Huawei Mate 50 Pro im Test: ein Smartphone mit physischer Blende
Mit den Smartphone-Kameras beeindruckt Huawei immer wieder. Das Datenblatt des Mate 50 Pro sieht auch darüber hinaus vielversprechend aus. Der Haken bleibt das Betriebssystem.
Im Kamerasystem des Huawei Mate 50 Pro befindet sich eine physische Blende. Das bedeutet, für die Unschärfe im Hintergrund ist die Physik zuständig und nicht wie sonst bei Smartphones üblich die Software. Die Unterschiede beim Fotografieren sind offensichtlich und offenbaren die Nachteile der berechneten Unschärfe.
Kamera als Designelement und Notch auf der Vorderseite
Optisch ist das Mate 50 Pro schnörkellos. Die Rückseite aus Glas ist einfarbig und wird optisch von dem mittigen, runden Kameramodul mit vier Linsen / Sensoren dominiert. Der Aluminiumrahmen verbindet Vorder- und Rückseite. Er wird an den langen Seiten schmaler, da sich das Glas jeweils um die Kante beugt. Das Gehäuse ist nach IP68 wasserdicht. Es hat in Tests also 30 Minuten in 1,5 Metern Wassertiefe unbeschadet überstanden.
Vorne schaust du auf ein 6,74 Zoll großes OLED-Display mit 2616 × 1212 Pixeln Auflösung und einer Bildwiederholrate von 120 Hertz. Der Bildschirm ist hell und auch bei Tageslicht gut zu erkennen. Die Farben wirken natürlich und angenehm. Im Standardmodus hat das Display einen leichten Gelbstich und erscheint dadurch wärmer als andere. Mir fällt das im Vergleich zum Nokia X30 besonders auf. Du kannst in den Einstellungen des Mate 50 Pro Farbmodus und -temperatur nach deinen Bedürfnissen anpassen und den Gelbstich reduzieren.
Der Fingerabdrucksensor unter dem Display arbeitet schnell und zuverlässig. Auffälliger ist dagegen die große Notch. Die Aussparung am oberen Ende des Displays ist bei vielen Smartphones inzwischen einem Loch für die Kamera gewichen. Neben der Frontkamera findet der Lautsprecher oder Ohrhörer wieder Platz, der beim Mate 40 fehlte.
Richtige Blende sorgt für schöne Bilder
Die Hauptkamera des Mate 50 Pro hat eine Auflösung von 50 Megapixeln. Das Besondere an ihr: Sie verfügt über eine physische Blende. Dir stehen vier Blendenstufen zwischen f/1,4 und f/4,0 zur Auswahl. Eine virtuelle Blende ist immer noch vorhanden und reicht in feineren Abstufen bis f/16. Dazu kommen eine 13-Megapixel-Weitwinkel- und eine 64-Megapixel-Telekamera.
Zwischen den beiden Blenden kannst du im Modus «Blende» wählen. Dieser nutzt nur die Hauptkamera und bietet einen zwei- und dreifachen Zoom. Der Nachtmodus lässt sich nicht gleichzeitig benutzen. Der Blendenmodus fasst, wie die Automatik der Kamera, vier Pixel zu einem zusammen. Sprich: Die Bilder haben standardmäßig eine Auflösung von 12,5 Megapixel. Für die vollen 50 Megapixel musst du den Modus «Hohe Auflösung» auswählen.
Die virtuelle Blende schneidet das Motiv im Vordergrund zwar zuverlässig aus, macht aber den gesamten Hintergrund ohne Rücksicht auf den Abstand zur Kamera unscharf. Die Unschärfe nimmt die gesamte Fläche ein. Mit der optischen Blende wirkt es dagegen natürlicher. Die Unschärfe nimmt mit größerem Abstand zur Kamera zu – und verpixelt nicht nur den Hintergrund. Ich würde die optische Blende immer der virtuellen vorziehen.
Die Farbwiedergabe des Mate 50 Pro gibt ein realistisches Bild wieder, leidet aber unter dem grauen Hamburger Winterhimmel. Die Bilder wirken ausgewaschen. Die Kamera-App bietet drei verschiedene Farbmodi: Original, Lebhaft und Hell.
Mir gefällt «Lebhaft» am besten, aber ich würde das gerne nochmal unter Sonnenlicht sehen. Nur gönnt mir der Hamburger Winterhimmel nur graue Wolken.
