Ich hab's getan: meine erste urologische Untersuchung
Ratgeber

Ich hab's getan: meine erste urologische Untersuchung

Martin Rupf
22.12.2022

Kürzlich unterzog ich mich meiner ersten urologischen Untersuchung. Wie’s dazu kam und wie ich mich dabei gefühlt habe. Und: Ein Urologe verrät dir, auf was du in Sachen vorbeugenden Untersuchungen achten solltest.

Mit Pauschalisierungen sollte man immer zurückhaltend sein. Trotzdem wage ich zu behaupten, dass Männer in der Regel eher zu spät als zu früh den Arzt aufsuchen. Bei mir und meinen Freunden passiert das häufig erst nach mehrmaliger Aufforderungen unserer Frauen oder Partnerinnen. Tatsächlich musste ich mir schon mehr als einmal von der Ärztin «Weshalb sind sie nicht früher zu mir gekommen?» anhören.

Ich kann nur mutmassen, was die Gründe für unser Zögern sind. Bei mir ist es eine Mischung aus Selbstüberschätzung («Was mich nicht umhaut, macht mich stärker»), aus Kostenüberlegungen («Ich hab doch nicht die höchste Franchise, um jetzt alles selber zu berappen») und auch aus etwas Bammel vor dem Praxisbesuch («Wenn man erst mal zu suchen beginnt, findet man auch immer etwas»).

Letzteres ist bei einer urologischen Voruntersuchung besonders ausgeprägt. Denn während es für Frauen Normalität ist, regelmässig den Gynäkologen aufzusuchen, ist die Untersuchung der Genitalien und insbesondere der Prostata für viele Männer mit grosser Scham und unangenehmen Gefühlen behaftet.

Da ich bald auf die 45 Jahre zusteuere und die angebliche Faustregel gilt, dass wir Männer uns ab 40 Jahren regelmässig einer urologischen Voruntersuchung unterziehen sollten, war klar, dass ich diesen Entscheid nicht ewig lange vor mir herschieben kann.

Wieso ist der Vorhang nicht zugezogen?

Neulich bei meinem Hausarzt: Kaum habe ich mich gesetzt, ergibt sich folgender Dialog:

«Könnten Sie mich allenfalls an einen Urologen überweisen?»

«Wenn Sie wollen, kann ich die Untersuchung auch gleich vornehmen.»

«Sie meinen hier, gleich, also jetzt?»

«Ja, genau so meine ich es.»

Ich zögere kurz. Fühle mich überrumpelt. Mein vorbildlich gefasster Vorsatz gerät bereits ins Wanken. Doch nach kurzer Bedenkzeit obsiegt die Vernunft. Ich mache mich unten rum frei und lege mich seitlich auf die Liege. Mein Blick wandert zum Fenster, und ich stelle erstaunt fest, dass die Vorhänge nicht zugezogen sind. Ok, das gegenüberliegende Gebäude befindet sich nicht in unmittelbarer Nähe. Trotzdem stelle ich mir leicht geniert vor, wie mich just in diesem Moment jemand halb nackt auf der Liege sieht. Aus dem Augenwinkel beobachte ich, wie sich mein Arzt Latex-Handschuhe überstreift und Vaseline auf seinen Zeigefinger aufträgt.

«Herr Rupf, es wird jetzt gleich ein bisschen unangenehm. Versuchen Sie einfach, möglichst locker zu bleiben.»

Haha, du hast gut reden, du musst ja nicht… Weiter kann ich meinen Gedanken nicht spinnen, denn in diesem Moment schiebt der Arzt seinen Finger in meinen Allerwertesten. Was für ein Scheissjob, schiesst es mir durch den Kopf, während der Arzt mit seinem Finger meine Prostata abtastet. Das Ganze dauert nur wenige Sekunden, ist unangenehm, aber bei Weitem nicht so schlimm, wie ich mir das vorgestellt habe.

«Herr Rupf, mit Ihrer Prostata ist alles in bester Ordnung», bescheinigt mir der Arzt.

Nicht zuwarten, bis du Schmerzen hast

Ende gut, alles gut? Nicht ganz. Denn ab jetzt heisst es auch für mich, mich regelmässig auf Herz und Nieren, äh Prostata checken zu lassen. Doch ab welchem Alter ist es tatsächlich ratsam, sich urologisch untersuchen lassen? Aus Gesprächen mit meinen Freunden wurde mir schnell klar, dass diesbezüglich grosse Unsicherheit und viele Fragen herrschen. Also frage ich einen, der es wissen muss. Christian von Bodman ist Facharzt für Urologie und ärztlicher Leiter der Uroviva, Spezialisten für Urologie.

«Wir empfehlen eine Voruntersuchung zur Früherkennung von Prostatakrebs ab einem Alter von 50 Jahren», sagt er. Da bin ich also (für einmal) zu früh zum Arzt gegangen. «Bei familiärer Vorbelastung könnte eine erste Untersuchung aber schon mit 45 Jahren sinnvoll sein», ergänzt der Facharzt.

Wichtig sei auch, mit einem Untersuch nicht zuzuwarten, bis man Schmerzen oder Probleme habe. «Beim Prostatakrebs treten die Symptome erst spät auf. Die meisten Männer haben lange keine Beschwerden, bis sich der Tumor bereits im fortgeschrittenen Stadium befindet», erklärt von Bodman.

