Ist grüner Tee wirklich ein gesundheitsförderndes Wundermittel?
Ihm wird vieles nachgesagt: Gegen Krebs und Alzheimer soll grüner Tee helfen, beim Abnehmen unterstützen, Akne bekämpfen, Stress reduzieren und vieles mehr. Ein wahres Wundermittel also. Aber was ist wirklich dran am Allheilmittel Grüntee?
Suchst du online nach der gesundheitlichen Wirkung von grünem Tee, kannst du den Eindruck gewinnen, auf ein wahres Wundermittel gestoßen zu sein: Alzheimer, Multiple Sklerose, Diabetes und sogar verschiedene Krebsarten sind nur ein paar der Krankheiten, gegen die Grüntee als heilendes oder präventives Mittel angepriesen wird. Darüber hinaus soll er beim Abnehmen helfen oder auf der Haut angewendet Akne bekämpfen. Soweit so gut, aber was ist wirklich dran an den Heilsversprechungen?
Wie wird Grüntee hergestellt?
Grüner Tee wird genauso wie Schwarzer Tee aus den Blättern der Pflanze Camellia sinensis hergestellt. Im Gegensatz zum Grüntee werden bei Schwarztee die Pflanzenblätter fermentiert, wodurch sie ihre grüne Farbe verlieren. Für grünen Tee werden die jungen Triebe der Camellia-Pflanze geerntet und dann zunächst in sogenannten Welkhäusern gelagert, um den Wassergehalt auf 30 - 40 Prozent zu reduzieren. Im Unterschied zu schwarzem Tee werden die Blätter von Grüntee im Anschluss dann nicht fermentiert. Stattdessen werden sie mit heißem Dampf behandelt, um die Enzymreaktion zu stoppen. Dadurch bleiben die phenolischen Substanzen erhalten: der Grund, warum die Blätter grün bleiben.
Camellia sinensis und der Wirkstoff EGCG
Der Herstellungsprozess von Grüntee gibt bereits einen Hinweis darauf, dass an den versprochenen gesundheitsfördernden Kräften etwas dran sein könnte. Durch die schonende Produktion und die Tatsache, dass junge Triebe und Blätter für den Tee verwendet werden, bleiben viele pflanzliche Substanzen enthalten, die potentiell positiv auf unsere Organe wirken können. Ein wichtiger Wirkstoff, der bereits gut untersucht wurde, ist der sekundäre Pflanzenstoff Epigallocatechingallat – kurz: EGCG. Suchst du nach wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu diesem Stoff, kannst du dich vor Ergebnissen kaum retten: Allein in den letzten drei Jahren wurden über 1500 Paper dazu veröffentlicht. Dabei sollte aber erwähnt werden, dass die Wirkung bislang meist nur an Tieren nachgewiesen wurde.
Hier ein paar der wissenschaftlichen Ergebnisse zur Wirkung von EGCG im Überblick:
Insulinspiegel: EGCG hemmt die Spaltung von Stärke im Körper, dadurch kann Zucker nicht so schnell abgebaut werden. Die Folge: Grüner Tee halbiert den Blutzuckerspiegel nach einer kohlenhydrathaltigen Mahlzeit. Das kann die abnehm-fördernde Wirkung erklären, die grünem Tee nachgesagt wird. Zudem hemmt EGCG auch ein Enzym, dessen Aktivität bei der Entstehung von Insulinresistenz eine Rolle spielt, die wiederum zu Diabetes führen kann.
Cholesterinspiegel: Auch eine positive Wirkung auf die Blutgefäße selbst ist für EGCG bekannt: Sie werden elastischer. Zudem senkt es den Cholesterinspiegel. Beides kann vor Arteriosklerose schützen.
Krankheiten, die Nervenzellen betreffen: EGCG hat eine entzündungshemmende und antioxidative Wirkung, die dazu beiträgt, das Immunsystem im Gleichgewicht zu halten und Nervenzellen vor Überreaktionen zu schützen. Es verhindert bzw. stoppt die Entartung bestimmter Proteine im Körper, die für die Entstehung von Alzheimer und Parkinson verantwortlich sind.
Krebs: EGCG vermindert zum einen Schäden an der DNA, die in der Folge zur Entstehung von Krebs führen können. Zum anderen kann es dazu beitragen, bereits bestehende Tumore quasi auszuhungern, indem es die Bildung von Tumorblutgefäßen hemmt. Ohne Blutzufuhr können die Tumore nicht weiterwachsen. So kann EGCG etwa bei Polypen im Darm vorbeugend gegen Darmkrebs wirken.
Haut: Auch positive Auswirkungen auf die Haut konnten bereits wissenschaftlich belegt werden. UV-bedingte Hautschäden und verschiedene Hauterkrankungen, die im Zusammenhang mit den Blutgefäßen stehen, können mit EGCG vermindert werden. Zudem wirkt sich eine Behandlung mit dem Pflanzenstoff auch auf die Hautdicke aus, sodass auch Anti-Aging-Effekte gezeigt werden konnten.
Stress: Durch die Hemmung des Stresshormons Cortisol kann EGCG zur Stressreduktion beitragen.
Klar ist also: An der positiven Wirkung von Grüntee auf unseren Körper und Geist ist tatsächlich etwas dran. Viele Aspekte der gesundheitsfördernden Wirkung sind belegt (wenn auch häufig noch nicht durch Studien mit humanen Probanden) und die Forschung geht weiter voran.
Trinken, Cremen, Schlucken
Ob Tee zum Trinken, Hautcremes mit Tee-Extrakt oder gleich EGCG in Kapselform – wie du in den Genuss der gesundheitlichen Vorteile kommen möchtest, bleibt dir überlassen. Neben den genannten Vorteilen von grünem Tee solltest du aber bedenken, dass in grünem Tee Koffein enthalten ist. Teein und Koffein sind übrigens dasselbe, man bezeichnet lediglich das Koffein in Tee häufig als Teein. Und eben dieses Koffein ist auch der Grund, warum du deinen Grüntee-Konsum nicht übertreiben solltest: Bis zu 1,5 Liter am Tag kannst du bedenkenlos trinken, ohne (von vermehrten Klogängen mal abgesehen) dass du dir damit schadest. Da Koffein die Aufnahme mancher Medikamente reduzieren oder verlangsamen kann, solltest du auch deshalb die Mengen nicht übertreiben. Und in der zweiten Tageshälfte solltest du am besten gar nicht mehr zur Grüneetasse greifen, um deinen Schlafrhythmus nicht durcheinander zu bringen. Außerdem lohnt es sich auf Bio-Tees zurückzugreifen, dadurch lässt sich die Schadstoffbelastung, die bei vielen Tees leider ein Problem ist, reduzieren. Bei Magenerkrankungen wie etwa Magengeschwüren, wie auch bei entzündlichen Darmerkrankungen solltest du mit grünem Tee vorsichtig sein und genau beobachten, wie dein Körper reagiert, da es möglicherweise zur Verstärkung der Symptome kommen kann. In diesen Fällen und auch bei der Einnahme von EGCG in Kapselform lohnt es sich, mit deinem Arzt oder deiner Ärztin Rücksprache zu halten. Bei der Anwendung von Hautcremes mit grünem Tee solltest du einfach auf die entsprechenden Hinweise bezüglich des Hauttyps achten.
Meine anfänglichen Fragen kann ich also im Fall des grünen Tees positiv beantworten: Ja, an der gesundheitsfördernden Wirkung von Grüntee ist offensichtlich auch aus wissenschaftlicher Sicht etwas dran. Also: Ran an die Teetasse!
Titelfoto: Maike JensenWissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.