Bei Nacht nutzt die Automatik der Hauptkamera das geringe Licht gut aus. Lange Belichtungszeiten von mehreren Sekunden kann ich mit freier Hand halten – die Software gleicht die Bewegungen aus. Probleme bereiten vor allem Straßenlampen, um die sich ein Lichtkegel bildet.
Der Nachtmodus bringt mehr Klarheit in die Aufnahmen und hellt sie noch weiter auf. Für eine Aufnahme bei Nacht ein wenig zu hell. Bei Nutzung der Weitwinkel- oder Telekamera erweist sich der Nachtmodus ebenfalls als hilfreich, aber im Vergleich zur Hauptkamera nimmt die Bildqualität etwas ab.
Von der Weitwinkelkamera bis zum 100-fachen Zoom bietet das Mate 50 Pro viele Blickwinkel. Qualitätsverluste gegenüber der Hauptkamera sind nur bei wenigen Details zu erkennen. Zumindest, wenn du den Zoom nicht überstrapazierst. Ab etwa zehnfachem Zoom fängt die Detailgenauigkeit an abzunehmen und es wird schwerer, das Motiv aus der Hand zu treffen.
Über die Weitwinkelkamera bietet das Mate 50 Pro auch einen Makromodus, der besser als bei vielen Smartphones mit 2- oder 3-Megapixel-Makrokamera ist. Zu den Rändern nimmt die Qualität zwar ab, aber in der Mitte ist das Motiv gut zu erkennen. Im Falle des Beispielbildes zu gut. Ich muss meine Tastatur dringend putzen.
Die 13-Megapixel-Kamera nimmt Selfies mit einem Blickwinkel von 100 Grad auf. Digital kannst du den Ausschnitt auf 78 Grad verkleinern, der auch im Beispielbild zum Einsatz kommt.
Tagsüber bereitet selbst Gegenlicht der Selfiekamera keine Probleme. Die Detailgenauigkeit bleibt hoch und die Farbwiedergabe wirkt weiterhin natürlich. Bei Dunkelheit offenbart die Frontkamera aber Schwächen, die auch der Nachtmodus nicht ausgleichen kann. Der Nachtmodus ist sogar dunkler als die Automatik. Beide sind deutlich pixeliger als Selfies bei Tageslicht.
Gebremster Snapdragon und schnelles Netzteil
In der globalen Version des Mate 50 Pro verbaut Huawei den Qualcomm Snapdragon 8+ Gen 1 und nicht den Kirin 9000 wie in der Variante für den chinesischen Markt. Ihm stehen acht Gigabyte Arbeitsspeicher zur Seite. Die Ergebnisse im Benchmark-Test Geekbench 5 fallen im Vergleich zu anderen Smartphones mit dem Prozessor von Qualcomm überraschend niedrig aus.
Geekbench 5 | Single- / Multi-Core-Test | Vulkan (Grafik) |
---|---|---|
Huawei Mate 50 Pro | 928 Punkte / 4026 Punkte | 5969 Punkte |
Motorola Edge 30 Ultra | 1324 Punkte / 4256 Punkte | 5896 Punkte |
Xiaomi 12T Pro | 1253 Punkte / 4200 Punkte | 6827 Punkte |
Eine Erklärung für die Unterschiede habe ich nicht gefunden. Das Motorola Edge 30 Ultra verfügt zwar über zwölf Gigabyte Arbeitsspeicher, der diese großen Differenzen nicht erklären kann. Die schlechten Zahlen aus den Tests sind bei der Nutzung des Mate 50 Pro nicht zu spüren. So fallen die Ladezeiten von Apps nicht länger aus als in dieser Preisklasse üblich und bei der Bildverarbeitung entstehen keine Wartezeiten.
Die Akkukapazität des Mate 50 Pro liegt mit 4700 mAh am unteren Ende der Top-Smartphones. Trotzdem komme ich bei typischer Nutzung mit einer Ladung gut über den Tag. Sollte ich den Akku doch stärker beanspruchen, kann ich ihn zwischendurch mit dem mitgelieferten 66-Watt-Netzteil schnell nachladen. Je nach Ladestand ist der Akku in 30 Minuten längst wieder voll oder zumindest so weit aufgeladen, dass ich das Smartphone etliche Stunden weiter nutzen kann.