Doch nicht nur die Prostata kann von Krebs befallen werden, sondern auch die Hoden. «Die Hodenkrebs-Vorsorge kann durch Selbstabtasten stattfinden, eine Untersuchung beim Urologen ist erst bei Auffälligkeiten nötig», so der Facharzt. Tumore würden sich meist als harte und unregelmässige Schwellungen an einem Hoden zeigen, wobei Schmerzen untypisch sind, aber vorkommen könnten.

Bei diesen Symptomen drängt sich ein Arztbesuch auf

Ok, ab 50 Jahren macht eine Voruntersuchung also Sinn. Doch in welchen Abständen sollte ich mich wieder untersuchen lassen? «Die zeitlichen Abstände zwischen den Untersuchungen können variieren», sagt von Bodman. «Ein 50-Jähriger mit einem sehr niedrigen PSA-Wert, gutem Wasserlösen und ohne familiäre Vorbelastung kann nach drei bis fünf Jahren wieder zur nächsten Kontrolle kommen.» Mit dem PSA-Test wird die Menge an «Prostata-spezifischem Antigen» (PSA) im Blut bestimmt. Bei Patienten mit erhöhtem Risiko könne eine jährliche Untersuchung Sinn machen.

So viel zur prophylaktischen Voruntersuchung. Doch es gibt auch Fälle, bei denen sich ein sofortiger Arztbesuch aufdrängt. Chefarzt Christian von Bodman zählt gleich mehrere Symptome auf: «Schwellung oder Vergrösserung eines Hodens, Verhärtung oder Knoten in einem Hoden, Ziehen oder Spannungsgefühl in den Hoden oder in der Leistengegend, Berührungsempfindlichkeit im Bereich der Hoden, Schwellung der Brustdrüse, Sichtbares Blut im Urin mit oder ohne Schmerzsymptomatik oder Blasenentleerungsstörungen.»

Solltest du auf die Idee kommen, dir deine Prostata selber abzutasten, solltest von dieser schnell wieder Abstand nehmen. «Von einer Selbst-Tastung wird abgeraten. Man benötigt viel Erfahrung, um die Prostata vollständig abzutasten und die Oberfläche beurteilen zu können. Dies sollte einem erfahrenen Facharzt überlassen werden», betont Christian von Bodman.

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Häufigste Krebserkrankung bei Männern

Dass die Voruntersuchungen erst ab einem gewissen Alter Sinn machen, belegen auch Aussagen des Urologen: «Bei unter 35-Jährigen ist das Risiko sehr gering. Zirka 0,1 Prozent erkranken in den nächsten zehn Jahren an Prostatakrebs», erklärt von Bodman. Ab dem 50. Lebensjahr steigt das Risiko kontinuierlich an. Bei einem 75-jährigen Mann liegt der Wert bei rund 5 Prozent. Interessant auch: Stolze 27,5 Prozent aller Krebserkrankungen bei Männern betreffen die Prostata. 15 Prozent aller Männer, die in Folge von Krebs in der Schweiz sterben, sterben am Prostatakrebs. «Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart beim Mann. Jährlich gibt es rund 6600 Neuerkrankungen», so Bodman.

Erfreulich ist hingegen der Fakt, dass die Heilungschancen bei Prostatakrebs sehr hoch sind. «Die Überlebensrate fünf Jahre nach der Diagnose liegt bei Prostatakrebs bei rund 90 Prozent», führt von Bodman weiter aus. Die Aggressivität des Prostatakrebs könne aber sehr unterschiedlich sein. Entsprechend variiere auch die Therapie. «Manche Männer benötigen bei wenig aggressivem Krebs nur eine Überwachung des Tumors mit regelmässigen Kontrollen. Andere Patienten wiederum benötigen eine Operation, Strahlentherapie oder eine Hormonentzugstherapie.»

Wann zahlt die Grundversicherung?

Weil Männer den Arztbesuch – wie ich – manchmal auch vom Portemonnaie abhängig machen zum Schluss die Frage: Zahlt die Grundversicherung die urologische Voruntersuchung? In Deutschland ist die Sachlage klar: Jeder Mann ab dem 45. Lebensjahr hat Anspruch auf eine jährliche gesetzliche Krebsfrüherkennung. In der Schweiz gestaltet sich die Sachlage ein bisschen komplizierter. Die Grundversicherung gewährleistet grundsätzlich nur Leistungen bei medizinischer Notwendigkeit. Ein allgemeiner Check-up ohne medizinische Notwendigkeit wird daher nicht vergütet. Wenn aber eine ärztliche Verordnung vorliegt, zahlt die Grundversicherung. Will heissen: Wenn ich Symptome habe oder mein Hausarzt eine Notwendigkeit für eine Voruntersuchung (erhöhtes Risiko) sieht, deckt die Grundversicherung die Kosten der Voruntersuchung. Eine entsprechende Zusatzversicherung würde die Kosten dagegen in jedem Fall übernehmen.

Ich für meinen Teil bin einfach nur froh, habe ich mein «erstes Mal» hinter mich gebracht und werde mich wohl erst wieder in fünf Jahren halb nackt auf die Liege legen. Dann hoffentlich mit gezogenen Vorhängen.

Titelfoto: Shutterstock

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Zweifachpapi, nein drittes Kind in der Familie, Pilzsammler und Fischer, Hardcore-Public-Viewer und Halb-Däne. Was mich interessiert: Das Leben - und zwar das reale, nicht das "Heile-Welt"-Hochglanz-Leben.


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