
Kann mir «MLB The Show 25» Baseball schmackhaft machen?
Baseball fristet in Europa ein Nischendasein. Der in den USA und Japan beliebte Sport gilt als langweilig und schwierig zu verstehen. Kann mich ein Game vom Gegenteil überzeugen?
Es ist eine klassische Huhn-Ei-Frage: Wie bekomme ich als Zuschauer Zugang zu einem Sport, den ich nicht kenne? Zuerst die Regeln lernen und dann Spiele verfolgen? Oder Spiele verfolgen in der Hoffnung, die Regeln irgendwann zu verstehen? Bei Baseball stellt sich mir die Frage, weil ich auf einer bevorstehenden Japanreise ein Baseballspiel besuchen will. Baseball ist in Japan die mit Abstand beliebteste Teamsportart, die Spiele locken tausende Besucher an. Der perfekte Ort also, die Sportkultur kennenzulernen. Von Baseball verstehe ich aber nicht viel mehr als die Grundregeln.
Spielend zu lernen scheint mir eine sinnvolle Methode zu sein, diese Wissenslücke zu schliessen. Das will ich mit Sonys Baseballgame «MLB The Show 25» versuchen. Spoiler: Es gelingt nicht.
Aller Anfang ist leicht
Ich starte in Medias res. Das Game schickt mich direkt aufs Feld, wo ich sowohl schlage als auch werfe. Wie war das nochmal? Dreimal muss der Catcher den Ball fangen, dann ist der Batter raus. OK. Und drei solcher Outs bedeuten, dass mein Team als nächstes den Ball schlagen darf – und damit auch punkten kann.
Ich erinnere mich an den Sportunterricht, wo wir eine einfache Version von Baseball gespielt haben. Das Game erklärt mir gut, welche Knöpfe ich drücken muss. Das Tutorial schmeisst mit Fachbegriffen wie «Curve Ball» oder «Fastball» um sich, ich verstehe sie zwar nicht, meine Bälle landen trotzdem mit einer gewissen Regelmässigkeit beim Catcher. Auch beim Schlagen des Balls stellt sich eine Routine ein… so schwer ist das doch gar nicht!?

Baseball mit Stützrädern
Offenbar hat mich das Spiel in der Schwierigkeitsstufe «Anfänger» eingestuft. Das ist sowas wie betreutes Baseball. Mein Team rennt im Prinzip selbstständig dem Ball nach. Das Spiel nimmt mich an der Hand (oder eher den Fingern?) und zeigt mir, welchen Knopf ich drücken muss, damit mein Feldspieler den Ball zur richtigen Base wirft und damit den Batter aus dem Spiel befördert. Dabei fühle ich mich wie ein Affe, der in einem Labor die richtigen Knöpfe drücken muss, damit er Futter kriegt. Knopf drücken. Homerun. Knopf drücken. Strike. Stick in die Richtung des Balls bewegen. Ball gefangen.
Spassig ist das nicht. Es gibt mir aber die Zeit, die wichtigsten Einblendungen zu verstehen. Wo ich etwa sehe, wie viele Outs es schon gegeben hat, in welchem Inning wir uns befinden und wie viele Strikes und Balls der Pitcher schon geworfen hat.

Fakten, Fakten, Fakten
Mein nächster Schritt führt mich in den sogenannten «March to October»-Modus. Ich wähle ein Team und bestreite eine Saison. Weil eine Saison der höchsten Spielklasse MLB 162 Spiele beinhaltet, beschränkt sich der Modus lediglich auf Schlüsselmomente. Die Frage, ob Baseball nicht langweilig sei, beantwortet das Spiel damit für mich. Es ist verdammt langweilig.
Ich erhalte die Kontrolle nämlich nur etwa in jedem siebten Spiel und das auch erst fürs letzte Drittel des Spiels. Die Zielvorgabe lautet dann zum Beispiel «Führung halten und gewinnen». Den Schwierigkeitsgrad habe ich mittlerweile auf «dynamisch» gestellt, was einen Rattenschwanz an unverständlichen Spielsituationen nach sich zieht. Plötzlich muss ich mich mit dem Stehlen von Bases beschäftigen, also wenn ein Spieler von einer Base schon zu rennen beginnt, bevor der Wurf vom Catcher gefangen wurde. Auch muss ich entscheiden, welchem Spieler ich den Ball zuwerfe, um den Gegner ins Out zu befördern. Das überfordert mich masslos, weshalb ich Spiel um Spiel verliere und frustriert nach einer Abwechslung suche. Die finde ich im Games elber, nämlich in den Storylines finde.

Spielerische Geschichtsvermittlung
Dabei handelt es sich um einen dokumentarischen Spielmodus, bei dem ich allerlei Wissenswertes über die «Negro Leagues» erfahre. Das waren Baseball-Ligen, in denen afroamerikanische Spieler und Spielerinnen (in der Geschichte waren drei Frauen bei einem Team unter Vertrag) professionell Baseball spielten, da die Major League ihnen lange das Spielen verbot. Der Leiter des Negro League Museums erklärt in kurzen Sequenzen historische Momente, die ich dann aktiv nachspielen kann. Dabei habe ich keinen Druck, da ich diese Situationen beliebig oft wiederholen kann.
Diese Mischung aus Dokumentation, untermalt mit interaktiven Elementen packt mich richtig. Die Geschichte von «Cool Papa Bell», dem schnellsten Spieler seiner Zeit, oder «Bullet Joe», der sowohl werfen als auch brillant schlagen konnte, sind spannend erzählt und ich erlebe sie aktiv nach. Auch wenn ich mir der Tragweite ihrer Errungenschaften oft nicht ganz bewusst bin, weil ich Baseball schlicht zu wenig verstehe…

Viel gelernt und nichts begriffen
… was mich ins Hier und Jetzt zurückbringt. Mein Plan, Baseball mittels eines Videogames zu begreifen, hat nicht funktioniert. Nicht einmal die Regeln erschliessen sich mir vollends. Die taktischen Finessen und spielerischen Feinheiten verstehe ich erst gar nicht. Trotzdem habe ich viel gelernt: über die Geschichte des Baseball, über die Positionen, die Teams in der Major League und über den Spielverlauf.
Wenn ich in Japan ein Spiele anschauen gehe, gibt mir das genügend Gesprächsstoff für den sportkulturellen Austausch. Könnte ich bloss besser Japanisch… Zum Glück gibt es auch dafür diverse Games.
«MLB The Show 25» ist seit dem dem 15.03. für PS5, XBox Series X/S und Switch erhältlich. Das Spiel wurde mir zu Testzwecken von Sony für die PS5 zur Verfügung gestellt.
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Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.