Sony Alpha 7 IV
33 Mpx, Vollformat
Natürlich ist die Sony Alpha 7 IV eine gute Kamera. Aber hat sie auch wenig bekannte Schwachstellen? Ich habe gesucht – und wenig gefunden.
Ich könnte beinahe bei jeder getesteten Kamera schreiben: Ist in Ordnung, kannst du kaufen. Weil das aber langweilig und nicht sehr hilfreich ist, suche ich gezielt nach den kleinen Unterschieden. Vor allem nach möglichen Schwachstellen, nach Haaren in der Suppe. Bei der Sony A7 IV war diese Suche besonders ausgeprägt.
Es steht ausser Frage, dass die A7 IV ein super Gesamtpaket ist. Schon das Vorgängermodell, die A7 III, begeisterte mich. Die vierte Generation der A7 sticht diese Vorgängerin in praktisch allen Belangen aus. Höhere Auflösung, viel besserer Autofokus, übersichtlichere Menüführung, potentere Videofunktion … Ich hab’s schon beim ersten Antesten ausführlich beschrieben.
Allerdings haute mich die A7 IV nicht vom Hocker, denn ich bin mittlerweile verwöhnt. In den dreieinhalb Jahren zwischen dem Erscheinen der 3. und der 4. Generation der Alpha 7 hat sich sehr viel getan. Anfang 2018 waren Sonys spiegellose Systemkameras weitgehend konkurrenzlos, Canon und Nikon hatten im Vollformat nur Spiegelreflexkameras. Das ist mittlerweile anders. Sehr anders.
Mit diesen hohen Ansprüchen Ende 2021 gehe ich auf die Suche nach Haaren in der Suppe.
Bei 4K-Aufnahmen mit 50 oder 60 Frames pro Sekunde beschneidet die Kamera den Blickwinkel stark. Und zwar um Faktor 1,5 – also wie wenn du ein APS-C-Objektiv anschliessen würdest. Es ist, als ob du hineinzoomen würdest. Das mag in gewissen Fällen praktisch sein, etwa bei Vogelaufnahmen. Dennoch ist das klar ein Mangel, denn es mindert die Möglichkeit für Weitwinkel-Videos.
Schlimm ist das nicht. Aber schade, denn die Sony Alpha 7 IV wäre abgesehen davon eine super Video-Kamera. Die Einstellungsmöglichkeiten und Anzeigehilfen beim Filmen decken Bedürfnisse ab, von denen ich nicht mal wusste, dass es sie gibt. Auch die Bildqualität der Videos ist exzellent.
Schade ist das auch, weil Sony dieses Jahr ein tolles und für Video perfektes Superweitwinkel-Objektiv herausgebracht hat. Dessen Potenzial wird nun nicht genutzt. Die Rede ist vom FE 14mm F1.8 GM.
Die Geschwindigkeit bleibt beim neuen Modell bei 10 Bildern pro Sekunde, sowohl mit mechanischem als auch mit elektronischem Verschluss. Das wäre in Ordnung, es reicht für die meisten Fälle. Aber in meinem Test schaffte die Kamera diese Geschwindigkeit nur mit JPEGs und verlustbehaftet komprimierten RAW-Files. Bei verlustfrei komprimierten und unkomprimierten RAW-Files ist die Kamera deutlich langsamer – schätzungsweise 6 Bilder pro Sekunde.
Meiner Meinung nach müsste Sony dies in den Spezifikationen angeben. Das steht aber nirgends, nicht einmal in einer Fussnote.
Ob dies in der Praxis ein Problem darstellt oder nicht, hängt von der Frage ab: Ist das verlustbehaftet komprimierte RAW-File sichtbar schlechter?
Die Kamera kennt drei verschiedene RAW-Formate:
Unkomprimiert habe ich nicht verwendet, da die Qualität gleich sein sollte wie verlustfrei komprimiert. Beim Vergleich zwischen verlustfreier und verlustbehafteter Komprimierung kann ich keinen Unterschied erkennen. Ich habe bei schwierigem Licht aufgenommen – Gegenlicht und Dunkelheit – und in der Bearbeitung extrem stark eingegriffen. Beide Formate bringen in der Bearbeitung die gleichen Ergebnisse.
Die Bilder sind zwar nicht identisch, da aus der Hand geschossen. Die Unterschiede haben mit dem Dateityp aber nichts zu tun. Hier noch ein weiteres Beispiel mit 2000 ISO und deutlichem Rauschen in der Bearbeitung.
Die verlustbehaftet komprimierten Dateien sind auch nicht viel kleiner. In den obigen Beispielen: 35,8 MB gegenüber 41,4 MB und 37,5 gegenüber 42,8 MB. An der Dateigrösse allein kann es nicht liegen, dass die Kamera mit dem verlustfrei komprimierten Format nur 6 Bilder pro Sekunde schafft. Vermutlich ist der Algorithmus zur verlustfreien Komprimierung langsamer. Somit dauert es länger, die Datei überhaupt zu erzeugen.
Unter dem Strich ist das Problem gar keines. Falls du schnelle Serienbilder benötigst, kannst du bedenkenlos die verlustbehaftete Komprimierung bei RAW einstellen. Das einzig Störende ist, dass du das zuerst herausfinden musst, weil es dir Sony nicht sagt.
Irgendwie hatte ich beim Testen oft das Gefühl, der Sucher sei nicht ganz scharf. Eine falsch eingestellte Dioptrienkorrektur kann ich als Ursache ausschliessen. Ebenso die Auflösung des Suchers – diese ist zwar geringer als bei der Alpha 1, aber ausreichend: Mit 3,69 Millionen Subpixel liegt sie gleichauf mit der Canon R6 sowie der Nikon Z6 II und deutlich über der A7 III mit ihren 2,36 Millionen Subpixel.
Mit dem Sucher hat das nichts zu tun. Das Livebild ist auch über den HDMI-Export nicht ganz scharf. Hier siehst du eine Bildschirmaufnahme. Das fertige Foto ist deutlich schärfer als das Livebild.
Ich weiss nicht, warum das so ist. Fotos werden nachgeschärft, aber so deutlich ist mir das noch nie aufgefallen.
Ich hab nach dem Schlechten gesucht, aber nicht viel gefunden. Die Sony A7 IV produziert einen deutlichen Crop bei 4K mit 50 oder 60 Frames. Ansonsten ist die Videofunktion dieser Kamera vom Feinsten. Es gibt drei unterschiedliche RAW-Formate; mit zweien davon ist die Serienbildfunktion verlangsamt. Da aber alle RAW-Formate tadellose Qualität liefern, ist das im täglichen Gebrauch kein Problem.
Dann ist noch die Sache mit dem unscharfen Sucherbild. Die Ursache ist mir unklar, aber es hat mich gestört. Das ist schon alles. Unter dem Strich bleibt eine sehr vielseitig einsetzbare Kamera auf dem neuesten Stand der Technik. Einmal mehr war ich auch vom Autofokus überzeugt. Die Vogelerkennung funktioniert tadellos – wie bei der Sony Alpha 1. Von den Einsatzmöglichkeiten her scheint mir die A7 IV nicht weit von der sehr viel teureren A1 entfernt; daher finde ich sie auch nicht zu teuer. Anders gesagt: Ist in Ordnung, kannst du kaufen.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.