Mit dem passenden Ladegerät nimmt das Mate 50 Pro drahtlos bis zu 50 Watt entgegen. Beim umgekehrten Aufladen ist es etwas weniger spendabel. Da gibt es bis zu 7,5 Watt drahtlos an Geräte ab, die auf der Rückseite liegen.
Für den Notfall ist der «Low Battery Emergency Mode» gedacht. Er wird aktiv, wenn der Akku nur noch ein Prozent Ladung hat. Er schaltet dann fast alle Funktionen des Smartphones ab. Dadurch gewinnst du drei Stunden Standby-Zeit und kannst zehn Minuten telefonieren. Das ist keine Funktion, die man nutzen will, kann im Notfall aber wichtig sein.
Den 256 Gigabyte großen internen Speicher kannst du erweitern. Allerdings nur mit einer NM-Karte von Huawei. Die weiter verbreiteten microSD-Karten passen nicht in das Mate 50 Pro.
EMUI 13: Immer noch ohne Google-Dienste
Gezwungenermaßen muss Huawei immer noch auf Android mit Google-Diensten verzichten. Im Gegenzug baut der Hersteller sein Softwaresystem weiter aus. Das Mate 50 Pro ist das erste Smartphone mit EMUI 13. Das Betriebssystem basiert auf der Open-Source-Version von Android und bringt in der aktuellen Version einige Neuerungen mit. Aber auch einige der über 220 000 Apps in der AppGallery – Huaweis App Store – erhalten in diesem Zuge Updates.
So lassen sich zum Beispiel Widgets bei EMUI 13 für mehr Übersicht stapeln. Neu ist ebenfalls die Möglichkeit, zwei Widgets in einem Ordner zu kombinieren. Also zum Beispiel die Widgets deiner Lauf-App und die Musikwiedergabe nebeneinander zu haben.
Ein paar neue Themes spendiert Huawei auch. Unter anderem der «SuperHub» im Rahmen von Huaweis «SuperDevice». Damit bekommst du eine gemeinsame Zwischenablage für Dateien, Texte oder Fotos, die mehr als nur eine Datei speichern kann. Mit «SuperStorage» geht Huawei einen neuen Weg bei der Speicheroptimierung. Damit werden zum Beispiel selten genutzte Apps komprimiert und falls mehrere Apps die gleiche Bilddatei abspeichern wollen, verweist das System sie auf die gleiche Datei.
Im neuen Privacy Center siehst du, welche Apps auf welche Funktionen zugreifen. Ebenfalls dem Schutz deiner Privatsphäre gilt die Möglichkeit, beim Teilen von Fotos die Metadaten (Exif) aus der Datei zu entfernen. Auf App-Ebene bekommt der Kartendienst «Petal Maps» eine AR-Navigation und zeigt Benzinpreise an. Die «Petal Search» ergänzt Huawei um eine Fotoerkennung mit Textübersetzung und Shopping-Anbindung.
Huawei verspricht beim Mate 50 Pro zwei Jahre lang Updates für das Betriebssystem und drei Jahre lang Sicherheitsupdates. Auch wenn die Erfahrung mit anderen Huawei-Geräten auf längeren Support hoffen lässt, sind das, verglichen mit anderen Android-Geräten, kurze Update-Zeiträume.
Fazit: Coole Blende
Mit der physischen Blende hat das Huawei Mate 50 Pro ein exklusives Argument auf seiner Seite. Allerdings solltest du ein Smartphone nicht nur aufgrund einer Fotofunktion auswählen.
Das Mate 50 Pro bietet insgesamt ein gutes Kamerasystem, hat ein schickes Design und eine schnelle, aktuelle Hardware sowie einen ausreichenden Akku. Größtes Problem bleibt die Software: EMUI überzeugt nicht komplett und das liegt nicht nur an den fehlenden Google-Diensten. Am Ende ist mir der Preis zu hoch, um ohne Bedenken zuschlagen zu können.
Persönlich würde ich auf die nächste Generation Top-Smartphones mit Android warten. Das Galaxy S23, Xiaomi 13 und OnePlus 11 stehen bereits in den Startlöchern und dürften ab Februar oder März verfügbar sein.
Titelfoto: Jan JohannsenAls Grundschüler saß ich noch mit vielen Mitschülern bei einem Freund im Wohnzimmer, um auf der Super NES zu spielen. Inzwischen bekomme ich die neueste Technik direkt in die Hände und teste sie für euch. In den letzten Jahren bei Curved, Computer Bild und Netzwelt, nun bei Galaxus.de.