befühlen. Den Blick auf ihren Gesichtern werde ich wohl mein Lebtag nicht vergessen. Ich bilde mir ein, dass ich Dankbarkeit darin sah, sicherlich eine Prise Schock und definitiv ein ganz grosses Stück Ya-Ya-Sisterhood.

Die nächsten Jahre wird meine wilde Brust mich weiter auf Trab halten, Hormonveränderungen und auch Stress (jep, der begünstigt Zysten und Konsorten) sei Dank. Und ich muss sie in und auswendig kennen. Die Angst vor Neuentdeckungen wird weiter dabei sein, jedoch gibt mir das Wissen über meine Brustlandschaft auch ganz viel Selbstbewusstsein und lässt mich schnell reagieren.

Und ich weiss: Meine Zysten und Fibroadenome lösen sich nicht in Luft auf, nur weil meine Freundinnen und Töchter wissen, wie sie sich anfühlen. Aber nebst den Knoten schwillt zukünftig auch ganz viel Stolz in meiner Brust.

Titelbild: Cottonbro/Pexels

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Was wird aus einem Mädchen, das nur in der Schülerzeitung AG hängt und mit 16 das Gymi schmeissen will, um Hebamme zu werden? Ich! Gestatten: Anja, Art Director in einem Designstudio und Autorin für den Zürcher Stadt-Newsletter Ron Orp. Für das Thema Frauengesundheit bin ich immer noch Feuer und Flamme.

Ich bin da, um Tacheles zu reden und nenne die Dinge beim Namen. Das gilt für Designkonzepte wie Texte.
 


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